Necropolis - Franco Brocani (1970)

Alles aus Italien, was nicht in die anderen Themenbereiche gehört.

Moderator: jogiwan

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Vizzini
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Necropolis - Franco Brocani (1970)

Beitrag von Vizzini »

Necropolis

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Originaltitel: Necropolis

Herstellungsland: Italien / 1970

Regie: Franco Brocani

Darsteller: Nicoletta Machiavelli, Tina Aumont, Pierre Clémenti
Paul Jabara, Carmelo Bene, Bruno Corazzari

Story: -

Coming soon (May 22) on English-friendly DVD.

Art-house/horror/barbarian/hipster mash-up, guest-starring Frankenstein, Attila, countess Bathory and Mona Lisa :o

Time Out Film Guide:
"Brocani conjures together all your favorite European cultural and historical myth figures in order to attack the centuries of 'sublimation' that have produced our cities and their inhabitants. The gang's all here: Frankenstein's monster gropes towards the awareness that his mind is a universe; Attila, naked on a white horse, liberates his people from their ignominy; the ultra-caustic Viva bemoans the frustrations of married life and drifts into the elegiac persona of the Bloody Countess Bathory; Louis Waldon is a hip American tourist searching for the (missing) Mona Lisa. The range is extraordinary, from stand-up Jewish comedy to a kind of flea-market expressionism."
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jogiwan
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Re: Necropolis (Franco Brocani, 1970)

Beitrag von jogiwan »

wow - sounds good! :thup:
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Vizzini
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Re: Necropolis - Franco Brocani (1970)

Beitrag von Vizzini »

New specs announced via facebook
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“La maschera del Minotauro”, based on a story by Jorge L. Borges

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Vizzini
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Re: Necropolis - Franco Brocani (1970)

Beitrag von Vizzini »

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jogiwan
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Re: Necropolis - Franco Brocani (1970)

Beitrag von jogiwan »

Theatralischer und sehr spezieller Kunstfilm, in den Franco Brocani seine Darsteller wie Tina Aumont und Bruno Corazzari historische und Kunst-Figuren wie Frankenstein spielen lässt, die dann oft minutenlange und seltsame Monologe von sich geben. Das Ganze auch noch mehrsprachig und neben Deutsch und Französisch ist die Hälfte des italienischen und durchaus fordernden Films auch in englischer Sprache. Die zwei Stunden haben auch keine feste Handlung und verbindende Elemente und erinnern mit ihren kargen Kulissen eher an ein gefilmtes Theaterstück, das aus mehreren Akten besteht und den Zuschauer auf mehreren Ebenen fordern möchte. "Necropolis" ist dann auch ein sehr spezielles Vergnügen und manchmal auch eine Geduldsprobe, dass sich an ein sehr aufgeschlossenes Publikum richtet. Interessant wäre sicherlich, was der Regisseur dazu meinen würde, aber wenn die bislang einzige Kritik auf der IMDB "Necropolis" als "pretty close to unwatchable" bezeichnet, dann kann das hier durchaus als Warnung gesehen werden.
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Nello Pazzafini
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Re: Necropolis - Franco Brocani (1970)

Beitrag von Nello Pazzafini »

na das klingt ja abgedreht, sapperlot. Früher hätt ich da sicher eine Riesenfreude damit gehabt war ich doch ständig auf der suche nach verschrobenen material. Weiss nicht ob ich heute noch eine Zugang dazu finde vorausgesetzt ich besorg ihn mir überhaupt. pretty close to unwatchable ist aba auch eine harte aussage ;)
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reggie
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Re: Necropolis - Franco Brocani (1970)

Beitrag von reggie »

Tina Aumont :thup: Kunstfilm :angst:

Schön mal etwas über den Film zu erfahren, man scheint zwar schöne bilder eingefangen zu haben, denke aber das der Film nicht so mein fall sein wird.
Jogis Warnung werde ich mal ernst nehmen und einen weiten Bogen um den Film machen ;)
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Die Kroete
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Re: Necropolis - Franco Brocani (1970)

Beitrag von Die Kroete »

reggie hat geschrieben:Tina Aumont :thup: Kunstfilm :angst:

Schön mal etwas über den Film zu erfahren, man scheint zwar schöne bilder eingefangen zu haben, denke aber das der Film nicht so mein fall sein wird.
Jogis Warnung werde ich mal ernst nehmen und einen weiten Bogen um den Film machen ;)

Welche Warnung?

Für mich klang das eher nach einer Empfehlung, sich den Film unbedingt mal anschauen zu müßen. :troest: ;)
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reggie
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Re: Necropolis - Franco Brocani (1970)

Beitrag von reggie »

Ich habs mit Kunstfilmen nicht so...
Im übrigen verwendet er das Wort Warnung sogar ;)

Sollte er mal mit Syncro erscheinen, dann werd ich mal ne blick wagen :nick:
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Salvatore Baccaro
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Re: Necropolis - Franco Brocani (1970)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Vier Eindrücke zu einem beeindruckenden Film:

Mein erster Eindruck: Franco Brocanis NECROPOLIS handelt nicht von Menschen, sondern von Ideen. Keiner der Darsteller verkörpert eine Figur aus Fleisch und Blut, mit einer eigenen Biographie, einem eigenen Namen, einer eigenen Persönlichkeit, sondern leiht seinen Körper Abstrakta, die er dann optisch und verbal zum Ausdruck zu bringen versucht. Obwohl der Film beispielweise in der OFDB unter dem Genre Horror geführt wird, könnte nichts falscher sein als anzunehmen, der sonst vor allem in Italowestern agierende Bruno Corazzari würde tatsächlich, wie es sein Rollenname vorgibt, das Frankenstein-Monster spielen, oder die innerhalb der Factory Warhols zu Starruhm gekommene Viva die Blutgräfin Bathory verkörpern. Trotz ihrer der europäischen Kulturgeschichte entlehnten Namen, zum Beispiel trägt Pierre Clémenti den des Hunnenschrecks Attila oder Louis Waldon, ebenfalls ein einstiger Mitstreiter Warhols, wird schlicht Barbar genannt, darf man nicht erwarten, dass die einzelnen Figuren ihren Namen auch nur ansatzweise gerecht werden. Es ist bloße Staffage, ein Spiel mit Signifikanten, deren Signifikat sich irgendwo in der süchtig machenden, wirklich exzellenten Kinematographie versteckt haben muss. Was aber verkörpern diese Leute dann, welche Ideen sollen das sein, die so codiert zu sein scheinen, dass man Mühe hat, sie zu entziffern? Nur an einer Stelle, einer meiner liebsten des ganzen Films, wird einigermaßen deutlich, was Brocani ursprünglich vor Augen gehabt haben könnte. Waldon, der bärtige Barbar, begegnet in der Ecke von etwas, das aussieht wie ein minimalistisches Künstleratelier, einer jungen Dame, die sich La Gioconda nennt. Eigentlich ist er auf der Suche nach der Mona Lisa. Ein alter Mann hat ihn in jene Ecke verwiesen: dort würde er sie schon finden. Die heitere Dame indes spricht nur Italienisch, was unser Barbar nicht versteht, und kann ihm auch sonst nicht weiterhelfen. Obwohl sie rein äußerlich exakt so aussieht wie die Frau auf da Vincis weltberühmtem Gemälde, ist es eine reine Sprachbarriere, die den Amerikaner von der Italienerin trennt. Mona Lisa, der, unter anderem, in Deutschland gebräuchliche Name des Bildes, beruht seinerseits auf einem ordinären Rechtschreibfehler. Es ist nicht der Eigenname der Gemalten, sondern sollte ursprünglich Monna Lisa lauten, wobei ersteres eine Kurzform von Madonna, d.h. Frau, darstellt. Waldon kann Frau Lisa freilich nicht finden, wenn er mit ihr selbst spricht, die sich nur unter dem Namen La Gioconda kennt. Fast eine babylonische Situation, eines Borges würdig, auf jeden Fall reichlich absurd, die Brocani da entwirft, und NECROPOLIS für einen kurzen Moment ironischerweise ausgerechnet dadurch zur Verständlichkeit verhilft, dass er Verständnisprobleme thematisiert.

Mein zweiter Eindruck: Franco Brocanis NECROPOLIS handelt durchaus von Menschen, die alles andere sind als Ideen, sondern die Schauspieler selbst, die vor der Kamera exakt so agieren wie sie das im heimischen Wohnzimmer getan hätten. Sobald Viva die Bühne betritt, reißt sie diese mit aller Gewalt an sich. Viva ist keine Schauspielerin, jedenfalls nicht im klassischen Sinne. Viva spielt in jedem Film sich selbst, sei es nun in den frühen Warhol-Werken wie THE NUDE RESTAURANT oder BLUE MOVIE, wo sie im Übrigen vor laufender Kamera mit Louis Waldon Sex hat, und selbst noch in einem ihrer letzten Auftritte, in Wim Wenders THE STATE OF THINGS Anfang der 80er. Demnach plaudert Viva auch bei Brocani munter aus dem Nähkätschen, weiht uns ein in ihre Eheprobleme, schäkert herum, schneidet Grimassen. Das ist keine abstrakte Idee, das ist eine Frau aus Blut und Fleisch, und gerade dadurch ergibt sich eine überaus intime Situation, bei der Brocanis Kamera zumeist unaufgeregt auf seinen Darstellern ruht und sie, vor allem in einer Szene, in der Viva, Waldon, die unfassbar schöne Tina Aumont und Corazzari in einer hipen Stube auf einem Sofa versammelt sind, einfängt, als seien sie unbeobachtet unter sich. Da gibt es diesen Schwenk von der Unterhaltung, die Viva und Corazzari links auf der Couch miteinander führen zu Waldon, der Aumont einen wortreichen Monolog hält, und in dem Moment macht es für mich Klick!, und ich fühle eine ungemeine Sympathie für diese fremden Gestalten, die vor mehreren Jahrzehnten ungezwungen in knallbunter Kulisse zusammensitzen und sind, was sie sind, so, als sei keine Kamera bei ihnen, die ihnen zuruft, dass sie gefilmt werden, und dass das die Anwesenheit von Augen bedeutet, die möglicherweise noch nicht mal geboren wurden. Ein weiterer Moment, der allererste des Films, wenn ein junger Mann etwas, in dem ich irgendeinen süßen Sirup vermute, von seinen Fingern schleckt: dieser ist ganz offensichtlich nicht nur nicht nüchtern, sondern bis unterhalb die Stirn voll mit Drogen, die seinen Augen einen beinahe irren Blick verleihen. Wieder: das ist keine Idee, das ist kein Schauspiel, das ist ein drogenvoller Jüngling, der Sirup schleckt, nicht mehr, nicht weniger.

Mein dritter Eindruck: Franco Brocanis NECROPOLIS lebt von diesem Clash zwischen überhöhter Artifizialität und maskenloser Authentizität. Einmal redet Corazzari als Frankensteins Monster roboterhaft minutenlang vor sich hin. Das ist künstlich, nicht natürlich. Ein anderes Mal kaufe ich Carmelo Bene seine zerknirschte Miene durchaus ab, wenn er mit Viva zu diskutieren versucht. Allein die Kulissen: NECROPOLIS wurde in hermetisch von der Außenwelt abgeriegelten Studioräumen gedreht. Nichts der Dekors mag dem Zufall geschuldet sein, noch jede Leinwand im Hintergrund, jede Sitzgarnitur bewusst ausgewählt worden sein. Daher überwiegt das Künstliche letztlich doch. Authentisch: beispielweise die eingespielte Aufnahme der aufpeitschenden Rede auf dem MC5-Live-Album KICK OUT THE JAMS! Artifiziell: jede Kulisse, jedes Kostüm, jeder Ton der düster-sphärigen Ambient-Klänge, die den Film sonst unterlegen. Eine Szene: Pierre Clémenti sitzt auf einem Pferd, nackt. Das kenne ich aus einem späteren Film, einem meiner liebsten: LA CICATRICE INTÉRIEURE von Philippe Garrel, fertiggestellt 1972. Ob Garrel seine Pferdeszene mit einem nackten Clémenti als Hommage an NECROPOLIS intendiert hat, kann ich nicht sagen, den Unterschied dennoch benennen: bei Brocani wird in einer verdunkelten Zirkusarena geritten, bei Garrel in atemberaubender, archaischer Landschaft. Ich werde die Welt da draußen, glaube ich, immer der Welt da drinnen vorziehen. Deswegen werde ich Garrel wohl immer mehr lieben als Brocani. Pierre Clémentis Penis sieht man außerdem nur in einem der beiden Filme.

Mein vierter Eindruck
: Franco Brocanis NECROPOLIS ist in gewisser Weise ein gescheitertes Projekt. Ich meine, hätte es nicht so sein können: zunächst wollte Brocani mit puren Ideen operieren, einen politischen, gesellschaftskritischen, subversiven Film drehen, der auf Fragen seiner Zeit vielleicht nicht antwortet, sie aber zumindest zu stellen mithilft. Dann ist ihm das Ganze irgendwie aus den Händen geglitten, disparater geworden, ambivalenter. Die wirkliche Welt dringt ein, zum Beispiel in der überaus dominanten Person Vivas, die eben über das schnattert, worüber sie schnattern will. Nur dringt die wirkliche Welt nur halb ein, nur in Form der Figuren. Alles andere bleibt künstlich. Müsste man NECROPOLIS einen Vorwurf machen, könnte der so lauten: er bleibt zwischen zwei Stühlen stehen, und auf jedem sitzt ein anderes künstlerisches Konzept, und schafft es nicht, beide Stühle so zusammenzurücken, dass ihre Sitzflächen ein homogenes Ganzes ergeben. Oder: das ist nicht verkopft genug für einen verkopften Film und nicht realitätsnah genug, um für ein mimetisches Abbild der Realität gehalten zu werden. Ein Schmaus für die Augen, nicht unbedingt ein Schmaus für Herz und Hirn. Aber ich mochte die King-Kong-Maske, die Stille, in die Tina Aumont sich gewickelt hat, und dass, wie ich erfuhr, Carmelo Bene bei den Dreharbeiten sturzbetrunken gewesen sein soll, was man ihm dann doch ansieht.
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