Ostwind - Der große Orkan - Lea Schmidbauer (2021)

Moderator: jogiwan

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Salvatore Baccaro
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Ostwind - Der große Orkan - Lea Schmidbauer (2021)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Ostwind.jpg
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Originaltitel: Ostwind - Der große Orkan

Produktionsland: Deutschland 2021

Regie: Lea Schmidbauer

Cast: Luna Paiano, Hanna Binke, Amber Bongard, Marvin Linke, Matteo Miska, Cornelia Froboess, Tilo Prückner, Gedeon Burkhard


Gedreht bereits im Spätsommer 2019, gelangt der fünfte Teil der OSTWIND-Reihe aufgrund geschlossener Kinos erst zwei Jahre später, im Juli 2021, auf die Leinwand – und verschwindet von derselben wieder, ohne dass ich es geschafft hätte, irgendwen meiner Freunde und Freundinnen dazu überreden zu können, mit mir den Lichtspielsaal zu entern, denn zu creepy kommt es denen vor, zusammen mit mir und einer Schar mutmaßlich vorwiegend weiblicher Kinder und Teenager einem Pferdemädchenfilm beizuwohnen, (O-Ton: Die halten uns doch für Pädos…!) Bei meinem ersten Besuch im Deutschen Pferdemuseum in Verden strahlt mich das Filmplakat von den Foyerwänden derart becircend an, dass ich den Plan fasse, in den keine fünf Gehminuten entfernten Blockbuster-Tempel zu laufen, und mir den Streifen dort endlich zu Gemüte zu führen, - Problem ist nur, dass OSTWIND 5 da schon gar nicht mehr auf dem Programm steht. Weitere Monate ziehen ins Land, bis Anfang Dezember die DVD auf den Markt gebracht wird, - und bis ich, wie ein Teenie am Vorabend eines Tokio-Hotel-Konzerts circa 2007, morgens vor der hiesigen Stadtbibliothek herumlungere, um schneller bei der Ausleihe zu sein als alle mutmaßlich vorwiegend weiblichen Fans, die es ebenfalls seinerzeit nicht in den Kinosaal geschafft haben. Neunzig Minuten später macht sich Ernüchterung breit: Hat sich der ganze Hype für diesen zwar routiniert erzählten, aber doch erstaunlich innovationsarmen Neuaufguss zum Thema „Evil Capitalist möchte Wunderhengst entführen und die Kids müssen ihm das Handwerk legen“ wirklich gelohnt?

Personell fährt DER GROSSE ORKAN die bereits im Vorgänger ARIS ANKUNFT eingeschlagene Richtung konsequent fort: Hanna Binke, die als Mika Hauptdarstellerin der ersten drei OSTWIND-Filme gewesen ist, wurde da ja bereits zur Nebenfigur degradiert, (indem man sie, dramaturgisch fragwürdig, über weite Strecken der Laufzeit ins Koma versetzt hat); mit der sieben Jahre jüngeren (und schauspielerisch etwas unterlegeneren) Luna Paiano alias Ari hatte man indes eine neue Protagonistin gefunden, die als rebellisches Waisenmädchen in die Fußstapfen Mikas treten sollte. Auch in DER GROSSE ORKAN fristet Hanna Binke ein Schattendasein: Gleich zu Beginn des Films verabschiedet sie sich von Ari, da sie aus Gründen, die der Film nie explizit nennt, nach Kanada reisen muss, (zusammenreimen kann man sich immerhin, dass sie dort „irgendwas mit Wildpferden“ macht): Ari soll ihre Stellung auf Gut Kaltenbach halten und sich natürlich um ihren Hengst Ostwind kümmern, (wobei es zumindest für mich unklar bleibt, ob denn Ari inzwischen von Hannas Großmutter Maria Kaltenbach adoptiert worden ist oder weshalb das halbwüchsige Mädchen plötzlich wie selbstverständlich plötzlich Teil des Kaltenbach-Clans ist; möglicherweise habe ich aber auch einen Hinweis am Ende des Vorgängerfilms inzwischen vergessen.) Während Mika also bis zum Finale irgendwo in der nordamerikanischen Wildnis zeltet, ereilt auch nahezu sämtliche liebgewonnenen Figuren der vier vorherigen Filme ein ähnliches Schicksal: DER GROSSE ORKAN ist derart auf die Figur Aris fixiert, dass auch Charaktere wie Mikas Pferde-Zen-Lehrmeister Herr Kaan oder ihre bereits erwähnte Großmutter größtenteils nicht auftauchen, weil sie Entscheidendes zur Handlung beitragen würden, sondern tatsächlich bloß, weil sie eben zum Inventar gehören und, als würde man eine Check-Liste abarbeiten, wenigstens ein, zwei kurze Dialogzeilen beisteuern müssen. Bezeichnend dafür, wie sehr DER GROSSE ORKAN den vier vorherigen Filmen die kalte Schulter zeigt, ist nicht zuletzt auch, dass Mikas Freund, der zuvor immerhin noch das eine oder andere Mal namentlich erwähnt wurde, auch wenn er physisch seit Teil Zwei nicht mehr in Erscheinung trat, mit keiner Silbe bedacht wird, und dass auch die vormals angedeutete Liebes- und Eifersuchtsbeziehung zwischen Mikas Freunden Fanny und Samuel komplett ad acta gelegt worden zu sein scheint. Wenn sich OSTWIND 5 allerdings, was die Geschichte seiner Protagonisten betrifft, einer allgemeinen Amnesie aussetzt, was liefert der Film denn dann stattdessen an Neuem und bislang Unerhörtem?

Nun, leider nicht viel, denn gewissermaßen rekapituliert DER GROSSE ORKAN einzig und allein Topoi und Szenarien, die bereits aus den Vorgängern sattsam bekannt sind: Halunke ist diesmal ein Zirkusdirektor namens Yiri, der mit seiner Artisten- und Pferdeshow unweit von Gut Kaltenbach residiert. Als ein heftiger Sturm mehrere seiner Pferde ausbüxen lässt und Amazone Ari diese (nicht zuletzt unter Einsatz ihres mentalen Pferdeflüsterertalents) sowohl eingefangen wie vor den Gefahren des Landstraßenverkehrs gerettet hat, freundet sie sich mit dem etwa gleichalten Carlo an, dessen Vater Akteur eines der halsbrecherischsten Pferdestunts ist: Zusammen mit dem Hengst „Der große Orkan“ legt er untermalt von kitschiger New-Age-Musik und unter künstlichem Sternenhimmel Vorstellung für Vorstellung eine atemberaubende Performance hin. Zusammen mit Fanny stattet Ari dem Zirkus einen Besuch ab – und wird Zeugin, wie die Nummer zum ersten Mal schiefgeht, was zum Krankenhausaufenthalt von Carlos verletztem Vater und zum Zusammenbruch des Großen Orkans führt. Carlo vertraut Ari an, dass der Große Orkan eigentlich schon viel zu alt für die Show sei; mittels schwarzer Schuhcreme würde Yiri seit geraumer Zeit die grauen Schläfen des Pferdegreises übertünchen. Auch ein herbeizitierter Tierarzt weckt wenig Hoffnung: Sollte Orkan nicht bald in den Ruhestand abberufen werden, wird er in nicht allzu ferner Zukunft den Löffel abgeben. Davon möchte Yiri freilich nichts hören: Orkan soll auftreten, und statt Carlos Vater nun der Junge selbst in die Manege steigen! Da kommt Ari die rettende Idee: Statt nämlich den Tierschutz einzuschalten und auf die pferdeschinderischen Maßnahmen Yiris hinzuweisen, möchte sie selbst die waghalsige Show bestreiten – und zwar, indem sie sich als Carlo verkleidet, und Ostwind mittels der erwähnten Schuhcreme in Orkan verwandelt! Wunderkind Ari erlernt dann auch eben schnell mal die Kunst des Kunstreitens, (mit der sie zuvor überhaupt nichts am Hut gehabt hat), und meistert den Vorstellungabend mit Bravour. Allerdings durchschaut Yiri die Täuschung von Anfang an: Als ihm bewusst wird, dass es gar der weltberühmte Ostwind ist, der über seinen Zirkussand galoppiert, steht für ihn fest, dass er dieses Pferd unbedingt in seinen Besitz bringen muss – und Ari, geblendet vom Applaus der Mengen und Yiris Süßholzraspeln, sie sei der geborene Zirkusstar, ist naiv genug, dem Bösewicht gar die Besitzpapiere Ostwinds auszuhändigen! Schmerzvoll gestaltet sich ihr Erwachen aus den rosaroten Showbiz-Träumen – zumal Ostwind inzwischen Mika per Pferdetelepathie aus Kanada herbeigerufen hat und die erwartungsgemäß wenig erbaut ist, ihren Liebling in den Fängen eines skrupellosen Zirkusdirektors wiederzufinden. Zusammen mit Fanny, Samuel und Carlo müssen Ari und Mika einmal mehr zur Mission „Rettet Ostwind!“ blasen…

Und irgendwie hat sich damit auch schon der gesamte Inhalt dieses sich seltsam gleichförmig von einer vertrauten Situation zur nächsten hangelnden Streifens. Einmal abgesehen davon, dass die Prämisse dafür, wie Ari dazu kommt, ins Zirkusgeschäft einzusteigen, mit „abstrus“ noch wohlwollend umschreiben ist, - (im Ernst: Ich erwarte in einem Pferdefilm für Heranwachsende sicher keine mathematisch präzisen Plotentwicklungen, aber die Zufälle und Unwahrscheinlichkeit, mit denen Regisseurin und Drehbuchautorin Lea Schmidbauer hier jongliert, suchen schon ihresgleichen, - zumal das Spektakel ja nicht mit der kunterbunten Postmodernität der BIBI&TINA-Serie aufgezogen wird, sondern sich stets betont auf dem Boden des filmischen Naturalismus bewegt) -, haben sich mir die Motive gerade von Heldin Aris nur selten erschlossen: Weshalb sie sich beispielweise anfangs überhaupt so ins Zeug legt, Yiris Zirkus vor dem finanziellen Ruin zu bewahren, (der angeblich droht, sollte Orkan verenden), bleibt weitgehend rätselhaft. Ebenso irritiert haben mich diverse Diskurse, die der Film quasi en passant in seinem Subtext anschneidet: In einer Szene zum Beispiel streitet sich Carlos Vater mit Mikas Großmutter über die Frage, weshalb denn das Zirkusreiten Tierquälerei sein soll, (was Maria Kaltenbach behauptet), das Springreiten wiederum nicht, wobei sich der Film entschieden auf die Position zurückzieht, das eine (Trickreiten) sei Pferden weniger zuträglich als das andere (Dressurreiten); später dann, wenn Carlo Ari zur Kunstreiterin ausbildet, (innerhalb weniger Tage!), glorifiziert der Film dieses als Erbe der „Kosakenkrieger“, die mit ihren Reitkunststückchen so manches feindliche Heer dem Erdboden gleichgemacht hätten, und widerspricht somit dem vorherigen Postulat, im Zirkus habe ein Gaul nichts zu suchen, bei einem Dressurturnier indes schon. Wenn man unbedingt möchte, kann man in DER GROSSE ORKAN freilich auch eine Prise Medienkritik hineininterpretieren: So erfahren wir, dass tagtäglich Ostwind-Fans gen Kaltenbach pilgern, um Selfies mit dem Hengst zu knipsen, dass man denen aber, wenn der echte Ostwind gerade keine Zeit zum Posieren hat, eine alte, ihm ansatzweise ähnelnde Stute namens Frieda vorsetzt, die die Girls dann umstandslos für den berühmten Hengst halten. In solchen kleinen, interessanteren Momenten erschöpfen sich für mich aber bereits die Dinge in OSTWIND 5, die über die reine Story hinausweisen würden, und irgendwie kommt es mir vor, als ob dieser verblüffend ironiebefreite Film wesentlich weniger Drive besitzen, sich wesentlich weniger für seine Figuren interessieren, sich generell wesentlich mehr auf die sichere Bank legen würde als die vier Vorgänger. Einen Pluspunkt verdient sich DER GROSSE ORKAN immerhin damit, dass er die vor allem seit Teil Drei immer wieder bemühte Kaufhaus-Esoterik auf ein derartiges Minimum zurückstutzt, dass sie so gut wie gar nicht mehr stattfindet. Falls die Reihe wider Erwarten weiterläuft - (offiziell ist DER GROSSE ORKAN ja als "großes Finale" angepriesen worden) - wäre, auch wenn ich sicher längst nicht mehr erwarte, dass dem sehenswerten ersten Film von 2013 das Wasser gereicht wird, etwas mehr Originalität und etwas weniger storytechnische Hanebüchenheit für weitere Serienteile doch wünschenswert...
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Re: Ostwind - Der große Orkan (2021)

Beitrag von buxtebrawler »

Salvatore Baccaro hat geschrieben: Mi 8. Dez 2021, 12:41 (O-Ton: Die halten uns doch für Pädos…!)
:D
Salvatore Baccaro hat geschrieben: Mi 8. Dez 2021, 12:41 So erfahren wir, dass tagtäglich Ostwind-Fans gen Kaltenbach pilgern, um Selfies mit dem Hengst zu knipsen, dass man denen aber, wenn der echte Ostwind gerade keine Zeit zum Posieren hat, eine alte, ihm ansatzweise ähnelnde Stute namens Frieda vorsetzt, die die Girls dann umstandslos für den berühmten Hengst halten.
Glauben, dass man in kürzester Zeit zur Kunstreiterin avancieren kann, aber keinen Hengst von einer Stute unterscheiden können... :palm:

Die von dir beschriebene Handlung klingt wie ein großer dampfender Pferdeapfel.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Ostwind - Der große Orkan (2021)

Beitrag von CamperVan.Helsing »

buxtebrawler hat geschrieben: Mi 8. Dez 2021, 17:52
Salvatore Baccaro hat geschrieben: Mi 8. Dez 2021, 12:41 So erfahren wir, dass tagtäglich Ostwind-Fans gen Kaltenbach pilgern, um Selfies mit dem Hengst zu knipsen, dass man denen aber, wenn der echte Ostwind gerade keine Zeit zum Posieren hat, eine alte, ihm ansatzweise ähnelnde Stute namens Frieda vorsetzt, die die Girls dann umstandslos für den berühmten Hengst halten.
Glauben, dass man in kürzester Zeit zur Kunstreiterin avancieren kann, aber keinen Hengst von einer Stute unterscheiden können... :palm:
Das wichtigste ist doch, dass Hengst und Stute in der Lage sind, die Unterschiede zu erkennen. Insbesondere sollte Stute den Unterschied zwischen Hengst und Wallach rasch erkennen... :pfeif: :palm:
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Re: Ostwind - Der große Orkan - Lea Schmidbauer (2021)

Beitrag von buxtebrawler »

Die "Ostwind 1-5"-DVD-Box erscheint voraussichtlich am 02.06.2022 bei Universal:

Bild

Beinhaltet:
Ostwind (2013)
Ostwind 2 (2015)
Ostwind - Aufbruch nach Ora (2017)
Ostwind - Aris Ankunft (2019)
Ostwind - Der große Orkan (2020)

Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=117069
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Ostwind - Der große Orkan - Lea Schmidbauer (2021)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

buxtebrawler hat geschrieben: Mo 30. Mai 2022, 12:28 Die "Ostwind 1-5"-DVD-Box erscheint voraussichtlich am 02.06.2022 bei Universal...
:sabber:
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