Respected Comrade Kim Jong Il Is a Great Thinker and Theoretician (2000)

Moderator: jogiwan

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Salvatore Baccaro
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Respected Comrade Kim Jong Il Is a Great Thinker and Theoretician (2000)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: Kyongae hanun Kim Chong-il Tongji nun widaehan sasang iron'ga isida

Produktionsland: Nordkorea 2000


Abt. Salvatores kleine Nordkorea-Reise

…und noch eine Dokumentation über Nordkorea, diesmal aber nicht realisiert von einem westlichen Filmteam wie IM STRAHL DER SONNE und MY BROTHERS AND SISTERS FROM THE NORTH oder von dem eines sozialistischen Bruderlandes wie DEFILADA. Stattdessen ist, wie auch schon der in seiner Ironiebefreitheit schlicht unglaubliche Titel RESPECTED COMRADE KIM JONG-IL IS A GREAT THINKER AND THEORETICIAN nahelegt, vorliegendes Machwerk eine ausschließlich nordkoreanische Produktion, entstanden im Jahre 2000 zum Lobpreis des damaligen Staatschefs Kim Jong-il, Vater Kim Jong-uns und Sohn des Volksrepublikgründers Kim Il-sung, und für den internationalen Markt mit einem englischen Off-Kommentar versehen. Spoiler ahead: Nach Sichtung dieser einstündigen Propaganda-Tour dürften bei niemandem mehr Zweifel bestehen, dass es sich bei Kim Jong-il um einen begnadeten Denker und Theoretiker handelt.

Der Film eröffnet mit atemberaubenden Panoramaaufnahmen eines nordkoreanischen Bergmassivs aus Vogelperspektive – wahrscheinlich, weil nichts und niemand sich mit der Größe Kim Jong-ils messen kann, außer eben erhabene Gebirgsformationen. Dies unterstreicht auch die nachfolgende Texttafel, in der Worte des inzwischen verstorbenen Kim Il-sung zitiert werden, der über seinen Nachfolger (und, wohlgemerkt, eigenen Sohn!) Folgendes zu berichten weiß: „Comrade Kim Jong-il is an outstanding philosopher, statesman and leader with versatile talents and capabilities. He is not only the greatest ideological and theoretical genius of the present time but the greatest man the human history has ever produced, the greatest man who is versed in all fields.” Diese salbungsvollen Sätze, (bei denen es wenigstens mir schwerfällt, nicht in ein wahlweise irritiertes, ungläubiges, beschämtes Lachen auszubrechen), rollen vor einem gemalten Himmel voller sonnenuntergangsrotgefärbten Wolken ab, auf dem eine gigantische Säule aufragt, die wiederum in einer stilisierten Flamme mündet – Symbol für die sogenannte Juche-Ideologie, die bereits Kim Il-sung als staatstragendes Element in die nordkoreanische Verfassung aufgenommen hat, wo sie einerseits tradierte religiöse Glaubensvorstellungen ersetzt und andererseits solche für den westlichen Blick absurd wirkenden Eigentümlichkeiten wie die hartnäckige Autarkie Nordkoreas und den frenetischen Personenkult um die Kim-Dynastie legitimiert, (von der natürlich auch vorliegender Streifen beredtes Zeugnis ablegt.)

Die hymnischen Chöre, die bei dieser Eröffnungsszene zu hören sind, werden uns auch noch im Verlauf der weiteren knapp sechzig Minuten ebenso unaufhörlich begleiten – neben frohlockenden Orchestern, Faschings-Blaskapellen und sentimentalen Saxophonen, die auch auf einer Heizdeckenverkaufs-Kreuzfahrt nicht deplatziert wären – wie die völlig unreflektierte, unkritische, unerträgliche Beweihräucherung Kim Jong-ils – im Grunde nämlich stellt RESPECT COMRADE KIM JONG-IL eine einzige unermüdliche, atemlos und dennoch schrecklich monotone Beweisführung für die These dar, Kim Jong-il sei der bewundernswürdigste Mensch, der jemals über Gottes Erde gewandelt sei: Wir besuchen ein Museum, das ausnahmslos all den theoretischen und literarischen Schriften gewidmet ist, die Kim Jong-il angeblich fließbandartig in seiner Freizeit abfasst, (und in das mich bereits DEFILADA entführt hat); wir erfahren, in welchem Maße Kim Jong-il die nordkoreanische Filmproduktion nach vorne gebracht hat, erleben ihn, wie er bei irgendeinem namenlos bleibenden Historienkriegsspektakel dem eigentlichen Regisseur über die Schulter linst und Tipps gibt, oder besser: Ungefragt in die Dreharbeiten hineinpfuscht und sämtliche Personen am Set durch seine pure Präsenz verrücktmacht; wir hören von Kim Jong-ils brillanter Idee, ein dezidiertes nordkoreanisches Propagandaorgan in unterschiedlichen Sprachen zu publizieren und in die gesamte Welt zu exportieren, damit alle Söhne und Töchter alle Herren und Frauen Länder in den Genuss gelangen, die weisen Worten der höchsten Inkarnation menschlichen Denkens lesen zu dürfen. Zwischendurch immer wieder: Bilder von ekstatisch jubelnden Marinesoldaten, Fabrikarbeitern, Reisbäuerinnen – glaubt mir, gegen die Begeisterungsstürme, die allein die Erwähnung des Namens Kim Jong-ils in den Statisten dieses Films losbrechen lässt, ist jeder öffentliche Auftritt Hitlers und jedes Beatles-Konzert ein Kaffeeklatsch im Seniorenheim gewesen.

Dass ich viel mehr gar nicht über RESPECT COMRADE KIM JONG-IL berichten kann (und möchte), und bei dem, was ich berichte, keine Zeile ohne Häme, Spott und Ironie auskomme, liegt nicht zuletzt daran, dass mich dieser Film trotz seiner Kürze gefordert, geschlaucht und gepeinigt hat wie schon lange kein Zelluloiderzeugnis mehr. Es würde mich jedenfalls nicht überraschen, würde ich erfahren, dass der Film in nordkoreanischen Umerziehungslagern, (die ja offiziell gar nicht existieren), als integraler Bestandteil der angeordneten Gehirnwäschen Verwendung findet: Nach knapp einer Stunde, in der vor meinen gereizten Augen stakkatoartige Aufnahmen von Kim Jong-il beim Scherzen mit dem Parlament vorbeigezogen sind, von Kim Jong-il beim Besichtigen irgendwelcher Fabriken, von Kim Jong-il, der von Sozialisten aus aller Welt, die in Pjöngjang zu einer Konferenz zusammengekommen sind, wie ein Gott verehrt wird, und der dazu ganz bescheiden lächelt und abwiegelt, fühle ich bereits, wie mir mein Verstand zwischen den Ohren zu weichem, heißem Kimchi zusammenschmilzt – und dazu dann noch diese permanente Untermalung mit grenzwertiger Instrumentalmusik und dieser Off-Sprecher, (scheinbar ein Englisch sprechender Nordkoreaner), der völlig nüchtern und im Brustton der Überzeugung einen Superlativ auf den andern stapelt, um Kim Jong-il zur Krone der Schöpfung zu verklären. Kein Film meiner kleinen Nordkorea-Retrospektive hat mich derart verstört wie vorliegender, und vielleicht noch nie hat mich ein Film derart alptraumhaft gerade wegen dem angefaucht, was man in ihm NICHT sieht, was ausgespart wird, was verschwindet hinter dem Gleißen der Sonne der Menschheit, die Kim Jong-il vermeintlich darstellt, dieser Philosoph, Staatsmann, Künstler, Literat, Naturwissenschaftler, Messias, Menschenrechtler, Musiker, Militärgenius in einem…
purgatorio
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Re: Respected Comrade Kim Jong Il Is a Great Thinker and Theoretician (2000)

Beitrag von purgatorio »

...ist also nicht so geil, wenn ich das als Titel meiner Autobiographie wähle und nur den Namen ändere? Scheint mir ja jetzt ein wenig negativ belastet zu sein :(
Aber im Ernst, Salvatore. Ich kenne niemanden, der so sehr auf öffentliche Selbstkasteiung abgeht wie du. Respekt :thup:
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
- nicht nach Mitternacht füttern
- kein Wasser
- kein Sonnenlicht
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Salvatore Baccaro
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Re: Respected Comrade Kim Jong Il Is a Great Thinker and Theoretician (2000)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

purgatorio hat geschrieben: So 7. Mär 2021, 06:51 Aber im Ernst, Salvatore. Ich kenne niemanden, der so sehr auf öffentliche Selbstkasteiung abgeht wie du. Respekt
Ich gebe zu, dieser Eindruck könnte fälschlicherweise entstehen. Aber wenn ich mir arrivierte Meisterwerke von Antonioni, Godard, Bergman anschaue, die sowieso jeder abfeiert, juckt es mir nicht so sehr in den Fingern, da auch noch mein eigenes Loblied anzustimmen. Außerdem sehe ich mich ja weniger als Selbstgeißler auf dem mittelalterlichen Marktplatz, sondern vielmehr als Warner: Ich bin der Typ vom SEK, der die Tür eintritt, mit gezückter Waffe in den Kellerraum stürzt und seinen Kollegen zuruft, bleibt weg!, wartet auf die Verstärkung!, das ist hier voller Trash-Filme!
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Re: Respected Comrade Kim Jong Il Is a Great Thinker and Theoretician (2000)

Beitrag von purgatorio »

Salvatore Baccaro hat geschrieben: So 7. Mär 2021, 08:43
purgatorio hat geschrieben: So 7. Mär 2021, 06:51 Aber im Ernst, Salvatore. Ich kenne niemanden, der so sehr auf öffentliche Selbstkasteiung abgeht wie du. Respekt
Ich gebe zu, dieser Eindruck könnte fälschlicherweise entstehen. Aber wenn ich mir arrivierte Meisterwerke von Antonioni, Godard, Bergman anschaue, die sowieso jeder abfeiert, juckt es mir nicht so sehr in den Fingern, da auch noch mein eigenes Loblied anzustimmen. Außerdem sehe ich mich ja weniger als Selbstgeißler auf dem mittelalterlichen Marktplatz, sondern vielmehr als Warner: Ich bin der Typ vom SEK, der die Tür eintritt, mit gezückter Waffe in den Kellerraum stürzt und seinen Kollegen zuruft, bleibt weg!, wartet auf die Verstärkung!, das ist hier voller Trash-Filme!
So betrachtet gleich viel stimmiger :thup: Kann man so stehen lassen :ugeek:
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
- nicht nach Mitternacht füttern
- kein Wasser
- kein Sonnenlicht
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Dick Cockboner
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Re: Respected Comrade Kim Jong Il Is a Great Thinker and Theoretician (2000)

Beitrag von Dick Cockboner »

Salvatore Baccaro hat geschrieben: So 7. Mär 2021, 08:43
purgatorio hat geschrieben: So 7. Mär 2021, 06:51 Aber im Ernst, Salvatore. Ich kenne niemanden, der so sehr auf öffentliche Selbstkasteiung abgeht wie du. Respekt
Außerdem sehe ich mich ja weniger als Selbstgeißler
Eine gewisse Lust der Selbstgeißelung kann man Dir nur schwerlich absprechen :kicher:
Salvatore Baccaro hat geschrieben: So 7. Mär 2021, 08:43 , sondern vielmehr als Warner
aka "die gelbe Ampel der Filmwissenschaft"
aka "der Bademeister am Beckenrand der kinematographischen Pinkelbuben"
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