Libidine - Raniero di Giovanbattista (1979)

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Salvatore Baccaro
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Libidine - Raniero di Giovanbattista (1979)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: Libidine

Produktionsland: Italien 1979

Regie: Raniero di Giovanbattista

Darsteller: Cinzia De Carolis, Marina Hedman, Ajita Wilson, Franco Parisi, Luigi Casellato, Mauro Vestri

Für Filme wie diesen wurde der Terminus „Deliria Italiano“ ersonnen…

Raniero di Giovanbattista kann ein durchaus beachtliches Oeuvre als Herstellungsleiter vorweisen. Ob nun als Produktions-Manager bei Antonio Margheritis Gothic-Western E DIO DISSE A CAINO…, bei einem der seriöseren Nazi-Exploitern, Fabio de Agostinis LE LUNGHE NOTTE DELLA GESTAPO, bei Gianfranco Mingozzis wundervollem Historiendrama FLAVIA, LA MONACA MUSULMANA, bei dem alsbald in Karlsruhe über die Leinwand flimmernden Kriminalfilm 7 UOMINI D’ORO von Marco Viciaro, oder gar einem surrealen Filmexperiment in der Nachfolge Lucio Fulcis wie Gianni Martuccis I FRATI ROSSI – der Mann scheint aktiv an den mannigfaltigen Kaninchensprüngen des italienischen Genrekinos mitgeholfen zu haben. Das erste Mal selbst auf dem Regiestuhl nimmt Raniero di Giovanbattista im Jahre 1979 Platz – und inszeniert mit LIBIDINE einen Film, der allein deshalb im Kanon absonderlicher Kinogeschichte verankert sein sollte, weil wohl kein anderer Streifen jemals über so viele Minuten lang gezeigt hat, wie sich ein splitterfasernacktes Mädchen mit einer lebenden Schlange, sagen wir, „verlustiert“…

Das Mädchen heißt Anna, (verkörpert von Cinzia De Carolis, die ihre Leinwandkarriere als Zehn- bzw. Elfjährige unter Dario Argento bzw. Giorgio Ferroni begonnen hat, und nach LIBDINE noch John Saxon in APOCALYPSE DOMANI verführen sollte), und ist Tochter eines eigenbrötlerischen Professors, die ihrem Papa nach jahrelangem Klosterschul-Aufenthalt von einer frommen Schwester im Salon der luxuriösen Familienvilla zugeführt wird. Dass im Hause des Professor Gianni einiges nicht mit rechten Dingen zugeht, das ist eine Ahnung, die wir schon in den zwanzig vorherigen Filmminuten haben gewinnen können: Der feiste Hausangestellte transportiert seltsame Fracht; die sexuell frustrierte Gattin des Hausherrn fällt in Ohnmacht, als aus einer der geheimnisvollen Kisten ein Schlangenmäulchen züngelt; das Dienstmädchen scheint jedwede Gelegenheit zu nutzen, mit sich selbst oder dem Butler bzw. gerne auch Giannis Angetrauter in die Kiste zu steigen; der, was seine Lendentätigkeit betrifft, kaum nennenswert aktive Professor vertreibt sich derweil die Zeit mit seinem Assistenten im Keller, wo etliche Aquarien und Terrarien zu blubbernden Elektro-Score-Tönen schäumen. Wenn Anna sich nicht gerade vor Vergewaltigungs-/Verführungsversuchen durch Papas Butler oder Papas Laborgehilfen oder Papas Ehefrau retten muss oder aber das Dienstmädchen beim Liebesspiel mit der Stiefmutter beäugt, fasst sie Zutrauen zu der bereits erwähnten Riesenschlange, deren DNA Professore Gianni – weshalb auch immer! – in einem haarsträubenden Experiment mit derjenigen eines Menschen gekreuzt hat. Die Sympathien beruhen auf Gegenseitigkeit: Auch der Schlange scheint Annas Schicksal nicht gleichgültig sein, denn immerhin bewahrt sie die junge Frau zweimal davor, gegen ihren Willen zum Geschlechtsverkehr genötigt zu werden – einmal, als der adipöse Hausangestellte sich über sie hermacht, den das Reptil sodann durch einen gezielten Giftbiss erledigt; ein anderes Mal, als Väterchens rechte Hand sie im Garten überfällt, dem sie sich sodann als todbringender Schal um den Hals schlingt. Logischerweise muss auch die Stiefmutter, die sich gerade mit der Magd die Zeit im Badezimmer vertreibt, durch einen Biss in die Ferse sterben. Tja, und dann gibt es zu allem Überfluss noch eine surreale Traumszene, in der sich Anna als Königin der Schlangen auf einem Kobra-Thronstuhl imaginiert, von wo sie weitere mortifizierende Attacken ihrer kaltblütigen Heerscharen dirigiert. Im Finale möchte der Professor dem wilden Treiben seiner Tochter einen Riegel vorschieben – denn inzwischen vergnügt sich Anna mindestens zehn Minuten lang mit ihrer züngelnden Freundin im Bett –, wird von dieser jedoch durch nahezu hypnotische Kraft dazu gebracht, dass er das Schießeisen, das eigentlich die Schlange zerfetzen sollte, gegen den eigenen Kopf richtet…

Mit seinem grummelnden Disco-Funk-Bass und seinen flotten Streichern aus der Kompositionsschmiede Stelvio Ciprianis beginnt LBIIDINE nicht nur wie ein handelsüblicher Italo-Porno der späten 70er, er wird diesen Eindruck – obgleich zumindest in der von mir gesichteten Fassung keine einzige Hardcore-Szene stattfindet – auch im weiteren Verlauf dadurch untermauern, dass sich dieser hölzern in Szene gesetzte Streifen von einer kruden Sexszene zur nächsten hangelt, und seinen Plot dabei zur vernachlässigbaren Nebensache werden lässt: Marina Hedman als Gattin des Professors teilt sich mit Dienstmagd Ajita Wilson einen Dildo, an dem beide wie besessen saugen; der von einem gewissen Franco Parisi dargestellte Butler leistet sich ein erotisches Stelldichein mit Hedman oder dringt – wohlgemerkt gegen ihren Willen! – in Wilson ein, als diese ohne Höschen (!) das Abendessen für den Professor vorbereitet; die endlosen Szenen im letzten Drittel, in denen Cinzia De Carolis mit der Schlange schmust, dürften zwar sicherlich keinen PETA-Standards genügen, (welchem Reptil gefällt es schon, wenn es fortwährend zwischen Oberschenkeln eingeklemmt oder mit Küssen beschossen wird?), immerhin ergeht es dem Tier aber noch besser als ihren Artgenossen in jedem beliebigen zeitgleich gedrehten italienischen Kannibalenfilm. Dass eine Großaufnahme mir tatsächlich zeigt, wie der Kopf der Schlange in den Vaginalbereich entweder von Frau De Carolis oder einem Double eingeführt wird, hat mich allerdings genauso für kurze Zeit mein Sprachvermögen verlieren lassen wie der Umstand, dass es die Verantwortlichen scheinbar für eine prickelnde Idee hielten, ausgerechnet den übergewichtigen Hausbutler nahezu in jeder einzelnen der (zudem komplett unsinnlich heruntergekurbelten) Softsex-Eskapaden ins Feld zu schicken.

Seit einiger Zeit gehört D’Amatos EVA NERA zu meinen liebsten Filmen des Maestros Massacessi. Wie überdeterminiert D’Amato in diesem EMANUELLE-NERA-Spin-Off doch die sexualisierte Schlangenmetaphorik des Abendlands durchdekliniert! Während Schlangen in EVA NERA indes die Zugangspforte für tabuisierte Bereiche menschlicher Erotik bilden, fungiert das Reptil in LIBIDINE demgegenüber nahezu als Vehikel für die katholische Morallehre - obwohl die Genesis das Tier freilich mit Satanas gleichsetzt. Es entbehrt deshalb nicht einer gewissen augenzwinkernden Ironie, wenn Annes schuppenhäutige Freundin nicht nur gleich zwei Vergewaltigungsversuche stoppt, sondern später auch dem lesbisch-schamlosen Treiben zwischen Hedman und Wilson ein jähes Ende bereitet – ganz so, als würde die Schlange nicht etwa die Sünde in die Welt bringen, sondern vielmehr die Sünde gewaltsam aus der Welt vertreiben wollen. Dass Anne zwischendurch auch einmal einen Spatz vor einer Katz‘ errettet und in Rückblenden von Beichtstuhl-Sessions im Klosterinternat heimgesucht und generell als Unschuld vom Lande stilisiert wird, spricht letztlich ebenso für die bigotte Agenda, die LIBIDINE – seinem Titel zum Trotz – fährt. Wobei es freilich eine besondere Note des Tugendverständnisses von Signore Raniero di Giovanbattista ist, dass in dem Paralleluniversum, das er uns in seinem Spielfilm-Debut vorführt, sexuelle Erfüllung nur dadurch erlangt werden kann, indem man sich mit einer Schlange das Bett teilt…

Alles in allem ist LIBIDINE geeignet für folgendes Zuschauerklientel: 1) Menschen, die schon immer mal sehen wollten, wie Marina Hedman und Ajita Wilson zeitgleich einen Dildo lutschen, 2) Menschen, deren sexuelle Obsession sich auf die Liebesspiele zwischen jungen Mädchen und Schlangen konzentriert, 3) Menschen, die immer noch nicht ganz verstanden haben, was mit dem Terminus „Deliria Italiano“ gemeint sein soll…

P.S.: Dass Raniero di Giovanbattista nachfolgend nur noch dreimal ausschließlich bei reinen Hardcore-Pornos Regie geführt hat, macht sowas von Sinn.
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Reinifilm
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Re: Libidine - Raniero di Giovanbattista (1979)

Beitrag von Reinifilm »

Alles in allem ist LIBIDINE geeignet für folgendes Zuschauerklientel: 1) Menschen, die schon immer mal sehen wollten, wie Marina Hedman und Ajita Wilson zeitgleich einen Dildo lutschen
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Salvatore Baccaro
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Re: Libidine - Raniero di Giovanbattista (1979)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Reinifilm hat geschrieben: Do 27. Aug 2020, 00:14
Alles in allem ist LIBIDINE geeignet für folgendes Zuschauerklientel: 1) Menschen, die schon immer mal sehen wollten, wie Marina Hedman und Ajita Wilson zeitgleich einen Dildo lutschen
:wix:
Glaube mir, es gibt Firmenfusionen, die sinnlicher inszeniert sind...
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Reinifilm
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Re: Libidine - Raniero di Giovanbattista (1979)

Beitrag von Reinifilm »

Salvatore Baccaro hat geschrieben: Fr 28. Aug 2020, 09:37
Reinifilm hat geschrieben: Do 27. Aug 2020, 00:14
Alles in allem ist LIBIDINE geeignet für folgendes Zuschauerklientel: 1) Menschen, die schon immer mal sehen wollten, wie Marina Hedman und Ajita Wilson zeitgleich einen Dildo lutschen
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Glaube mir, es gibt Firmenfusionen, die sinnlicher inszeniert sind...
:wix: ...äh... ich meine: Anschaulich beschrieben. :mrgreen:
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