Maciste im Kampf mit dem Piratenkönig - D. Paolella (1962)

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Salvatore Baccaro
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Maciste im Kampf mit dem Piratenkönig - D. Paolella (1962)

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Originaltitel: Maciste contro lo sceicco

Produktionsland: Italien 1962

Regie: Domenico Paolella

Darsteller: Ed Fury, Erno Crisa, Gisella Arden, Piero Lulli, Mara Berni, Anna Ranalli, Massimo Carocci
Nachdem ich kürzlich die eine oder andere Zeile über den schlichtweg einschläfernden GIULIO CESARE CONTRO I PIRATI von Sergio Grieco aus dem Jahre 1962 verfasst habe, dachte ich, wo ich doch schon einmal im Thema bin, gleich auch noch den hierzulande unter dem Titel MACISTE IM KAMPF GEGEN DEN PIRATENKÖNIG erschienenen Streifen mitzunehmen, den Domenico Paolella offenbar etwa zeitgleich inszeniert hat. Entgegen meiner Erwartung, einfach noch einmal den gleichen Film, nur eben diesmal statt Julius Caesar mit Muskelhünen Maciste in der Hauptrolle, zu sehen zu bekommen, entpuppt sich das Werk, zumindest in der mir vorliegenden Originalfassung, als eines, in dem Piraten, wenn überhaupt, eine äußerst marginale Erscheinung darstellen. Will ich aber wirklich wissen, was die deutschen Titelschmiede mal wieder getrunken haben müssen, um den im italienischen Titel erwähnten Scheich eigenmächtig in einen Piratenkönig umzumünzen?

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Abb.1: Man beachte den Namen eines der Drehbuchautoren

Wenden wir uns besser erstmal dem Film selbst zu, der, anders als GIULIO CESARE CONTRO I PIRATI und der Großteil aller peplums, nicht in der römischen Antike angesiedelt ist, sondern im Spanien des ausgehenden sechzehnten Jahrhunderts. Nachdem die sogenannte Reconquista, sprich: die Wiedereroberung muslimischer Gebiete der Iberischen Halbinsel durch christliche Heere, bereits knapp einhundert Jahre zuvor relativ erfolgreich abgeschlossen wurde, sind die ehemaligen Besatzer nunmehr jedoch immer noch in Nordafrika zugegen, um von dort aus regelmäßige Versuche zu starten, das Verlorene zurückzugewinnen. Unser Film beginnt mit einem solchen Scharmützel, bei dem die Truppen des Herzogs von Malaga gerade dabei sind, einem dieser muslimischen Aggressoren, Abd El Kader mit Namen, die Leviten zu lesen. Man ist zwar bis in die nordafrikanische Küstenstadt Melilla vorgedrungen und hat einen ominösen Obelisken umgestürzt, der den Muslimen scheinbar als Heiligtum dient und der mit hoher Wahrscheinlichkeit der tobendenden Phantasie der insgesamt drei Drehbuchautoren entsprungen sein dürfte, letztlich scheitern die Spanien aber doch an der Übermacht der Mauren. Ihr Herzog fällt dem Feind in die Hände, kann zwar sein inkognito wahren, wird allerdings als gemeiner Sklave zum Mühlraddrehen verurteilt. Jahre vergehen, sein Bart wächst und wächst, noch immer ahnt niemand, was für eine kostbare Beute man in einem armseligen Kerker dahinsiechen lässt, bis eines Tages ein weiterer spanischer Kriegsgefangener, der Edelmann Ramiro, in der gleichen Zelle eingebürgert wird und den Herzog auf Anhieb erkennt. Um sich aus der Gefangenschaft loszukaufen und zudem noch ein finanziell lukratives Geschäft zu erzielen, flüstert Ramiro dem Scheich seine Entdeckung zu und heckt zusammen mit ihm einen teuflischen Plan aus: Isabella, das natürlich bildhübsche Herzogstöchterchen, das auf dem spanischen Festland züchtig ein Kloster besucht, soll entführt und dem Scheich angetraut werden, sodass der, ganz ohne weitere Kriegshandlung, rechtmäßiger Besitzer Malagas, dem, wie er es nennt, Land seiner Väter, wird. Hierfür reist Ramiro, vorgebend, durch eine abenteuerliche Flucht und nicht durch Verrat aus den Fängen des Scheichs entronnen zu sein, zurück nach Spanien, um Vorkehrungen für die Entführung zu treffen. Schließlich geschieht das Schreckliche: Mitten in der schönsten Gebetsstunde werden die Buntglasfenster der Klosterkirche von grausige Grimassen schneidenden Muselmännern gesprengt und Isabella aus der Mitte ihrer frommen Schwestern geraubt. Antonio, ein Jüngling, der Isabella trotz ihrer Klostertracht abgöttisch liebt, kann den Verlust nicht nur nicht ver-schmerzen, er bläst sofort zur Jagd nach den Häschern seiner Liebsten – und für alle, die sich nun, wo der Film bereits zwanzig Minuten läuft, fragen, was das denn alles nun mit Maciste zu tun haben soll, wird der von Antonio kurzerhand als sein bester Freund aus der Tasche gezaubert und als Weggefährte für die waghalsige Fahrt ins Feindesland verpflichtet.

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Abb.2: Domenico Paolellas erster Ausflug in nicht allzu keusche Nonnenklöster

Der erste Auftritt des einmal mehr von Ed Fury verkörperten Muskelprotzes macht eine Eigenart von MACISTE CONTRO LO SCEICCO deutlich, die mir nicht wenige Stirnrunzeln bereitet hat. Während alles bis hierhin ziemlich ernst, nahezu grimmig inszeniert worden ist – die Hofintrigen, das Schmachten von Isabellas Vater unter Zwangsarbeit und Kerkerhaft, die Liebe zwischen Isabella und Antonio -, kippt der Film, sobald Maciste auf der Leinwand erscheint, ins Komödiantische: ich bin mir nur noch nicht ganz sicher, ob es sich um beabsichtigte oder unfreiwillige Komik handelt, wenn der Felsgeborene völlig unvermittelt auf einer Hinrichtungsstätte erscheint, einen zum Tode Verurteilten vom Galgen reißt, sich ein bisschen mit Henkern und Soldaten prügelt, und genauso unvermittelt von Antonio quasi vom Platz weg für die Reise nach Nordafrika engagiert wird. Aber auch sonst ist Ed Fury in MACISTE CONTRO LO SCEICCO für die spaßigen Aspekte zuständig, später dann völlig unmissverständlich. So sollen Maciste und Antonio, auf Auftrag Ramiros hin, bereits während der Fahrt übers Mittelmeer aus dem Weg geräumt werden. Maciste wittert, dass mit dem Trank, den ihnen die Mannschaft reicht, kaum dass sie die heimische Küste verlassen haben, irgendwas nicht stimmen kann, lässt Antonio indes, ohne ihn zu warnen, ausgiebig von ihm trinken, schüttet den Inhalt seines eigenen Bechers aber mehr oder minder heimlich über Bord in den Ozean. Ich schreibe: mehr oder minder, weil die Geste, mit der dies geschieht, derart übertrieben ist, dass sie kaum anders als augenzwinkernd gemeint sein kann. Ed Fury streckt seinen rechten Arm außerordentlich langsam über die Reling, verrenkt seinen Oberkörper in Zeitlupentempo, träufelt das Gesöff, scheint es, Tröpfchen für Tröpfchen in die Wellen, das alles wohlgemerkt direkt vor den Augen derjenigen, die ihm den Wein manipuliert haben. Hinzukommt, dass ich persönlich den Plan, den er mit der Aktion verfolgt, nicht verstanden habe. Folgendes geschieht nämlich nun: während Antonio sofort ohnmächtig wird, spielt Maciste seine eigene Ohnmacht erneut völlig theatralisch, lässt sich von seinen Feinden fesseln und unter Deck schaffen, wo er erst dann zu handeln beginnt, als ihm bewusst wird, dass die Mannschaft dabei ist, das Schiff zu verlassen, nachdem man es vorher in Brand gesteckt hat. Vollkommen abstrus wird es, wenn Maciste mit bloßer Muskelkraft die ihn umschlungen haltenden Stricke sprengt, Antonio zurück ins Bewusstsein rüttelt und sodann das Rettungsboot stürmt, mit dem Remiros Handlanger sich auf und davon machen wollen. Einem nach dem andern eine Tracht Prügel versetzend, schleudert er sie Mann für Mann zurück auf das inzwischen schon in hohen Flammen stehende Schiff, entert mit Antonio das Beiboot und segelt mit dem davon, während seine Feinde, vermute ich, entweder ertrinken oder verbrennen oder beides. Mit Logik kommt man da nicht weiter – und soll es wohl auch nicht.

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Abb.3: Postkartenidylle: Antonio, Maciste, ein namenloses Maurenmädchen und Kokosnüsse

Kaum an der nordafrikanischen Küste angelangt, darf Ed Fury sein Talent als Comedian noch kräftiger unter Beweis stellen. Antonio, erschöpft von der Reise und dem zu sich genommenen Schlafmittel, stürzt erstmal besinnungslos in den Sand, Maciste jedoch knurrt der Magen, weswegen er sich ein paar Kokosnüsse holen geht. Dabei trifft er ein kleines Mädchen, das er auf Anhieb zu seiner Freundin ernennt. Es ist ein herzallerliebstes Bild wie die Drei kurz darauf an einem Kitschpostkartenstrand sitzen, untereinander die Kokosnüsse aufteilen und Furys Gesicht drollige Mienen im Sekundentakt abspult. Überhaupt hat MACISTE CONTRO LO SCEICCO bis dahin offenbar völlig vergessen, dass er doch eigentlich als ernstes Drama begonnen hat. Dass in einem daran anschließenden Kampf mit einer Bande Scheichsoldaten jeder Hieb, den Maciste an diese abgibt, mit albernen Comic-Geräuschen unterlegt wird, ist womöglich ein Höhepunkt der Seltsamkeiten, aber noch nicht ihr Gipfel. Den finden wir erst etwas später, zunächst muss der Film sich allerdings auf seine tragische Ausgangssituationen besinnen und Antonio mit Isabella konfrontieren, die ihn brüsk mit der Erklärung abweist, sie liebe ihn nicht mehr, sondern den Scheich und den Reichtum, den er ihr als seiner Zukünftigen versprochen hat. In Wirklichkeit droht Abd El Kader der Holden natürlich damit, dass er ihrem Vater jedes einzelne Haar krümmt, sollte sie ihn nicht ehelichen. Damit kann Antonio sich freilich nicht abfinden und Maciste kommt auf die nächste bescheuerte Idee: wieso sich nicht einfach als Sklaven verkleiden und somit in die Kerker des Scheichpalastes vordringen, um von dort aus die Befreiung Isabellas und des Herzogs zu organisieren? Fast noch mehr verwundert als über diesen nun wirklich reichlich abseitigen Plan, bin ich darüber, dass Antonio seinem Freund sofort euphorisch zustimmt und wir unsere Helden ein paar Schnitte später mit Ketten, die eine Horde Büffel in Schach halten könnten, in einer Zelle wiederfinden, die sie mit einem Hutzelmännchen teilen, das angeblich seit drei Dekaden dort eingesperrt ist und sich ihnen kurzerhand als drittes Rad am Wagen anschließt. Zuvor muss Maciste nur einmal mehr Unmengen von Strahl sprengen, indem er tief Luft holt und seinen Bizeps aufbläst.

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Abb.4: Maciste im Kampf mit einem ausgestopften Löwen

Eine weitere meiner Lieblingsszenen ist klassisches italienisches Monumentalkino par excellene. Ich liebe es einfach, wenn Herkules, Ursus, Maciste oder wie auch immer sie heißen mögen, in Zweikampf mit angeblich wilden Tieren treten. Nicht weil ich es gerne sehe wie Bären, Löwen oder Drachen die Hälse umgedreht werden, sondern wegen der virtuosen Art und Weise wie solche Szenen in solchen Filmen stets inszeniert sind. MACISTE CONTRO LO SCEICCO liefert ein Paradebeispiel für das, was ich meine. Als nämlich unsere inzwischen drei Helden in einen Kerkerraum einbrechen, in dem sie den Scheichharem vermuten, sehen sie sich auf einmal einer Löwenfamilie gegenüber, mit dessen Männchen Maciste entschlossen ein Duell beginnt. Während das Tier in manchen Szenen, in denen man Ed Fury selbst nicht sieht, ein durchaus echtes ist, dem man, was nicht wirklich angenehm anzuschauen ist, mit einem Stock mitten ins aufgerissene Maul schlägt, verwandelt sich der stolze Löwe in den Szenen, in denen Fury mit ihm rangelt, in einen ausgestopften Bettvorleger, von dem wir wohl nur deshalb einzig die obere Hälfte seines Kopfes zu sehen kriegen, weil alles, was darunter liegt, der sowieso schon brüchigen Illusion noch mehr zusetzen würde. Ich muss es wiederholen: wenn Muskelprotze mit billigen Tierkostümen rangeln, lacht mein Herz.

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Abb.5: Die Poesie der Kraniche

Alles in allem hat mich MACISTE CONTRO LO SCEICCO, man hört das vielleicht schon, schätzungsweise hundertmal besser unterhalten als der im direkten Vergleich noch mehr verlierende GIULO CESARE CONTRO I PIRATI. Letzterer liefert zwar mehr historische Fakten, mehr Anekdoten aus der antiken Literatur, dafür hat Paolellas Film vieles von dem auf seiner Seite, was ich persönlich in Filmen dieser Machart zu sehen wünsche: bitterböse Schurken und leuchtende Heldenfiguren in naiver Schwarzweißmalerei, einen Geschichtskontext, der höchstens mit den vordersten Zehenspitzen im Bereich des Verbürgten steht, schmetternde Fanfaren, seufzende Schöne, hirnrissige Befreiungs- und Entführungsaktionen, die im wirklichen Leben niemals auch nur über ein erstes brainstorming hinauskommen würden und natürlich Muskelprotze, die mit billigen Tierkostümen rangeln.

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Abb.6: Ironie-Modus off: Diese Bildkomposition grenzt in ihrer Prägnanz und Aussagekraft schon fast an Größe

Drei, vier Szenen jedoch haben mich außerdem direkt in einer Weise angesprochen, die über bloßes Amüsement hinausgeht. Als erstes Beispiel sei eine Bildkompositionen bereits aus den ersten Minuten genannt. Gleich zu Beginn sehen wir eine Landkarte Spaniens und Nordafrikas. Um zu verdeutlichen, dass in diesen Gebieten Krieg zwischen Christen und Muslimen herrscht, legen je zwei Hände einen Degen bzw. einen Säbel als Repräsentanten der jeweiligen Konfession auf die Karte, worauf vom unteren Bildrand her Flammen zu züngeln beginnen. Mit einer Prägnanz wie man sie fast nur aus Stummfilmen kennt, verdeutlicht der Film damit in einem einzigen Bild den Konflikt, der seiner gesamten Story zugrunde liegt. Relativ zum Ende hin haben Maciste, Antonio und Isabella es bis an die Küste geschafft, die Rettung scheint sicher. Allein sind sie dort aber nicht. Zwei Kraniche stelzen wie zufällig durchs Bild. Isabella folgt ihnen, schreckt sie auf, bewundert ihre Schönheit mit zärtlichen Blicken. Für einen kurzen Moment stiehlt sich so etwas wie Poesie in den Film, die mir noch jetzt, wenn ich nur daran denke, den Anflug eines Lächelns auf die Lippen zaubert. Nein, ich kann nicht behaupten, dass ich bereue, diesem Werk eineinhalb Stunden meines Lebens geopfert zu haben, und letztlich ist es doch sowieso völlig gleichgültig, gegen wen oder was Maciste nun eigentlich gekämpft hat, Hauptsache, er kämpft, oder nicht?
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