Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

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Maulwurf
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Beitrag von Maulwurf »

buxtebrawler hat geschrieben: Mo 9. Okt 2023, 17:36 Mit Hippies verbinde ich weltfremdes Verleugnen des Umstands, dass jeder Mensch über düstere, aggressive Seiten verfügt und/oder das Unterdrücken dieser mittels THC & Co., bis nur noch gehaltloses "Love & Peace"-Gestammel dabei herauskommt. Dazu Jesuslatschen, Fusselbärte und Strickpullover, Blumen im Haar, Hang zu Esoterik-Mumpitz, indischen Sekten und ähnlichem Unfug. Geheucheltes Verständnis für alles Mögliche, endloses Gelaber, sozialer Gestus, hinter der Fassade aber derselbe Egoismus, den man der Gesellschaft vorwirft. Musikalisch drückt sich das in geschrammeltem Langweiler-Folk über verkifften Lahmarsch-Rock bis hin zu elitärem Frickelprog aus. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Eine spannende Aussage, der ich aus meinem jahrzehntelangen Aufenthalt in wechselnden Subkulturen heraus antworten möchte. Und auch wenn Goth und Metal immer irgendwie bestimmend blieben, habe ich in den vergangenen etwa 45 Jahren die Haarlänge genauso oft gewechselt wie den Musikgeschmack oder die Klamotte …
buxtebrawler hat geschrieben: Mo 9. Okt 2023, 17:36Mit Hippies verbinde ich weltfremdes Verleugnen des Umstands, dass jeder Mensch über düstere, aggressive Seiten verfügt und/oder das Unterdrücken dieser mittels THC & Co., bis nur noch gehaltloses "Love & Peace"-Gestammel dabei herauskommt
Das ist zwar vollkommen richtig, aber heutzutage scheint es mir eher en vogue, die düsteren und aggressiven Seiten ausleben zu müssen. Oder anders gefragt: Was ist an Love & Peace verkehrt? Dass es an der Realität vorbeigeht? Dann würde ich lieber an der Realität was ändern als an der grundsätzlichen Annahme, dass ein Miteinander besser ist als ein Gegeneinander. Oder sehe ich das falsch?
buxtebrawler hat geschrieben: Mo 9. Okt 2023, 17:36Dazu Jesuslatschen, Fusselbärte und Strickpullover, Blumen im Haar, Hang zu Esoterik-Mumpitz, indischen Sekten und ähnlichem Unfug.
Bist Du sicher, dass Du nicht SozPäds meinst? :mrgreen: Ende der 70er war ich Teil einer hippie-artigen Subkultur in einer mittelgroßen Stadt in Deutschland, und ich kann Dir versichern, dass wir das genauso gesehen haben wie Du. Keiner von uns trug Fusselbärte (doch einer, aber der sah eher aus wie Che Guevara und gab sich auch so), Strickpullover oder Blumen im Haar. Jesuslatschen sind im Sommer halt praktisch, aber unsere „Uniform“ bestand damals im Allgemeinen aus Jeansanzug, Parka, Stiefeln und natürlich langen Haaren. Unterschieden wurde zwischen Hippies und Freaks – Hippies, das waren genau die, die Du auch beschreibst. Love & Peace, lieb sein, Blumen im Haar (und ich darf Dir versichern, dass ich in all den Jahrzehnten solche Menschen niemals kennengelernt habe). Während die Freaks eher Bier tranken, Rockmusik hörten und sich auch mal prügelten. Einer von uns war viel mit Rockern zusammen, also so richtig üblen MC-Typen. Wir sahen uns als Freaks, aber den Passanten außenrum war das gleich, für die waren wir alle nur Gammler!
buxtebrawler hat geschrieben: Mo 9. Okt 2023, 17:36Geheucheltes Verständnis für alles Mögliche, endloses Gelaber, sozialer Gestus, hinter der Fassade aber derselbe Egoismus, den man der Gesellschaft vorwirft.
Es ist mittlerweile bekannt, dass etwa das Frauenbild der deutschen 68er-Generation mindestens genauso konservativ war wie das der Spießer, und dass die vielgerühmte „sexuelle Revolution“ nur hieß, dass die Männer endlich unbeschränkt durch die Gegend vögeln dürfen, und die Frauen gefälligst „Eigentum“ zu haben bleiben. Böse ausgedrückt. Aber solche Typen habe ich bei den Freaks und später bei Hausbesetzern auch noch kennengelernt …
buxtebrawler hat geschrieben: Mo 9. Okt 2023, 17:36Musikalisch drückt sich das in geschrammeltem Langweiler-Folk über verkifften Lahmarsch-Rock bis hin zu elitärem Frickelprog aus. Ausnahmen bestätigen die Regel.
The Doors? Led Zeppelin? Jefferson Airplane? Santana? Ten Years After? Captain Beefheart? Jimi Hendrix? „Hippie-Musik“ ist nicht nur Scott MacKenzie oder The Mamas And The Papas, sondern genauso vielfältig und abwechslungsreich wie alle anderen Musikrichtungen auch. Mein Cousin findet, dass Metal was für Dumme ist. Der hat halt noch nie Iron Maiden gehört. Meine Reinhörempfehlungen für Dich wären das zweite Album von Led Zeppelin, Brainticket, Can, L.A. woman von den Doors (das Album) und die Livefassung von Paint it black, gespielt von Eric Burdon & War. Des weiteren Iron Butterfly (natürlich DEN Klassiker, laut und unter Kopfhörern!! Aber die waren auch sonst gut), Velvet Underground oder Solar fire von Manfred Mann’s Earthband (ebenfalls das Album).

Zu dem He-Man-Zitat, das sicher prinzipiell richtig sein mag, fallen mir eine Menge Punks ein, die ich persönlich kannte, und die wirklich und im Kern böse Menschen waren. Einer sitzt lebenslänglich wegen Mord, einer hat in der Psychiatrie seinen Bettnachbarn angezündet, einer hat seinen Lebensunterhalt mit dem Verticken von Heroin ziemlich luxuriös bestritten. Ab und an hat er mit einem Baseball-Schläger die komplette(!) Wohnungseinrichtung zertrümmt, die Freundin hat dann schauen müssen dass sie außer Reichweite bleibt, und anschließend ging es mit reichlich Bargeld in die Geschäfte für neue Möbel und neue Stereoanlage. Wobei der Mercedes natürlich immer heil blieb. Aber Attitüde und Erscheinungsbild waren immer und bis zum Ende Punk. Nee, da bleib ich lieber bei den ach so bösen Hippies …

Dir ist hoffentlich klar, dass ich Dir nichts Böses will!! Aber Deine Einschätzung, und ich hatte ja danach gefragt weil es mich auch wirklich interessiert, konnte ich so einfach nicht stehenlassen. Die oben erwähnte Aussage meines Cousins sehe ich da analog - Was tät der wohl zu Seventh son of a seventh son sagen, so er das Album jemals hören würde? Eben, und mit Hippies ist es das gleiche, oder? :wink:
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Beitrag von buxtebrawler »

Maulwurf hat geschrieben: Fr 13. Okt 2023, 10:29 Das ist zwar vollkommen richtig, aber heutzutage scheint es mir eher en vogue, die düsteren und aggressiven Seiten ausleben zu müssen. Oder anders gefragt: Was ist an Love & Peace verkehrt? Dass es an der Realität vorbeigeht? Dann würde ich lieber an der Realität was ändern als an der grundsätzlichen Annahme, dass ein Miteinander besser ist als ein Gegeneinander. Oder sehe ich das falsch?
Du wirst Love & Peace nie erreichen, wenn du die düsteren und aggressiven leugnest oder unterdrückst. Vielmehr müssen sie kanalisiert und verarbeitet werden.
Maulwurf hat geschrieben: Fr 13. Okt 2023, 10:29Bist Du sicher, dass Du nicht SozPäds meinst? :mrgreen: Ende der 70er war ich Teil einer hippie-artigen Subkultur in einer mittelgroßen Stadt in Deutschland, und ich kann Dir versichern, dass wir das genauso gesehen haben wie Du. Keiner von uns trug Fusselbärte (doch einer, aber der sah eher aus wie Che Guevara und gab sich auch so), Strickpullover oder Blumen im Haar. Jesuslatschen sind im Sommer halt praktisch, aber unsere „Uniform“ bestand damals im Allgemeinen aus Jeansanzug, Parka, Stiefeln und natürlich langen Haaren. Unterschieden wurde zwischen Hippies und Freaks – Hippies, das waren genau die, die Du auch beschreibst. Love & Peace, lieb sein, Blumen im Haar (und ich darf Dir versichern, dass ich in all den Jahrzehnten solche Menschen niemals kennengelernt habe). Während die Freaks eher Bier tranken, Rockmusik hörten und sich auch mal prügelten. Einer von uns war viel mit Rockern zusammen, also so richtig üblen MC-Typen. Wir sahen uns als Freaks, aber den Passanten außenrum war das gleich, für die waren wir alle nur Gammler!
(Hard-)Rocker meine ich natürlich nicht und mit deiner Unterscheidung gibst du mir ja tendenziell recht. Und SozPäds rekrutierten sich ja seinerzeit viel aus der Hippieszene, was zu den hier irgendwo an anderer Stelle schon mal diskutierten "Hippie-Pädagogen" führte.
Maulwurf hat geschrieben: Fr 13. Okt 2023, 10:29Es ist mittlerweile bekannt, dass etwa das Frauenbild der deutschen 68er-Generation mindestens genauso konservativ war wie das der Spießer, und dass die vielgerühmte „sexuelle Revolution“ nur hieß, dass die Männer endlich unbeschränkt durch die Gegend vögeln dürfen, und die Frauen gefälligst „Eigentum“ zu haben bleiben. Böse ausgedrückt. Aber solche Typen habe ich bei den Freaks und später bei Hausbesetzern auch noch kennengelernt …
Ja, genau. Das zog (und zieht) sich durch viele (vermeintlich) fortschrittliche Milieus, den Anfang machten aber wohl die Hippies.
Maulwurf hat geschrieben: Fr 13. Okt 2023, 10:29The Doors? Led Zeppelin? Jefferson Airplane? Santana? Ten Years After? Captain Beefheart? Jimi Hendrix? „Hippie-Musik“ ist nicht nur Scott MacKenzie oder The Mamas And The Papas, sondern genauso vielfältig und abwechslungsreich wie alle anderen Musikrichtungen auch. Mein Cousin findet, dass Metal was für Dumme ist. Der hat halt noch nie Iron Maiden gehört. Meine Reinhörempfehlungen für Dich wären das zweite Album von Led Zeppelin, Brainticket, Can, L.A. woman von den Doors (das Album) und die Livefassung von Paint it black, gespielt von Eric Burdon & War. Des weiteren Iron Butterfly (natürlich DEN Klassiker, laut und unter Kopfhörern!! Aber die waren auch sonst gut), Velvet Underground oder Solar fire von Manfred Mann’s Earthband (ebenfalls das Album).
Größtenteils (bis auf vereinzelte Songs) ganz furchtbare Mucke für mich - und ich habe es wirklich versucht. Nicht einmal mit Led Zeppelin werde ich mit warm. :-| Wobei man natürlich zwischen sich mit den Hippies identifizierenden bzw. sich selbst dazuzählenden Bands und solchen, die einfach nur zur gleichen Zeit Musik gemacht haben, unterscheiden muss.
Maulwurf hat geschrieben: Fr 13. Okt 2023, 10:29Zu dem He-Man-Zitat, das sicher prinzipiell richtig sein mag, fallen mir eine Menge Punks ein, die ich persönlich kannte, und die wirklich und im Kern böse Menschen waren. Einer sitzt lebenslänglich wegen Mord, einer hat in der Psychiatrie seinen Bettnachbarn angezündet, einer hat seinen Lebensunterhalt mit dem Verticken von Heroin ziemlich luxuriös bestritten. Ab und an hat er mit einem Baseball-Schläger die komplette(!) Wohnungseinrichtung zertrümmt, die Freundin hat dann schauen müssen dass sie außer Reichweite bleibt, und anschließend ging es mit reichlich Bargeld in die Geschäfte für neue Möbel und neue Stereoanlage. Wobei der Mercedes natürlich immer heil blieb. Aber Attitüde und Erscheinungsbild waren immer und bis zum Ende Punk. Nee, da bleib ich lieber bei den ach so bösen Hippies …
Es gibt definitiv auch verdammt (im negativen Sinne) asoziale Punks, ganz klar. Kenne selbst genug Geschichten und habe so meine Erfahrungen gemacht. Das He-Man-Meme war ja auch eher eine polemische Zuspitzung. ;)
Maulwurf hat geschrieben: Fr 13. Okt 2023, 10:29Dir ist hoffentlich klar, dass ich Dir nichts Böses will!! Aber Deine Einschätzung, und ich hatte ja danach gefragt weil es mich auch wirklich interessiert, konnte ich so einfach nicht stehenlassen. Die oben erwähnte Aussage meines Cousins sehe ich da analog - Was tät der wohl zu Seventh son of a seventh son sagen, so er das Album jemals hören würde? Eben, und mit Hippies ist es das gleiche, oder? :wink:
Klar ist mir das klar. ;) Aber nun wünsche ich dir erst mal viel Lesevergnügen mit Schäfers Buch :nick:
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Salvatore Baccaro
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Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Puh, und das dürfte dann wohl mein Endgegner sein, was unlesbare Werke der deutschen Literaturgeschichte anbelangt. Inhaltlich versucht Arno Schmidt nachzuweisen, dass Karl May insgeheim schwul gewesen sei, indem er sein Gesamtwerk auf Passagen abklopft, die homoerotisch interpretierbar sind: Bis zum Exzess zelebrierte Männerfreundschaften; Waffenkult; Landschaften als Chiffren für den männlichen Anus, in den es einzudringen gilt. Mal abgesehen davon, dass Schmidt im Grunde über hunderte Seiten hinweg nur seine sowieso bereits vorgefertigte These im Nachhinein mit "Beweisen" unterfüttert, ist das Ganze in einem Stil verfasst, den ich keine fünf Sätze am Stück aushalte. Man werfe ein Blick auf den obigen Auszug: Anthro-po-logisch?! Sexische Schweiz?! Irgendwo zwischen dieser kalauernden Büttenrede, diesen germanistischen Inside-Jokes, diesen völlig verkopften, orthographisch abenteuerlichen Manierismen lauert für mich der Todesstoß, meine Güte...
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Das Riesen-Ferien-Buch

Als ich dieses rund 200-seitige Softcover-Album aus der Carlsen-Qualitätscomicschmiede in einer Wühlkiste auf der Comic- und Manga-Convention in der Hamburger Fabrik entdeckte, fühlte ich mich wohlig an meine Kindheit erinnert, als ich mich immer freute, ein extradickes Ferien-Comicsonderheft auf dem Flohmarkt zu finden und es genüsslich während des Sommers zu verschlingen. Also sackte ich den im Mai 1996 veröffentlichten, vollfarbigen, auf mattem Qualitätspapier gedruckten Wälzer ein und vergrub mich auf meinem Urlaubsflug nach Mallorca darin.

Die vielen eingestreuten, sich an eine kind- und jugendliche Leserschaft richtenden Rätsel interessierten mich dabei weit weniger als das äußerst gelungene, kurzweilige Sammelsurium frankobelgischer Funny-Comics von „Spirou und Fantasio“ über die Gesetzeshüter-Karikatur „Dein Freund und Helfer“ (dessen Protagonisten ich seinerzeit über Kauka und Moewig als „Bully Bouillon“ kennengelernt hatte), den Krankenhaus-Irrsinn „Die kranken Schwestern“, die Abenteuer des Kfz-Mechanikers Isidor oder des Grundschülers Cedric bis hin zur Touristen-Animateure-Parodie „Cactus Club“, wovon mir das meiste zuvor unbekannt war. Erstmals las ich so auch das „Spirou und Fantasio“-Prequel-Spin-Off „Der kleine Spirou“, das mit seinem Humor und seiner Niedlichkeit heraussticht. Makaberer geht’s beim Totengräber Pierre Tombal zu; durchaus schwarzhumorig auch beim „Höllenspaß“, der Gags an der Himmelspforte mit Rätseln kombiniert. Zumindest zum Teil tut dies auch der Satansbraten „Die kleine Lucie“. Fast alle Reihen sind mit mehreren Geschichten vertreten, deren Umfang von Einseitern bis zu mehrseitigen Erzählungen reicht.

„Das Riesen-Ferien-Buch“ bietet somit auch einem erwachsenen Publikum einen sehr unterhaltsamen, abwechslungsreichen Überblick über frankobelgische Funnys und drängt sich damit als lockerer Einstieg in die Urlaubslektüre geradezu auf.
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

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Derber Trash #1

Es wurde wirklich mal Zeit, mich mit den Erzeugnissen des deutschen Weissblech-Comics-Verlags zu beschäftigen. Dieser gründete sich, zunächst als Hobby-Projekt, in den 1990ern und lehnte sich hommagenartig an den US-amerikanischen Kultverlag „EC“ an – entsprechend kürzt er sich „WC“ ab… Und dort würde manch Sittenwächter(in) sicherlich auch gern dessen Heftchen hinunterspülen, allen voran vermutlich solche, wie sie in diesem, sich an eine erwachsene zumindest volljährige Leserschaft richtenden Sammelband aus dem Jahre 2010 um eine Rahmenhandlung herum neu aufgelegt wurden.

Der 100 Schwarzseiten umfassende Softcoverband in halber Albengröße beherbergt die Heftchen „Drogengeile Teenieschlampen“, „Wenn Sexmonster auf Erden wandeln“ und „Zombie Terror“ aus der Anfangszeit des Verlags, die von verschiedenen Zeichnern und Textern verbrochen wurden. Das bedeutet: Bewusst auf geschmacklos getrimmte Sex- und Monstergeschichten, wie man sich für sie ab einem bestimmten Alter zu interessieren beginnt, dargereicht mit dem typischen selbstironischen Augenzwinkern des kalkulierten Schunds und mitunter inklusive Kommentaren zu Zeitgeist und Gesellschaft im Subtext. So wird in „Drogengeile Teenieschlampen“ u.a. die Loveparade aufs Korn genommen, bietet „Wenn Sexmonster auf Erden wandeln (mit enorm großen Geschlechtsteilen)“ exakt das, darüber hinaus aber auch eine Parodie auf propagandistische US-Comics, wenn der Weltkommunismus bekämpft wird, indem „kommunistische Raketenweiber vom Planeten Z“ besiegt werden, und versucht eine redaktionelle Non-Comic-Bildungsseite die Frage „Sexmonster – Mythos oder Wirklichkeit?!“ zu beantworten. In „Zombie Terror“ finden sich neben der Origin Story des merkwürdigen Fischjungen Storys mit neugierig machenden Titeln wie „Fäule in der Lederhose“ oder „Nazizombies gegen Mangagirlies“, denen man nun ebenfalls wirklich keinen Etikettenschwindel nachsagen kann. Pubertäre bis anarchische Späße ohne jede Selbstlimitierung, die zumindest zeichnerisch ein gewisses Niveau nie unterschreiten (also keine Kritzeleien oder dahingerotzten Kleckse).

Flankiert wird all das von der Rahmenhandlung um Herrn Dreck und den merkwürdigen Fischjungen, die auf dem Weg zum garstigen, kapitalistischen Verleger sind, um an ihre Tantiemen zu kommen. Historische Abrisse zur Verlagsarbeit, knappe Reflektionen dieses alten Quatschs (wobei auch die im Original belassenen Rechtschreibfehler bemerkt werden) und die zuvor unveröffentlichte, aus dem Papierkorb gefischte „Xena“-Parodie „Kena und die Labertasche“ strecken den Spaß auf die 100 Seiten und stellen auch für Besitzer(innen) der Originale interessantes Bonusmaterial und somit einen Kaufanreiz dar.

Man merkt manch Geschichte an, dass zunächst der Titel feststand und erst dann versucht wurde, eine Stimmige Handlung dazu zu entwerfen, und die Limitierungen auf nur wenige Seiten pro Story tragen ihren Teil dazu bei, dass diese Comics eine Art Äquivalent zu kruden, billigen B-Movies vergangener Zeiten darstellen, bei denen mit reißerischen Plakatmotiven auf Geldgebersuche gegangen wurde, um überhaupt mit dem Verfassen des Drehbuchs beginnen zu können. Wer ein Herz für Schund hat, ist hiermit also gut bedient. Ich jedenfalls hatte meinen Spaß – und mit Sicherheit nicht meinen letzten Weissblech-Comic in der Hand.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Beitrag von Arkadin »

buxtebrawler hat geschrieben: Di 21. Nov 2023, 17:48 Ich jedenfalls hatte meinen Spaß – und mit Sicherheit nicht meinen letzten Weissblech-Comic in der Hand.
Sehr lobenswert. Ich hatte gerade mit Erschrecken festgestellt, dass ich seit zwei Jahren kein WC-Heft mehr gekauft hatte (ich komme halt - Gotteidank - nicht mehr täglich am Bahnhofskiosk vorbei) und eine größere Nachbestellung direkt bei Verlag getätigt. An den "Derben Trash" habe ich mich noch nicht rangetraut, aber lese regelmäßig die "Horror Schocker", "Zombie Terror" (scheint aber nix mit der gleichnamigen Gesichte in dem Sammelband da zu tun zu haben), Zombieman, natürlich Captain Berlin und noch so einiges aus dem Verlag. Nur die Urzeit-Amazonen lass ich links liegen. Bei WC ist auch die offizielle "Nekromantik"-Fortsetzung "Son of Nekromantik" rausgekommen. Und eine Adaption der "Reitenden Leichen". Ich mag das alles. Nicht alles trifft gleich ins Schwarze, aber man merkt die Liebe und wie Du schon schriebst - ein gewisses zeichnerisches Niveau wird nie unterboten.
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Beitrag von Adalmar »

Stephen King, Cujo. Als Hörbuch, von David Nathan gelesen.

Die Geschichte eines tollwütigen Hundes, aber auch nicht minder von kritischen Punkten im Karriere- und Beziehungsleben der Protagonisten. Übernatürliche Elemente spielen hier nur eine untergeordnete Rolle. Im Kern hochspannender Survival-Horror mit Protagonisten, die durch die ausführlichen Hintergrundgeschichten durchaus zum Mitfiebern einladen.
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Beitrag von buxtebrawler »

Arkadin hat geschrieben: Di 21. Nov 2023, 22:41 Sehr lobenswert. Ich hatte gerade mit Erschrecken festgestellt, dass ich seit zwei Jahren kein WC-Heft mehr gekauft hatte (ich komme halt - Gotteidank - nicht mehr täglich am Bahnhofskiosk vorbei) und eine größere Nachbestellung direkt bei Verlag getätigt. An den "Derben Trash" habe ich mich noch nicht rangetraut, aber lese regelmäßig die "Horror Schocker", "Zombie Terror" (scheint aber nix mit der gleichnamigen Gesichte in dem Sammelband da zu tun zu haben), Zombieman, natürlich Captain Berlin und noch so einiges aus dem Verlag. Nur die Urzeit-Amazonen lass ich links liegen. Bei WC ist auch die offizielle "Nekromantik"-Fortsetzung "Son of Nekromantik" rausgekommen. Und eine Adaption der "Reitenden Leichen". Ich mag das alles. Nicht alles trifft gleich ins Schwarze, aber man merkt die Liebe und wie Du schon schriebst - ein gewisses zeichnerisches Niveau wird nie unterboten.
Die nächsten Schundheftsammlungen liegen schon bereit :cool:
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Beitrag von buxtebrawler »

Adalmar hat geschrieben: Mi 22. Nov 2023, 23:09 Stephen King, Cujo. Als Hörbuch, von David Nathan gelesen.
Hörbücher zählen hier auch? Klar, warum nicht. Ich fürchte, dann muss ich noch ein bisschen was nachtragen. :)

Wie lang ist denn "Cujo" als Hörbuch?
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Beitrag von Arkadin »

buxtebrawler hat geschrieben: Do 23. Nov 2023, 09:25 Hörbücher zählen hier auch? Klar, warum nicht. Ich fürchte, dann muss ich noch ein bisschen was nachtragen. :)
Oder eher hier: offtopic-f20/hoerspiele-podcasts-und-ob ... -s100.html
Weiß auch nicht so genau. Hätte ich eher dort gesucht - aber entscheidet ihr. Hörbücher sind ja echt ein Grenzfall der sowohl als auch passt.
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