Nazi Love Camp 27 - Mario Caiano (1977)

Alles aus Italien, was nicht in die anderen Themenbereiche gehört.

Moderator: jogiwan

Antworten
Benutzeravatar
sid.vicious
Beiträge: 2368
Registriert: Sa 26. Jun 2010, 11:16
Wohnort: Bochum

Nazi Love Camp 27 - Mario Caiano (1977)

Beitrag von sid.vicious »

Originaltitel: La svastica nel ventre
Regisseur: Mario Caiano
Kamera: Sergio Martinelli
Musik: Francesco De Masi
Drehbuch: Gianfranco Clerici, Sandro Amati, Mario Caiano
10641_Nazi_Love_Camp_27_Plakat_2.jpg
10641_Nazi_Love_Camp_27_Plakat_2.jpg (37.53 KiB) 720 mal betrachtet
Nazi-Deutschland, irgendwann zwischen 1941 und 1945: Hannah Meyer und Klaus Berger sind frisch verliebt, doch mit den nationalsozialistischen Massendeportationen findet ihre Beziehung ein abruptes Ende. Hannah wird von der Gestapo in das Konzentrationslager gebracht und dort zur Prostitution gezwungen. Klaus tritt der Waffen-SS bei. Ferner wird er in das Projekt Lebensborn, welches dem Erhalt und der Vermehrung der arischen Rasse dienen soll, involviert. Doch die Wege des einstigen Liebespaars sollen sich schon bald wieder kreuzen.

„Jeder und jedem wurde die Haftnummer eintätowiert – eine Kennzeichnung für den reichsweiten Arbeitssklavenmarkt, die es nur in Auschwitz gab.“ (Susanne Willems)

Hannah Meyers Leben ist zerstört, denn die „nationalsozialistische Endlösung“ hat sie ins Konzentrationslager geführt. Dort muss sie die üblichen Ankunftserniedrigungen über sich ergehen lassen und erhält abschließend eine Tätowierung mit ihrer Registrierungsnummer, was aufgrund des obigen Zitats zu der berechtigten Annahme führt, dass wir uns im KZ Auschwitz I befinden. Doch wenn wir anstatt den eisernen Torlettern ARBEIT MACHT FREI ein weißes Schild mit der (ebenso) verspottenden Aufschrift ARBEIT GESTALTUNG wahrnehmen - spätestens dann sollte uns bewusst sein, dass Mario Caiano keine historisch-kritische Rekonstruktion geschichtlicher Wahrheiten betreibt. Wie alle italienischen Nazilagerfilme, der Jahre 1976 und 1977, folgt auch „Nazi Love Camp 27“ einzig dem exploitativen Grundgedanken: Diverse Abartigkeiten möglichst reißerisch zu transportieren. Diesbezüglich sticht die erste Filmhälfte (Schauplatz: Konzentrationslager) besonders hervor, da diese mit fortlaufenden Erniedrigungen und Perversitäten konfrontiert. Die dabei agierenden Pro- und Antagonisten setzen sich aus den genreüblichen Charakteren zusammen:

- Die lesbische Oberaufseherin,
- der Lagerarzt (diesmal weiblich),
- der ominöse Lagerkommandeur,
- sadistisch veranlagte Kapos,
- notgeiles Wachpersonal,
- passive Opfer,
- das revoltierende Opfer.

Stereotypen, die schnell für klare Verhältnisse sorgen, denn Schikanen und Misshandlungen sind an der Tagesordnung. So müssen Hannah Meyer und eine Mitinsassin eine Massenvergewaltigung über sich ergehen lassen. Als finale Abscheulichkeit uriniert einer der Soldaten auf eines der Opfer, welches anschließend den erlösenden „Freitod“ im Stacheldraht findet. Diese Filmphase gestaltet sich sehr anstrengend, da man dem Treiben eher widerwillig folgt und ein schnelles Ende herbeisehnt. Demnach gelingt es dem Regisseur sehr früh ein Ekelgefühl beim Rezipienten auszulösen, welches sich jedoch mit wachsender Spielzeit in Hass, und später gar in eine gewisse Faszination wandelt.

DIE LETZTE ORGIE DES NACHTPORTIERS

Nach der Vergewaltigung landet Hannah bei der Lagerärztin, die der jungen Frau natürlich keinen Glauben schenkt, sie mit Aussagen im Stile des NS-Mediziners Friedrich Mennecke („… jüdische Vollblutdirne“) demütigt und für den Dienst im KZ-Bordell (für deutsche Wehrmachtssoldaten) besonders geeignet findet. Die nun folgenden Erfahrungen brechen die Frau allerdings nicht, sie wird stärker und wagt sich gegen die Anordnungen der Oberaufseherin zu widersetzten. Dieses rebellische Verhalten imponiert wiederum dem Lagerkommandanten, Kurt von Stein, der Hannah fortan in seinem Haus wohnen lässt. Er ahnt (hofft), dass die Frau durch ihre traumatischen Erlebnisse einen Hang zum Sadismus entwickelt hat und will ihr dieses bewusst machen, denn Kurt von Stein ist masochistisch veranlagt und wittert die Chance auf eine sadomasochistische Beziehung.

Im Gegensatz zu Liliana Cavanis „Der Nachtportier“, wo Max und Lucia voneinander abhängig sind, verzichtet Mario Caiano auf das Vermitteln von „Zuneigungen“ außerhalb der sadomasochistischen Sexspiele. Erst im späteren Verlauf des Films erkennt man, dass von Stein eine Art Eifersucht entwickelt. Kleinmütig blickt er Hannah (die mittlerweile als oberste Dame im Bordell für ranghohe Nazioffiziere wirkt) nach, wie sie - wenn auch widerwillig - mit einem Lustgreis in Richtung „Liebeskammer“ verschwindet. Die sadomasochistische Beziehung zwischen Hannah und von Stein sollte man also primär als eine Zweckgemeinschaft begreifen, da Hannah von Hass und Rachegelüsten geleitet ist und - wenn überhaupt - weniger einer sexuellen Neigung folgt. Zudem fungiert diese Verbindung als ein Bindeglied zwischen den Schauplätzen Konzentrationslager und Edelbordell.

Hannah fühlt sich in ihrer Rolle, als Freundin des Lagerkommandanten, immer wohler. Es erfüllt sie mit Erleichterung, dass sie durch gefälschte Papiere zu einer Arierin wurde. Sie liebt das Leben im Luxus, sowie die Zugehörigkeit zur „besseren“ Gesellschaft“. In ihrem neuen Leben steht Hannah im Mittelpunkt, die Offiziere lieben und schätzen sie - allerdings nur als Edelnutte. Somit kann das anstehende Wiedersehen mit Hannahs großer Liebe, Klaus Berger, nur als ein Drama mit tödlichem Ausgang enden.

„Das finale Massaker, das die meisten dieser Filme beschließt ist ein fast schamhafter Versuch der Filmemacher ihr eigenes Werk rückwirkend auszulöschen.“ (Marcus Stiglegger)

Unglückliche Liebesgeschichten sind in der Naziploitation kein Novum. Man denke an John Steiner, als Kommandant (Erner) in Rino Di Silvestros „Deported Women of the SS Special Section”. Eine abgewiesene Liebe wird zu einer traumatischen Erfahrung, der Betroffene entwickelt feminine Züge und neigt zu homosexuellen Sexualpraktiken. Trifft er seine Angebetete unter den Gefangenen wieder, so kann selbst seine Machtposition nichts an der Aussichtslosigkeit auf eine Gefühlserwiderung ändern. Erner bewegt sich in einer Schleife des Seelenschmerzes, und der Einzige, der ihm seine Qualen nehmen kann: ist der Tod.

AUSBEUTERISCHE GESCHICHTSVERDREHUNG

„Jüdische Frauen selektierte die SS nicht, denn männliche Häftlinge jüdischer Herkunft durften das Bordell nicht besuchen.“ (Robert Sommer)

Wie bereits zu Anfang erwähnt, tischt uns Mario Caiano einige Kuriosa auf, die mit der Realität herzlich wenig zu tun haben. Besonders signifikant ist „sein“ KZ-Bordell. Die SS richtete zwar in den Konzentrationslagern Mauthausen, Gusen, Flossenbürg, Auschwitz-Stammlager, Buchenwald, Auschwitz-Monowitz, Dachau, Neuengamme, Sachsenhausen und Mittelbau-Dora Lagerbordelle für Häftlinge ein, doch achtete man streng auf die Nationalsozialistische Rassenideologie. Demnach wäre ein, von der Lagerleitung abgesegneter Geschlechtsakt zwischen einer jüdischen Gefangenen und einem Mitglied der deutschen Wehrmacht (wie es Caiano darstellt) undenkbar. Wer sich für dieses schwarze Kapitel der deutschen Historie interessiert und sein Wissen bereichern will, dem empfehle ich das Buch „Das KZ-Bordell - sexuelle Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern“, in dem sich Robert Sommer intensiv mit dieser Thematik auseinandersetzt.

Innerhalb der Schauspielerliste stechen die sympathische Sirpa Lane (Hannah Meyer) und Giancarlo Sisti (Kurt von Stein) besonders hervor. Die restlichen Darsteller/innen agieren auf einem Level, wie man es von fiesen Kapos, hässlichen Fascholustgreisen und notgeilen SS-Männern erwartet, denn sie alle sind (u. a. angesichts ihrer deutlichen Überzeichnungen) wichtige Ingredienzien im Komplex der exploitativen Nazilager- und Nazibordell-Filme.

Fazit: „Nazi Love Camp 27“ hat im Œuvre der Naziploiter keinen hohen Stellenwert. Sehr schade, denn der Streifen bietet so ziemlich alle Bestandteile, die sich über die Jahre im marginalisierten „SadicoNazista-Distrikt“ ansammelten. So trifft die geschundene Heldin im „Höllencamp der SS“ ihren „Nachtportier“, freut sich auf das „private Haus der SS-Nutten“ und steuert gezielt in die Richtung finales Gemetzel.

Abschließend sei gesagt, dass empfindliche Zuschauer mit diesem politisch inkorrekten und durchweg schmuddeligen Schweinkram einige Probleme bekommen könnten.
Bild
Benutzeravatar
sid.vicious
Beiträge: 2368
Registriert: Sa 26. Jun 2010, 11:16
Wohnort: Bochum

Re: Nazi Love Camp 27 - Mario Caiano (1977)

Beitrag von sid.vicious »

Habe jetzt erst - wahrscheinlich vorher mit Blindheit gestraft, da es ja eigentlich überdeutlich ist - gesehen, dass das Produktionsjahr noch in die Headline gehört. :oops: In Zukunft achte ich darauf.
Bild
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 40648
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Nazi Love Camp 27 - Mario Caiano (1977)

Beitrag von buxtebrawler »

sid.vicious hat geschrieben: Fr 5. Feb 2021, 10:21 Habe jetzt erst - wahrscheinlich vorher mit Blindheit gestraft, da es ja eigentlich überdeutlich ist - gesehen, dass das Produktionsjahr noch in die Headline gehört. :oops: In Zukunft achte ich darauf.
Dass einem Sid Vicious das ausgerechnet bei '77 auffällt, war ja klar :lol:
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
Maulwurf
Beiträge: 3298
Registriert: Mo 12. Okt 2020, 18:11
Wohnort: Im finsteren Tal

Re: Nazi Love Camp 27 - Mario Caiano (1977)

Beitrag von Maulwurf »

Nazi Love Camp 27
La svastica nel ventre
Italien 1977
Regie: Mario Caiano
Sirpa Lane, Giancarlo Sisti, Christiana Borghi, Piero Lulli, Roberto Posse, Gianfilippo Carcano, Marzia Ubaldi, Renata Moar, Isabella Russo, Sarah Crespi, Margherita Horowitz, Gaetano Russo


Nazi Love Camp 27.jpg
Nazi Love Camp 27.jpg (121.08 KiB) 452 mal betrachtet
OFDB
Italo-Cinema (Frank Faltin)

Wenn man mal den ganzen Quatsch mit den nackten Frauen, den Demütigungen und den Folterungen weglässt, dann kann man überrascht feststellen, dass NAZI LOVE CAMP 27 im Kern ein reinrassiges Drama über eine unglückliche Liebe und deren Konsequenzen ist. 1939 ist die Jüdin Hannah Meyer mit dem deutschen Offizier Klaus Berger liiert, und die Liebe ist auf beiden Seiten groß. Aber der Krieg kommt und Berger muss ins Feld, wohingegen Hannah den Tod ihrer Eltern mitansehen muss und in ein Lager gebracht wird. Ein Liebeslager, wo Jüdinnen als Huren deutscher Frontsoldaten die Beine breitzumachen haben, damit die Landser sich entspannen können. Wer dreimal negativ auffällt wird brutal getötet, und ansonsten gilt es zu lächeln, denn „das Lächeln ist das Wichtigste was eine Prostituierte zu tun hat“, so wird es Hannah erklärt. Hannah steht mit einem Bein bereits im Grab, da sieht der Lagerkommandant Kurt von Stein sie und rettet sie vor dem sicheren Tod. Von Stein nimmt sie mit in sein Haus, und macht sie bekannt mit seinem Schäferhund Axel, der auch gleich den Einstellungstest durchführt: Sie reagiert richtig und drischt mit einer Peitsche auf den Hund ein – Gut gemacht Hannah, von Stein möchte das bei sich selbst nämlich genauso haben. Folgerichtig wird Hannah nun zu von Steins Mätresse „befördert“. Ab sofort heißt sie Lola, hat neue, arische Papiere, wird das Bett mit von Stein teilen und sein Luxusbordell für SS-Offiziere leiten. Dort kommt eines Abends auch Klaus Berger hin, und Hannah erkennt, was ihr Leben darstellt und wo es hinführen wird. Zeit zum Aufräumen …

Bild Bild

Wie gesagt, prinzipiell ein reinrassiges Drama, dass durch zeitgenössische Einspielungen von kämpfenden oder marschierenden Wehrmachtssoldaten auch eine oft bittere Färbung erhält. Mit fortlaufendem Film, und damit auch voranschreitendem Krieg, werden zunehmend tote Soldaten und brennende Städte gezeigt, und als Kontrast ist die dargestellte Dekadenz der Offiziere geradezu gänsehauterzeugend. Die gängige Naziploitation, die mit nackten und geschändeten Frauen prahlt und Gewalttaten und Demütigungen am laufenden Band zeigt ist NAZI LOVE CAMP 27 jedenfalls nicht, oder zumindest nur in der ersten Hälfte, auch wenn die allermeisten Frauen im Film sich nur deswegen anziehen, damit sie sich sofort wieder ausziehen können. Es gibt zu Beispiel noch einen Erzählstrang rund um den Lebensborn, das arische Geburtskontrollprojekt der Nazis, und da wird allen Ernstes rhythmische Leibesertüchtigung mit nackten Frauen gezeigt, genauso wie forcierter Sex zum Zwecke der Zeugung arischen Nachwuchses. Ficken für das Vaterland! Und obwohl jede Menge selbstzweckhafter Nacktheit und viel Vögelei dargestellt wird, so sind die Bilder doch weder sexy noch haben sie irgendeinen Nährwert für die Handlung. Stattdessen ist das alles in erster Linie furchtbar traurig anzusehen, zu was Menschen getrieben werden können, wenn man nur die richtige Tonlage findet. Und sei es in Form von Terror und Druck.

Gleichzeitig werden (in der besagten ersten Hälfte) sehr wohl hässliche Demütigungen gezeigt, und zwar mehr als der Gesamteindruck am Ende im Gedächtnis lässt. Die Vergewaltigungen der frisch initiierten Huren im Lager sind bitter anzusehen, und der Zuschauer leidet mit den Mädchen mit, vor allem wenn die erste Schicht Soldaten durch ist, und ihr die zweite Schicht fast auf den Fuß folgt. Am Abend holt sich die lesbische Aufseherin dann noch Hannah aufs Zimmer, um sie bei dröhnender Marschmusik zu befummeln, was dann in Folge zu einer sehr unschönen Szene führt, bei der eine ungehorsame Jüdin zu Tode geprügelt wird. Eine Massenvergewaltigung mit abschließendem Gemeinschaftsurinieren auf eines der unglücklichen Mädchen gibt es auch noch, und das Mädchen sucht dann postwendend den Freitod im stromführenden Stacheldraht und in Großaufnahme.

Dieser detailierten Vorstellung zum Trotz sind diese Demütigungen wie erwähnt nicht der Löwenanteil, und insgesamt ist dieser Film vor allem eines: Nicht schön. Nicht schön, nicht sexy, und auch nicht visuell überzeugend. Was stattdessen überzeugt ist dieser deprimierende und tragische Grundton. Angefangen vom Tod der Eltern bis zum grotesken Absingen des Deutschlandliedes am Ende pendeln die Empfindungen des Zuschauer zwischen Kopfschütteln und Abscheu, zwischen Spannertum und Scham, und die ganz kurz eingestreuten HC-Inserts verstärken diese Empfindungen noch zusätzlich. Der Höhepunkt ist dann diese zum Dahinschmelzen schöne Musik von Francesco Di Masi, die genau die richtigen Emotionen trifft und diese dann ins Zigfache überhöht, die oft kitschig ist bis zum Erbrechen, aber das Sentiment damit genau auf den Punkt bringt. NAZI LOVE CAMP 27 ist grotesk und bitter, er macht keinen Spaß und er schmerzt, aber interessant anzuschauen ist er allemal. Wobei interessant auf eine sehr deprimierende Art gemeint ist …

Bild Bild

6/10
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Antworten