Originaltitel: ...E il terzo gode
Produktionsland: Italien 1981
Regie: Alberto Cavallone
Darsteller: Serwan A. Hoshvar, Dominique Saint Claire, Alessandro Eusebi, Franco Coltorti, Mika Barthel
Möglicherweise muss man die Schuld ihm selbst in die Schuhe schieben. Cavallones Kino ist ein kompromissloses, eigenwilliges, das sich ganz bewusst zwischen die altbekannten Stühle stellt. Obwohl Cavallone viel mit Godard eint – beispielweise die in seinen Filmen mehr oder minder zu findenden philosophischen oder kulturwissenschaftlichen Exkurse, bei denen historische Bezugspersonen wie Walter Benjamin, Georges Bataille oder Andy Warhol Pate stehen, seine selbstreflexive Haltung, bei der innerhalb des jeweiligen Films zumindest im Subtext permanent darüber nachgedacht wird, dass man gerade dabei ist, einen Film zu drehen, oder das überaus starke politische Bewusstsein, das die Werke beider Regisseure weitgehend bestimmt -, verscherzt er sich die Anerkennung eines intellektuellen Arthouse-Publikums wohl selbst dadurch, dass er seine Filme mit Ingredienzien würzt, die man eher aus dem transgressiven Kino, sprich: Sex- und Horrorfilmen, kennt. Schön kann das erneut anhand von BLUE MOVIE veranschaulicht werden. Für jemanden, der sich in den Film verirrt, da er glaubt, dort Sex und Gewalt in Reinform genießen zu können, kann das Ergebnis nur genauso unbefriedigend sein wie für jemanden, der darauf hofft, einen klugen Autorenfilm vorgesetzt zu bekommen, dessen Figuren in bedeutungsschwangeren Diskussionen stagnieren. Dabei ist BLUE MOVIE jedoch beides: sowohl ein ernstzunehmender, medienkritischer, wirklich tiefschürfender Filmessay als auch ein Schlag in die Magengrube, der vor keinem Bilderexzess zurückschreckt, um noch den hartgesottensten Zuschauer zu verstören. Dass Cavallone sich nie wirklich für einen Weg entschieden hat – nicht für den des vor allem für ein akademisches Publikum drehenden Politfilmers, nicht für den des offenherzig mit Tabubrüchen spielenden dezidierten Sexfilmers -, scheint mir die Ursache dafür zu sein, dass weder das eine noch das andere Klientel ihn jemals für sich hat vereinnahmen können.
Allerdings gibt es insgesamt drei Filme Cavallones, die dann doch ein breiteres Publikum erreicht haben – und dass es sich bei denen ausnahmslos um Hardcore-Pornos handelt, spricht nicht unbedingt für die Menschheit. Im Sommer 1981 hat Cavallone, nachdem er mit BLUE MOVIE im Grunde seinen eigenen kommerziellen und künstlerischen Selbstmord inszenierte und mit BLOW JOB einen Film vorlegte, der aussieht wie ein Loblied auf Eskapismus und Alltagsflucht in eine Welt voller Magie und Realitätsferne, innerhalb kürzester Zeit drei Werke hintereinander weggedreht, die einen deutlichen Bruch zu seiner bisherigen Filmographie darstellen. Noch in DAL NOSTRO INVIATO A COPENAGHEN finden sich Szenen, die sich ziemlich kritisch mit dem Geschäft mit dem Sex auseinandersetzen. In BLUE MOVIE und BLOW JOB findet Hardcore-Sex zwar statt, jedoch alles andere als stimulierend, und vor allem BLUE MOVIE muss unter dem Gesichtspunkt wohl eher als Anti-Porno verstanden werden, der die Genre-Mechanismen nutzt, um sie gegen sich selbst zu wenden. Was Cavallone nun wirklich veranlasst haben mag, sich für drei reinrassige Porno-Produktionen herzugeben, wird wohl nie endgültig geklärt werden können, zumindest zwei der besagten Filme, nämlich IL NANO EROTICO und PAT UNA DONNA PARTICOLARE legen allerdings den Verdacht nahe, dass er seine Berufung als Porno-Regisseur nicht allzu ernstgemeint haben kann.
Beide Filme müssen wohl zu den schrägsten italienischen Pornos überhaupt gezählt werden. IL NANO EROTICO, der unter anderem einen Liliputaner zeigt, der eine Frau vergewaltigt, indem er sich einen Dildo um die Stirn schnallt und sie mit diesem penetriert, und PAT UNA DONNA PARTICOLARE, ein aberwitziger Meta-Porno, in dessen Zentrum der gleiche Liliputaner, ein Transvestit und ein stattlicher Schnauzbartträger damit beschäftigt sind, wehrlose Frauen für ihre Snuff-Film-Produktion zu verschleppen, sind derart außerhalb jeglicher Norm und Konvention angesiedelt, dass man beinahe argumentieren könnte, Cavallone führe die bereits in BLUE MOVIE erprobte Strategie der Subversion durch Affirmation bis ins allerletzte Extrem fort. Dass beide Filme kein Stück erotisch daherkommen, sondern sich in einer Mischung aus ekelerregenden und einfach unfassbaren Szenen einpendeln, verstärkt den Eindruck, in Wirklichkeit sei Cavallone an allem gelegen gewesen, nur nicht daran, irgendeinen Konsument um sein Sperma zu erleichtern.
…E IL TERZO GODO ist der dritte Film in der Reihe, ebenfalls 1981 gedreht, teilweise mit den gleichen Schauspielern, mit dem gleichen Team und erneut unter dem Pseudonym Baron Corvo, mit dem Cavallone auf einen berühmt-berüchtigten exzentrischen englischen Schriftsteller, Künstler und Photographen des frühen 20. Jahrhunderts anspielt, der in Wirklichkeit Frederick Rolfe heißt. …E IL TERZO GODO scheint ebenfalls ein Budget im Rücken gehabt haben, bei dem andere Regisseure sich nicht mal die Mühe gemacht hätten, aus dem Bett zu steigen, und besitzt daher allein rein ästhetisch schon diesen spröden, ungeschliffenen Charme, der nahezu allen Filmen Cavallones eigen ist, mit Ausnahme vielleicht des vergleichsweise farbenfroheren L’UOMO, LA DONNA E LA BESTIA. Ansonsten lässt der Film indes all das vermissen, was man normalerweise mit dem Namen Alberto Cavallone verbindet. Nicht mal mit IL NANO EROTICO und PAT UNA DONNA PARTICOLARE bietet sich ein Vergleich an, da …E IL TERZO GODO eine selbst nur ansatzweise selbstreflexiv-subversive Ebene vollkommen abgeht. Stattdessen hat man es bei dem Machwerk mit einem handelsüblichen Fickfilmchen der frühen 80er zu tun, wie man sie im Dutzend billiger bekommen kann.
Die – hust – Story von …E IL TERZO GODO ist mit Sicherheit eine der einfallslosesten, die Cavallone jemals zu Papier gebracht hat. Im Nachtclubmilieu einer nicht näher spezifizierten Großstadt tobt das Geschäft mit schnellem Sex und Drogen. Einen gewissen Sandro beschleicht die Idee, dort mitmischen zu müssen. Hierfür überredet er seine Freundin Dominique, bei Serwan, dem Besitzer eines Nachtclubs, vorstellig zu werden, der fortwährend auf der Suche nach Frischfleisch für seine Liveshows und sein Privatharem ist. Während Dominique vorgibt, zur Prostituierten ausgebildet werden zu wollen und in Wirklichkeit nur darauf wartet, einen geheimnisvollen Koffer in ihren Besitz zu bringen, in dem Sandro Unmengen von Rauschgift weiß, heckt dieser schon die nächste Bosheit aus: sobald Dominique ihm das Köfferchen ausgehändigt haben wird, will er sich ihrer entledigen, um allein in das ihm bevorstehende Luxusleben aufzubrechen. Ich untertreibe nicht, wenn ich versichere, dass das Drehbuch es bei diesen Versatzstücken bewenden lässt und ansonsten mit Abwesenheit glänzt, sprich: schätzungsweise siebzig bis achtzig Prozent bringt …E IL TERZO GODO damit zu, eine belanglose Sexszene an die nächste zu heften, wobei die dargestellten Praktiken über Vaginal- und Analverkehr nicht hinauskommen und zudem auf eine Weise heruntergekurbelt sind, bei der ich mir nur schwer vorstellen kann, dass die irgendwer sexuell stimulierend finden wird.
Gerade mal drei Szenen sind mir im Gedächtnis geblieben, weil sie wenigstens ein bisschen auf Cavallones Vergangenheit verweisen. Da wäre zunächst die Eröffnungssexszene im Nachtclub, wo offenbar vor zahlender Kundschaft mehrere Frauen und Männer auf einer kleinen Bühne damit beschäftigt sind, ihre Geschlechtsteile in Aktion zu präsentieren. Barbusige Damen stehen um diese Bühne herum und beleuchten die Akteure mit Scheinwerfern, deren Kegel immer mal wieder von einem verkeilten Pärchen zum nächsten wandern – eine Idee, die man so ähnlich, nur tausendmal schmerzhafter, bereits in BLUE MOVIE gesehen hat. Zum Schluss hin, wenn die bis dahin träge vor sich hinplätschernde Kriminalgeschichte endlich einmal ins Rollen kommt, trumpft Cavallone noch mit zwei Gewaltspitzen auf, die ich zu diesem Zeitpunkt in diesem Film nicht mehr erwartet hätte. Dominique wird von Serwan und seiner Bande gefoltert, wobei brennende Zigaretten und ein kochend heißes Bügeleisen Hauptrollen spielen, und Sandro entledigt man sich in nahezu beiläufiger Weise mittels Kopfschuss. Das Ende, das dann tatsächlich mit einer Überraschung aufwartet, werde ich zwar, da es wohl das einzig Interessante an …E IL TERZO GODE ist, an dieser Stelle nicht verraten, kann jedoch immerhin so viel darüber verlauten lassen, dass es schwierig sein wird, es an Zynismus noch großartig zu überbieten. In den letzten fünf Minuten, könnte man sagen, habe ich auf einmal doch die Handschrift Cavallones erkannt, was indes freilich nichts daran ändert, dass ich bis dahin knapp siebzig Minuten lang das Gekrakel eines drittklassigen Porno-Regisseurs zu entziffern versuchen musste. Immerhin nervt der stellenweise stimmige Soundtrack einen nicht allzu sehr und hat sogar ein paar schmissige Melodien parat, von denen es fast schade ist, dass sie ausgerechnet in diesem groben Unfug haben verwertet werden müssen.
Noch ein paar Worte zu der von mir gesichteten Fassung. Bei der handelt es sich um eine deutsche VHS-Veröffentlichung aus den 80ern, die den Film unter dem Titel SCHREIE DER LUST anpreist. Stark gehe ich davon aus, dass in der mit den üblichen Porno-Bildchen geschmückten Hülle eine gekürzte Fassung steckt – oder sollte Cavallone den einen oder anderen Schnitt wirklich derart holprig gesetzt haben? Was die Synchronisation angeht, so bräuchte es nicht nur einen, sondern mehrere Mäntel des Schweigens, um sie über ihr auszubreiten, damit sie ihren Mund hält. Stammelnd und stotternd torkeln uninspirierte Sprecher derart ohne Esprit durch den gesamten Film, dass es einem bald schon wie Absicht vorkommt, wenn die Lippenbewegungen der Darsteller und die der Synchronisateure wie einem ungeschriebenen Gesetz folgend so gut wie niemals übereinstimmen. Zudem scheint der Vorspann aus einem anderen Film entlehnt worden zu sein, es wird nämlich kaum einer der tatsächlichen Darsteller dort erwähnt und als Regisseur ein gewisser Felipesten angegeben.
Wie dem auch sei, viel schlechter kann selbst eine deutsche Porno-Verleihfirma …E IL TERZO GODE nicht mehr machen, und es stimmt schon traurig, sich zu vergegenwärtigen, dass diese langweilige Wichsvorlage um ein Vielfaches mehr Menschen gesehen haben dürften als wirklich wichtige Cavallone-Werke wie LE SALAMANDRE oder QUICKLY – SPARI E BACI A COLAZIONE. Es bleibt dabei: seit Bianchis GIOCHI CARNALE habe ich kein ermüdenderes Gerammel mehr gesehen – und das will etwas heißen.