Suspiria - Dario Argento (1977)

Grusel & Gothic, Kannibalen, Zombies & Gore

Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Re: Suspiria - Dario Argento (1977)

Beitrag von buxtebrawler »

Salvatore Baccaro hat geschrieben: Mi 28. Okt 2020, 17:26 Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich bei Argentos Entscheidung, die Madame Blank mit Joan Bennett zu besetzen, um keinen Zufall handelt. Bennett spielt die Hauptrolle in Fritz Langs SECRET BEYOND THE DOOR von 1948, aus dem Argento gerade im Hinblick auf die Inszenierung von Fluren & Türen stellenweise ganze Einstellungen zitiert - nur eben bei Lang in Schwarzweiß, und in SUSPIRIA unterm delirierendsten Farbschirm.
Ah, ok!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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sid.vicious
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Re: Suspiria - Dario Argento (1977)

Beitrag von sid.vicious »

Die Amerikanerin Suzy Bannion reist nach Freiburg, um an der Schule von Madame Blanc Tanz zu studieren. Dort eingetroffen beobachtet Suzy wie eine hysterisch schreiende Frau aus der Akademie flüchtet. Da die Tanzschülerin in der Folgezeit mit zahllosen befremdlichen Vorgängen konfrontiert wird, will sie deren Ursache ergründen und verfängt sich dabei mehr und mehr in einem Geflecht aus Tanzdrill und Hexenkult.

Unter Verwendung der genreüblichen Versatzstücke lehrt Dario Argento, respektive dessen erster Horrorfilm „Suspiria“, dem Zuschauer das Gruseln. Von verführerischen (zwischen Antinaturalismus und Caligarismus schwingenden) Bildkompositionen dominiert, wird dem Zuschauer ein märchenhaft gekleideter Mikrokosmos offeriert, dessen Protagonisten nach einem strengen Gut und Böse Schema kategorisiert sind, was sich explizit aus der Divergenz der beiden Hauptcharaktere, Suzy Bannion (die brave Studentin, die Beschützerinstinkte weckt) und Miss Tanner (die streng uniformierte Tanzlehrerin, herrisch und einer KZ Aufseherin nicht unähnlich), dechiffrieren lässt.

Dieser Hauch von „Tannerscher Herrenmenschenideologie“ vermischt sich mit dem frostigen Odem der Mater Suspiriorum und erzeugt einen Gedankenstrom, dessen Weg zur okkult-faschistischen „Thule-Gesellschaft“ führt. Ein politischer Geheimbund, der 1918 mit dem Einverständnis von Hermann Pohl (dem Ordenskanzler des „Germanen Orden“) von Freiherr von Sebottendorf (eigentlich Adam Alfred Rudolf Glauer), der als Kenner des Islam, der Freimaurerei, der Astrologie und diverser Meditationstechniken galt und sich als Adoptivsohn eines Barons ausgab, in der Münchener Zweigstraße gegründet wurde. Die „Thule-Gesellschaft“ beabsichtigte mithilfe okkulter Praktiken die geheimen Kräfte des versunkenen Kontinents Thule, der Urheimat der Arier, zu erwecken, um Deutschland die Weltherrschaft (Argentos Hexen streben diese ebenfalls an) zu ermöglichen. Der Geheimbund konnte innert seiner Reihen zahlreiche Spitzen der Gesellschaft (Julius F. Lehmann, Dr. Paul Tafel, die Gebrüder Walterspiel) sowie spätere NS-Größen (Hans Frank, Gottfried Feder, Rudolf Hess) als Mitglieder respektive Gäste begrüßen und hatte einen wesentlichen Anteil daran, dass sich der Nationalsozialismus erfolgreich verbreiten konnte.

Ähnlich der „Thule-Gesellschaft“, die in unauffälligen (Zweigstraße) und anerkannten (das Nobelhotel „Vier Jahreszeiten“) Domizilen ansässig war, lagert Dario Argento die Schaltstelle seines Hexen-Konvents in ein als Tanzschule getarntes Bauwerk, das ebenfalls im Zentrum der Gesellschaft wurzelt. Dieses Gebilde fungiert nicht nur als ein Hort des absolut Bösen, sondern bestätigt einhergehend die These von Luois Vax, „das die Architektur im Horror-Genre ein fast personales Eigenleben annimmt und sich von der Verfügung des Menschen entzieht“, denn wer den Regeln der Helena Markos (dem Halbwesen) trotzt, der wird von diesem Gebäude gefressen und anschließend ausgespuckt.

Mit „Suspiria“ geht Dario Argento allen Klischees, die dem Horrorfilmgenre zeitweise einen monotonen Anstrich verpassten, aus dem Weg und präsentiert ein spannendes, technisch beeindruckendes sowie zeitloses Horrorkino, das selbst die harmlosen Dinge des Alltags zu bedrohlichen Instanzen kürt. Also lehnen Sie sich zurück und lassen Sie sich zu diesem einzigartigen Kunstwerk verführen und Ihre Sinne verzaubern!

Literaturnachweise: Hundseder, Franziska (1998) Wotans Jünger. Originalausgabe.
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Salvatore Baccaro
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Re: Suspiria - Dario Argento (1977)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Dreißigmal habe ich diesen Film bestimmt schon gesehen, davon inzwischen fünfmal im Kino. Inzwischen ist es so, wie wenn man eine seiner liebsten Platten auflegt: Man weiß, wann welcher Song in den anderen übergeht; man kennt die kompositorischen Schwächen und die produktionstechnischen Stärken; man summt bei den besten Stellen unweigerlich mit. Die Schwächen wären das übereilte Finale, das ein bisschen etwas von Geisterbahnfahrten hat oder mancher Splattereffekt, an dem der Zahn der Zeit ein bisschen was an Wirkmächtigkeit weggenagt hat, (Stichwort: Hundeschnauze.) Die Stärken überbieten all das aber natürlich mit Farben, die noch den letzten Rest kohärenter Narration verschlingen, die Musik, die noch den letzten Funken Logik überschallt, die Kamera, die Kulissen, in denen die Darstellerinnen sich recken müssen, um überhaupt an die Türknäufe zu kommen. Style over Substance ist in diesem Fall beileibe kein Schimpfwort, sondern ein Kompliment: In seiner Hochzeit ist Argento ein Meister der kleinen Form. Im Grunde besteht SUSPIRIA aus einer Ansammlung sinnlich-somatischer Vignetten, von denen jede meisterhaft inszeniert ist, und die zusammenaddiert eher den Eindruck einer Collage statt einer runden Dramaturgie ergeben. Eine Szene evoziert bei mir dabei immer eine Gänsehaut: Wenn Suzy und ihre Mitstudentinnen wegen des akuten Ungezieferbefalls der oberen Tanzakademiestockwerke in der Großen Halle nächtigen müssen, und sie nachts ein Keuchen aus der Hölle weckt. Ob sie das gehört habe?, fragt Suzy ihre Busenfreundin Sandra, worauf die ihr auseinandersetzt, das könne nur die Direktorin sei. Schon einmal habe sie dieses Keuchen wie von einem sehr alten, sehr kranken Menschen gehört. Und am nächsten Morgen sei eine der Schülerinnen verschwunden gewesen. Beschlossen wird die Szene mit einem Zoom auf die Silhouette eines liegenden Körpers, die sich hinter Suzy und Sandra an den roten Sichtvorhängen abzeichnet: Die Haut an meinen Armen ist nicht mehr von der einer Ente zu unterscheiden. Ein Film wie ein uneingelöstes Versprechen: So hätte die Filmgeschichte vielleicht aussehen können, wäre man nicht bereits in der Kinofrühzeit auf die im Nachhinein ziemlich blöde Idee gekommen, sich abhängig zu machen von wortgebundenen Kunstformen wie vor allem Literatur und Theater.
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sid.vicious
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Re: Suspiria - Dario Argento (1977)

Beitrag von sid.vicious »

Salvatore Baccaro hat geschrieben: Do 5. Nov 2020, 09:03 Dreißigmal habe ich diesen Film bestimmt schon gesehen, davon inzwischen fünfmal im Kino.
Den habe ich leider nie im Kino schauen dürfen, aber gemessen an meinen VHS, DVD und Bluray-Sichtungen ist die Zahl 30 keine Utopie.
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fritzcarraldo
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Re: Suspiria - Dario Argento (1977)

Beitrag von fritzcarraldo »

Suspiria
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Horror Happening City 46 Bremen
OmU

Suspiria ist ja im Kino immer an mir vorbeigegangen.
Dieses Mal gab es auch keine 35mm Vorführung, aber die Digitalkopie ließ die Leinwand dann auch in den allerschönsten Farben erstrahlen.
An diesem Film stimmt fast alles. Kamera, Goblin-Score, Atmosphäre, Schauspieler:innen und natürlich das Set-Design.
Man kann sich gar nicht satt sehen an der Ausstattung. Unfassbar was Argento da aufgefahren hat und wie sich das Ganze nicht nur in den Film einfügt, sondern eigentlich eine Hauptrolle übernimmt.
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karlAbundzu
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Re: Suspiria - Dario Argento (1977)

Beitrag von karlAbundzu »

Schön, ihn in beinahe ausverkauften Haus mit vielen jungen Menschen zu sehen.
Und zum ersten Mal auf italienisch.
Bild und Ton top, eindringlich wie immer.
Der erste Doppelmord kaum auszuhalten (aber in das Haus will ich ziehen, vielleicht für immer), dann läufts, immer wieder falle ich gerne in den Film hinein.

Interessanter Aspekt: nachher ein Gespräch über Darstellung der Hexen gehabt, die Gesprächspartnerin fand sie in Suspiria allzu klischeehaft, während ich es generell eher in Filmen wie Maschera kritisiere, daß die Verbrennung der Hexen gerechtfertigt wird. Gutes Gespräch.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Salvatore Baccaro
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Re: Suspiria - Dario Argento (1977)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

...und schon wieder im Kino gesehen, und dafür in Kauf genommen, mitten in der Nacht eine fast dreistündige Zugfahrt auf mich nehmen zu müssen, und Gefahr zu laufen, am nächsten Morgen zu verschlafen, obwohl ich eigentlich eine Verpflichtung hatte, die im Zusammenhang mit einem berühmten deutschen Filmwissenschaftler stand, aber, pah!, die verquollenen Äuglein und das atemlose Hasten durch die Innenstadt, weil ich tatsächlich verschlief, und die insgesamt sechs Stunden in wechselnden Loks haben sich, einmal mehr, gelohnt für diesen seltsamen Film, in dem mir bei jede Sichtung neue Dinge auffallen, immer andere Dinge gefallen. Diesmal: Diese Kamerfahrt, die offenbar die Perspektive einer körperlosen Entität darstellen soll, wie sie zunächst durch die Flure der Tanzakademie gleitet, dann durch ein offenes Fenster in die Nacht entweicht, schließlich in einer Großaufnahme des Vollmonds kulminiert; Udo Kiers Monolog, in dem er Suzys Fragen bezüglich Hexerei als blanken Aberglauben abtut, und postuliert, dass sämtlicher Glaube an Übernatürliches mit derangierten Psychen zu tun habe, also quasi das Wundersame pathologisiert, und eine Form aufklärerischer Wissenschaft personifiziert, die einem, sobald man von Sachen spricht, die nicht hundertprozentig rational aufgedröselt werden können, den Spiegel vorhält: Du hast wohl eine Schraube locker!; die Szene im Schwimmbad, die meine Begleiterin für die most creepiest scene des gesamten Films erklärte: Wie die Kamera sich von oben über die Balustrade senkt und die beiden jungen Frauen einfach nur beim Austauch relevanter Informationen beäugt, und dazu dieser ohrenbetäubende Goblin-Score, und dann löst sich alles ganz ungefährlich auf, sprich: Man wartet noch auf die nächste Attacke...
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Re: Suspiria - Dario Argento (1977)

Beitrag von fritzcarraldo »

Salvatore Baccaro hat geschrieben: Mo 14. Nov 2022, 18:44 ...und schon wieder im Kino gesehen, und dafür in Kauf genommen, mitten in der Nacht eine fast dreistündige Zugfahrt auf mich nehmen zu müssen, und Gefahr zu laufen, am nächsten Morgen zu verschlafen, obwohl ich eigentlich eine Verpflichtung hatte....
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die Szene im Schwimmbad, die meine Begleiterin für die most creepiest scene des gesamten Films erklärte: Wie die Kamera sich von oben über die Balustrade senkt und die beiden jungen Frauen einfach nur beim Austauch relevanter Informationen beäugt, und dazu dieser ohrenbetäubende Goblin-Score......
Oh. Ja. Die Schwimmbadszene fand ich dieses Mal auch sehr prägnant.
Auch da: Was für eine tolle Innenarchitektur !

Offtopic:
Aber super dass Du da warst.
Denkwürdig Dein "Auftritt".
Ich fragte: "Kommt denn der Salvatore auch noch?"
Plötzlich ertönt es neben mir:
"Ich bin doch da!"
Für mich kamst Du aus dem Nichts.
Fast schon creepy und dem Anlass angemessen. 😄
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Arkadin
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Re: Suspiria - Dario Argento (1977)

Beitrag von Arkadin »

fritzcarraldo hat geschrieben: Mo 14. Nov 2022, 20:26
Oh. Ja. Die Schwimmbadszene fand ich dieses Mal auch sehr prägnant.
Auch da: Was für eine tolle Innenarchitektur !
Hier empfehle ich einen Blick auf den wunderbaren "Deep End" von Jerzy Skolimowski, welcher auch genau dort spielt.

Oder beim nächsten München-Besuch gleich selber ein paar Bahnen ziehen: https://www.swm.de/baeder/schwimmen-sau ... s-volksbad
Früher war mehr Lametta
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karlAbundzu
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Re: Suspiria - Dario Argento (1977)

Beitrag von karlAbundzu »

Arkadin hat geschrieben: Di 15. Nov 2022, 00:16
fritzcarraldo hat geschrieben: Mo 14. Nov 2022, 20:26
Oh. Ja. Die Schwimmbadszene fand ich dieses Mal auch sehr prägnant.
Auch da: Was für eine tolle Innenarchitektur !
Hier empfehle ich einen Blick auf den wunderbaren "Deep End" von Jerzy Skolimowski, welcher auch genau dort spielt.

Oder beim nächsten München-Besuch gleich selber ein paar Bahnen ziehen: https://www.swm.de/baeder/schwimmen-sau ... s-volksbad
Dann doch wieder München als Forum -Treff-Ort? Da haben wir Suspiria Drehort und Müller in einem. ;)
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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