Gibt es etwa noch keinen Thread über diesen Sleaze-Klassiker? Das geht ja wohl gar nicht...
Ich hoffe ja immer noch, dass sich mal eine Kinorolle nach Gelsenkirchen-Buer verirrt und/oder Camera Obscura die Rechte kauft. Es lohnt sich...
Aber ich lasse aus Faulheitsgründen lieber den Filmgelehrten M.A. sprechen, dessen Meinung ich auch mal wieder teile.
Seefahrten waren mir schon immer gründlich suspekt. Welcher in seinen Grundzügen gefestigte Mensch begeht denn schon das Wagnis, sich auf schwankende Planken zu begeben, mit der dräuenden Aussicht eines nassen Grabes im Genick? Und Jachten sind ja überhaupt das Hintervorletzte: Reiche Schnösel, die sich mit sektbewehrten Gleichgesinnten auf Schippertörns begeben, um dort Geschäfte zu besprechen und einander mit des anderen Ehepartner zu betrügen. So ist das jedenfalls immer im Film...
TOP SENSATION (SKLAVIN IHRER TRIEBE, 1969) macht da keine Ausnahme: Die Gestalten, die sich auf dem Achterdeck tummeln (hat eine Jacht eigentlich ein Achterdeck?), gehören sämtlich der Spezies "Nutzlose Sektschwenker der oberen Deinhardt-Klasse" an. Man möchte ein Flugzeug einer ausländischen Chartergesellschaft auf sie herabregnen lassen wie den Schwefel des Jüngsten Tages.
Wenn man dann aber sieht, daß Rosalba Neri und Edwige Fenech zu den Gästen gehören, dann möchte man den Schwefel ruhig etwas hintanstellen, etwa für 80 Minuten. Refft die Segel, stellt den Klüverbaum auf Achtern und dann ab nach Lee, bis der Schotmast bricht!
Paola (Rosalba) gibt auch gleich Vollgas und schmeißt mit Dynamitpatronen. "Das geht in die Lenden, was?" begeistert sich ihr Freund Aldo (Maurizio Bonuglia), ein schleimiger Blondpopper. "Warum haben wir keinen Hai getroffen?" fragt Paola ganz geknickt. Diese kleine Exposition gibt uns knapp und präzise zu verstehen, daß dies Menschen sind, die ihre Menschlichkeit über Bord haben gehen lassen. Leiterin dieser Expedition für gestrandetes Menschentum ist Mudy (Nudy? Mutti?), eine eher herbe Dichterin mit menschenverachtenden Ansichten, die als Domina einen guten Erfolg zu verzeichnen haben müßte. Sie führt ein strenges Diktat über ihre Gäste: Aldo ist ihr Stecher vom Dienst, Paola ihre willfährige Gespielin. Als Ballast hat Aldo auch noch seine Freundin Ulla (Edwige) mitgenommen (Mudy: "Die ist nicht sexy, sondern schwachsinnig!"), die die undankbare Aufgabe hat, den geistig leicht zurückgebliebenen Mudy-Sohn Tony in die Freuden der Liebe einzuweihen. Tony ist zwar ziemlich debil, ekelt sich vor der degenerierten Gesellschaft aber zutiefst.
Anders sieht der Fall aus, als die Jollenschiffer auf ein zartes Eiland stoßen, das zwei rurale Originale birgt: den Hirten Andros (den eine Frau später als "den personifizierten Hoden" bezeichnet) und seine kindliche Frau Beba. Besagte Beba ist nicht nur schön, sondern auch schlicht im Geiste. Dieser Umstand wirkt anziehend auf Tony, der deutlich Interesse bekundet. Da für Aldo und Paola eine Erdölkonzession auf dem bösen Spiel steht, machen sie Nägel mit Köpfen: Beba wird aufs Schiff gelotst und abgefüllt, soll zur Sklavin ihrer Triebe gemacht werden. Leider kommt da der tumbe Andros des Weges, der sich aber ebenfalls abfüllen läßt und im betrunkenen Zustand die meisten Frauen durchbumst. Leider weiß Tony mit der holden Beba nichts Besseres anzufangen, als sie zu erdrosseln. Da dies immer noch strafbar ist, stehen die Caprifischer vor dem Problem, Leiche Beba und Schnapsleiche Andros loszuwerden...
Der schon etwas betagte Film (herausgekommen auf dem Label "Heeres Video") gibt eine Menge her: Absurdes Melodrama und draller Sex machen klar Schiff mit den gelegentlichen Prätentionen der Bildführung. Wer dekadente Beat-Bienen und -Bieneriche liebt, sollte nach dem Film Ausschau halten. Die Synchro ist toll. Meine Lieblinge sind: "Mensch, bi zu sein ist eine Gnade!"; "Am frühen Morgen schon verkehrt rum?"; "Liquidiere das Aas!"; und "Das Weib soll sich beschlafen lassen!" Interessant ist, daß der deutsche Verleih offenbar eigene Szenen reingeschmuggelt hat, die eine lustige Polizeigeschichte mit vielen Koteletten erzählen. Bulle Giuseppe wird wiederholt von seinem Boß aus den Federn geholt, in denen er sich mit ständig wechselnden Sexualpartnern wälzt. Und wie der Typ die Frauen behandelt - alles! Leider ist da wohl einiges Urmaterial rausgeflogen, aber jo mei. Schade ist es um eine Szene, in der sich die junge Fenech von einer Ziege die Brüste ablecken läßt! Deutlich geschnitten in der deutschen Fassung, wo Ziegenzungen unter den Hammer des Gesetzes fallen. Regisseur Ottavio Alessi, der das nasse Vergnügen mit Spuren von Loseyeskem Psycho-Kammerspiel-Dampf versieht, wie er in den 60ern beliebt war, hat nur noch einen weiteren Film gemacht, eine "Baby Jane"-Parodie mit Italiens Star-Komiker Totò in der Hauptrolle (einer seiner letzten Filme). Als Drehbuchautor trug Alessi u. a. zum Gelingen von Liberatores NERO VENEZIANO und Festa Campaniles ADULTERIO ALL'ITALIANA bei. Mudy-Darstellerin Maud de Belleroche war übrigens in den 60ern bekannt für einige skandalöse Memoiren, von denen ich neulich eine in einem Antiquariat abgegriffen habe: "Amazone der Lust". Ich würde nach Betrachten des Filmes nicht unbedingt auf diesen Titel kommen. Aber auch "Sklavin der Liebe" rutschte ja etwas am G-Punkt vorbei. Die hübsche Musik zu SKLAVIN ist jedenfalls auf Vinyl erschienen. Volle Kurs auf die Biskaya, ihr Seebären! Ob Luv oder Lee, wir haben die Pest an Bord, oh-heee...
Der Schluß ist eine Bombe, wird aber nicht verraten. Seemann, deine Heimat ist das Meer!