Blood on Méliès' Moon - Luigi Cozzi (2016)
Moderator: jogiwan
Blood on Méliès' Moon - Luigi Cozzi (2016)
Blood on Méliès' Moon
Originaltitel: Blood on Méliès' Moon
Herstellungsland: Italien / 2016
Regie: Luigi Cozzi
Darsteller: Sharon Alessandri, Lamberto Bava, Barbara Magnolfi, David Kirk Traylor
Story:
[folgt]
Originaltitel: Blood on Méliès' Moon
Herstellungsland: Italien / 2016
Regie: Luigi Cozzi
Darsteller: Sharon Alessandri, Lamberto Bava, Barbara Magnolfi, David Kirk Traylor
Story:
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Re: Blood on Méliès' Moon - Luigi Cozzi (2016)
keine Ahnung, was man sich da erwarten kann - kommt jedenfalls von Severin/Intervision in den Staaten auf Blaustrahl
quelle: insta
BLOOD ON MÉLIÈS' MOON (2016) via Intervision Picture Corp
For his first narrative feature in 27 years, the legendary Luigi Cozzi (PAGANINI HORROR, THE BLACK CAT) wrote, directed and stars as himself in this insane supernatural sci-fi splatter mystery: When an obsessive fan’s visit triggers a brutal murder in Luigi’s Profondo Rosso
store/museum, Cozzi’s phantasmagoric freakout will include vanished inventors, alternate dimensions, cursed books, lost films, bizarre pajamas and his own reputation as ‘the Italian Ed Wood’, with appearances by Lamberto Bava, Barbara Magnolfi (SUSPIRIA), screenwriter Antonio Tentori (CAT IN THE BRAIN), best-selling author
Giulio Leoni and Dario Argento. As a bonus, this collection also includes Cozzi’s charming 2018 children’s adventure THE LITTLE WIZARDS OF OZ and FANTASTICOZZI, the revealing documentary on Cozzi’s incomparable life and career.
quelle: insta
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- Salvatore Baccaro
- Beiträge: 3069
- Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10
Re: Blood on Méliès' Moon - Luigi Cozzi (2016)
Aus gegebenem Anlass - (einem Skype-Treffen mit dem Maestro höchstselbst, das nun für Anfang August vereinbart worden ist) -, hielt ich es für eine gute Idee, endlich einmal einen Blick auf sein jüngstes Oeuvre zu werfen - zumal Cozzi selbst, als ich ihm vorschwärmte, wie großartig ich sein experimentelles Debüt IL TUNNEL SOTTO IL MONDO von 1969 fände, die Sprache sofort auf BLOOD ON MÉLIÈS' MOON brachte, den er als seinen "other experimental movie" bezeichnete, sozusagen eine Rückkehr zu den Anfängen, ein halbes Jahrhundert später.
So viel sei gesagt: Zwischen dem spröden Sci-Fi-Streifen, den Cozzi 1969 ohne Budget, dafür mit einer Handvoll enthusiastischer Freunde und Freundinnen in einem, wie er selbst sagt, Zeitraum von drei oder vier Tagen in den Kasten bringt, und seinem 2016er Comeback - immerhin seinem ersten narrativen Film seit PAGANINI HORROR, dessen Release da auch schon 27 Jahre zurückliegt! -, klaffen dann doch Welten - um nicht zu sagen: fast ein ganzes Leben! IL TUNNEL SOTTO IL MONDO ist das Produkt eines jungen Bilderstürmers, das wesentlich mehr mit zeitgenössischem, science-fiction-affinen Underground Cinema eines Alberto Grifi (ORGONAUTI, EVVIVA!, 1970) oder eines Corrado Farina (SI CHIAMAVA TERRA, 1963) zu tun hat als mit den kunterbunten Genrefilmen wie STAR CRASH (1978) oder CONTAMINATION (1980), für die Cozzi im weiteren Verlauf seiner Karriere berühmt (und berichtigt) werden wird; BLOOD ON MÉLIÈS' MOON demgegenüber steht am Ende dieser Karriere, besitzt den zugleich nostalgisch-bilanzziehenden, vor allem aber augenzwinkernd-selbstironischen Blick eines Mannes, der bestens gelaunt seine gesamte künstlerische Laufbahn Revue passieren lässt – inklusive all der Ideen, Leidenschaften, Personen, Filmen, Orte, die für ihn 70 Erdenjahren bedeutsam gewesen sind. Auch wenn die Kamera – in deutlicher Anspielung auf IL TUNNEL SOTTO IL MONDO – zuweilen mal auf dem Kopf steht oder unvermittelt zur Seite kippt: BLOOD ON MÉLIÈS‘ MOON funktioniert, meine ich, im Gegensatz zu Cozzis Debüt, wenig als eigenständiger Film, dürfte alle Nichteingeweihten, die mit dem Werk des Meisters nicht vertraut sind, gerade bei seiner Laufzeit von fast zwei Stunden kaum abholen, ist tatsächlich ein Film, den Cozzi offenbar vor allem für sich selbst, seinen innersten Zirkel, seine Fans gedreht hat, eine Hommage an das eigene Schaffen, an das phantastische Kino im Allgemeinen und an sein heißgeliebtes Science-Fiction-Genre im Besonderen, an eine Spielart des italienischen Films, die 1989, als Cozzi seinen bis dato letzten Spielfilm PAGANINI HORROR auf die Beine stellt, schon in den allerletzten Zügen liegt, und als deren Nachlassverwalter und Chronist er daraufhin seine Bestimmung findet.
Sein Do-It-Yourself-Gestus eint BLOOD ON MÉLIÈS‘ MOON dann aber doch mit IL TUNNEL SOTTO IL MONDO: Cozzi spielt die Hauptrolle, das heißt, sich darin selbst; seine Ehefrau ist mit von der Partie, außerdem Lamberto Bava ebenfalls als er selbst, der Cozzi einmal zum Abendessen einlädt; des Weiteren Dario Argento, der in Cozzis römischem Horrorshop „Profondo Rosso“ vorbeischaut, um seine Autobiographie zu präsentieren, (worauf sich straßenlange Menschenschlagen bilden, so groß ist der Ansturm), Barbara Magnolfi, die man, unter anderem, als Mitschülerin Suzy Bannons in SUSPIRIA kennen dürfte, Antonio Tentori, der zahlreiche Drehbücher für Spätwerke von Lucio Fulci, Bruno Mattei und Argento auf dem Kerbholz hat; aber auch ein Nachwuchsregisseur wie Luigi Pastore, (über dessen bekanntesten Film VIOLENT SHIT: THE MOVIE von 2015 man allerdings am besten ein ganzes Warenlager an Schweigemänteln ausbreitet). Gedreht wird in Cozzis eigener Wohnung, bei Lamberto Bava zu Hause, immer wieder in den Verkaufsräumen des „Profondo Rosso“ beziehungsweise im Keller darunter, wo sich das „Museo degli Orrori di Dario Argento“ mit zahlreichen Props und Set Pieces aus Filmen wie PHENOMENA (1985) oder Michele Soavis LA CHIESA (1989) befindet, und wenn Cozzi Urlaub in Paris macht, wird die Digicam selbstverständlich mitgenommen, um ein paar stimmige Impressionen der französischen Hauptstadt einzufangen. Das hat natürlich schon eine begnadete Bricolage-Ästhetik: Man nimmt, was man sowieso bereits hat, oder was einem die Umstände in die Hände spielt, und baut den Film einfach um diese Bausteine herum.
Daneben erzählt BLOOD ON MÉLIÈS‘ MOON allerdings auch eine Geschichte – wenn auch, zugeben: eine reichlich komplexe, verwirrende Geschichte, die nicht nur einfach mal die komplette Kinohistorie inkorporiert, sondern die außerdem verschachtelt und labyrinthisch erzählt wird wie ein ausufernder Kolportageroman des 19. Jahrhunderts à la Eugène Sue. Im 19. Jahrhundert beginnt das Epos dann auch, wenn wir zunächst per Off-Stimme über die Lebensgeschichte des (historisch verbürgten) Erfinders Louis Le Prince aufgeklärt werden, der 1890 unter bislang ungeklärten Umständen spurlos verschwindet, und zwar, was zu mannigfaltigen Conspiracy-Theorien Anlass gegeben hat, zu Beginn einer Reise, die ihn nach New York führen sollte, um dort die mutmaßlich erste Filmkamera der Menschheitsgeschichte sowie die mit dieser geschossenen Filme zu präsentieren. Im Klartext: Wäre Le Prince an seinem Bestimmungsort angekommen, würde sein Name, und nicht der der Gebrüder Lumière, heute mit dem Anbeginn der Kinogeschichte synonym sein. In der Gegenwart erhält Cozzi derweil Postsendungen an den „Profondo-Rosso“-Store, auf die er sich keinen Reim machen kann: Ein Mann namens Professor Pierpoljakos schickt ihm eine Nachttischlampe, die nach dem Mondgesicht in Georges Méliès‘ Jules-Verne-Adaption LE VOYAGE DANS LA LUNE (1902) modelliert wurde; außerdem wird ihm von einer Frau ein rarer französischer Science-Fiction-Roman zugespielt, der kurz darauf wie vom Erdboden verschluckt ist. Schließlich materialisiert sich der griechische Professor in Cozzis Lädchen – und hat keine guten Neuigkeiten in petto: Eine weltweite, ach was, gar interstellare Verschwörung will Pierpoljakos auf der Schliche sein, die die gesamte Menschheit ins Verderben reißen wird, wenn man ihr nicht einen Riegel vorschiebt – und Luigi Cozzi ist der Einzige, der dem Professor dabei helfen kann, den düsteren Mächten, hinter denen niemand Geringeres als der unsterblich gewordene Le Prince steckt, das Handwerk zu legen! Für Cozzi beginnen turbulente Zeiten, denn das Abenteuer, in das er so unverhofft gestolpert ist, führt ihn nicht nur in die Privatbibliothek von Mario Bava und in jahrhundertealte Geheimnisse von Paris, sondern zudem in die eine oder andere Parallelrealität, in eine magische Rakete, die ihn quer durchs Weltenall und quer durch die Science-Fiction-Filmgeschichte katapultiert, und an den Vorabend der Apokalypse, die droht, über der Erde hereinzubrechen.
Gewissermaßen stellt BLOOD ON MÉLIÉS‘ MOON die filmische Adaption des „Profondo-Rosso“-Shops selbst dar. Wer von euch schon mal dort gewesen ist, wird wissen, was ich meine: Ein paar Bücher, viele von Cozzi selbst verfasst; schrankweise DVDs; Halloween-Monstermasken aus Gummi; Kühlschrankbuttons mit Motiven aus Argento-Filmen; Plastikskelette, die von der Decke baumeln – es ist diese ganz bewusst Phänomene wie Trash, Camp und das Karnevaleske umarmende Rummelplatz-Atmosphäre, die auch BLOOD ON MÉLIÈS‘ MOON im Innersten beseelt – und auch wenn der Film gerade wegen seiner erwähnten monumentalen Laufzeit dramaturgisch nicht immer eine runde Sache bildet, so gibt es doch zu viele Szenen, die mich in ihrer offensiven Naivität, in ihrem schalkhaften Witz, in ihrem Referenzreichtum zutiefst verzückt haben, dass ich den Film nicht hätte ins Herz schließen können. Zu den Highlights zählen: Eine giallo-esque Sequenz, in der Barbara Magnofli von einer Puppe, die den Killer aus Bavas SEI DONNE PER L’ASSASSINO (1964) darstellt, in den Katakomben des Horrorshops gemeuchelt wird; Cozzis (Traum-)Reise in einer herrlich billig animierten Rakete, einer von vielen haarsträubenden CGI-Effekten; eine Diskussion darüber, dass Cozzi diverse Vulkanausbrüche in seinem Neo-Peplum HERCULES (1983) anderen Filmen entlehnt hat, die in der fast schon philosophischen Frage gipfelt, ob denn Cozzi sich diese Bilder ausgesucht habe, oder ob die Bilder sich nicht ihn ausgesucht haben könnten. Am schönsten jedoch ist es, zu sehen, wie humorvolle Cozzi mit dem eigenen Image spielt. Namentlich sind es zwei Sequenzen, die mich vor Lachen beinahe von der Matratze hätten kullern lassen: Zum einen die, in der Cozzi seine eigene Ehefrau erschreckt, indem er in einem Ganzkörperteufelskostüm durch die Wohnung stiefelt, worauf er, als sie ihn zurechtweist, ihn einen Idioten nennt, ihn bittet, doch endlich ins Bett zu gehen, vor sich hin murmelt, dass niemand ihn verstehen könne; zum andern die, in der er nachts aus einem Alptraum hochschreckt, in dem ein Kritiker ihn als „italienischen Ed Wood“ diffamiert hat, und er seine schlafende Gattin wachrüttelt, um ihr mitzuteilen, dass das ja per se nichts Schlechtes heißen müsse, denn hat nicht Tim Burton über den echten Ed Wood einen Film gedreht, und wenn er die italienische Ausgabe davon sei, würde das doch bedeuten, dass auch sein eigenes Leben einmal verfilmt werden würde, oder? Wem das noch nicht reicht, der bekommt im Finale eine Szene geboten, die nun wirklich alles sprengt, von dem ich mir hätte vorstellen können, dass es in diesem Film zu sehen sein wird – denn, im Ernst: was macht die Vorstellung mit euch, Luigi Cozzi mit einer Dreadlock-Perücke zu sehen, wie er in seinem Shop zu einem italienischen Rapsong herumhüpft?
Klar sollte bis hierhin sein: BLOOD ON MÉLIÈS‘ MOON nimmt sich selbst am wenigsten ernst, wirkt wie die Spielweise eines Regisseurs, der sich und der Welt nichts mehr beweisen muss, der stattdessen gerade den Spaß seines Lebens hat – und auch wenn er mich zuweilen an die Abschiedswerke von Jean Rollin erinnert hat, wie den kurz vor seinem Tod 2010 gedrehten LE MASQUE DE LA MÉDUSE, so ist der Modus bei Cozzi dann doch ein ganz anderer, wesentlich weniger wehmütig, vielmehr leichtfüßig, unbeschwert, im besten Sinne infantil. Mir zumindest hat dieser Film ein breites Lächeln aufs Gesicht gezaubert – trotz (oder gerade weil!) er in kaum einem Aspekt dem entspricht, was sich das Gros der Menschheit gemeinhin unter einem „guten Film“ vorstellt.
So viel sei gesagt: Zwischen dem spröden Sci-Fi-Streifen, den Cozzi 1969 ohne Budget, dafür mit einer Handvoll enthusiastischer Freunde und Freundinnen in einem, wie er selbst sagt, Zeitraum von drei oder vier Tagen in den Kasten bringt, und seinem 2016er Comeback - immerhin seinem ersten narrativen Film seit PAGANINI HORROR, dessen Release da auch schon 27 Jahre zurückliegt! -, klaffen dann doch Welten - um nicht zu sagen: fast ein ganzes Leben! IL TUNNEL SOTTO IL MONDO ist das Produkt eines jungen Bilderstürmers, das wesentlich mehr mit zeitgenössischem, science-fiction-affinen Underground Cinema eines Alberto Grifi (ORGONAUTI, EVVIVA!, 1970) oder eines Corrado Farina (SI CHIAMAVA TERRA, 1963) zu tun hat als mit den kunterbunten Genrefilmen wie STAR CRASH (1978) oder CONTAMINATION (1980), für die Cozzi im weiteren Verlauf seiner Karriere berühmt (und berichtigt) werden wird; BLOOD ON MÉLIÈS' MOON demgegenüber steht am Ende dieser Karriere, besitzt den zugleich nostalgisch-bilanzziehenden, vor allem aber augenzwinkernd-selbstironischen Blick eines Mannes, der bestens gelaunt seine gesamte künstlerische Laufbahn Revue passieren lässt – inklusive all der Ideen, Leidenschaften, Personen, Filmen, Orte, die für ihn 70 Erdenjahren bedeutsam gewesen sind. Auch wenn die Kamera – in deutlicher Anspielung auf IL TUNNEL SOTTO IL MONDO – zuweilen mal auf dem Kopf steht oder unvermittelt zur Seite kippt: BLOOD ON MÉLIÈS‘ MOON funktioniert, meine ich, im Gegensatz zu Cozzis Debüt, wenig als eigenständiger Film, dürfte alle Nichteingeweihten, die mit dem Werk des Meisters nicht vertraut sind, gerade bei seiner Laufzeit von fast zwei Stunden kaum abholen, ist tatsächlich ein Film, den Cozzi offenbar vor allem für sich selbst, seinen innersten Zirkel, seine Fans gedreht hat, eine Hommage an das eigene Schaffen, an das phantastische Kino im Allgemeinen und an sein heißgeliebtes Science-Fiction-Genre im Besonderen, an eine Spielart des italienischen Films, die 1989, als Cozzi seinen bis dato letzten Spielfilm PAGANINI HORROR auf die Beine stellt, schon in den allerletzten Zügen liegt, und als deren Nachlassverwalter und Chronist er daraufhin seine Bestimmung findet.
Sein Do-It-Yourself-Gestus eint BLOOD ON MÉLIÈS‘ MOON dann aber doch mit IL TUNNEL SOTTO IL MONDO: Cozzi spielt die Hauptrolle, das heißt, sich darin selbst; seine Ehefrau ist mit von der Partie, außerdem Lamberto Bava ebenfalls als er selbst, der Cozzi einmal zum Abendessen einlädt; des Weiteren Dario Argento, der in Cozzis römischem Horrorshop „Profondo Rosso“ vorbeischaut, um seine Autobiographie zu präsentieren, (worauf sich straßenlange Menschenschlagen bilden, so groß ist der Ansturm), Barbara Magnolfi, die man, unter anderem, als Mitschülerin Suzy Bannons in SUSPIRIA kennen dürfte, Antonio Tentori, der zahlreiche Drehbücher für Spätwerke von Lucio Fulci, Bruno Mattei und Argento auf dem Kerbholz hat; aber auch ein Nachwuchsregisseur wie Luigi Pastore, (über dessen bekanntesten Film VIOLENT SHIT: THE MOVIE von 2015 man allerdings am besten ein ganzes Warenlager an Schweigemänteln ausbreitet). Gedreht wird in Cozzis eigener Wohnung, bei Lamberto Bava zu Hause, immer wieder in den Verkaufsräumen des „Profondo Rosso“ beziehungsweise im Keller darunter, wo sich das „Museo degli Orrori di Dario Argento“ mit zahlreichen Props und Set Pieces aus Filmen wie PHENOMENA (1985) oder Michele Soavis LA CHIESA (1989) befindet, und wenn Cozzi Urlaub in Paris macht, wird die Digicam selbstverständlich mitgenommen, um ein paar stimmige Impressionen der französischen Hauptstadt einzufangen. Das hat natürlich schon eine begnadete Bricolage-Ästhetik: Man nimmt, was man sowieso bereits hat, oder was einem die Umstände in die Hände spielt, und baut den Film einfach um diese Bausteine herum.
Daneben erzählt BLOOD ON MÉLIÈS‘ MOON allerdings auch eine Geschichte – wenn auch, zugeben: eine reichlich komplexe, verwirrende Geschichte, die nicht nur einfach mal die komplette Kinohistorie inkorporiert, sondern die außerdem verschachtelt und labyrinthisch erzählt wird wie ein ausufernder Kolportageroman des 19. Jahrhunderts à la Eugène Sue. Im 19. Jahrhundert beginnt das Epos dann auch, wenn wir zunächst per Off-Stimme über die Lebensgeschichte des (historisch verbürgten) Erfinders Louis Le Prince aufgeklärt werden, der 1890 unter bislang ungeklärten Umständen spurlos verschwindet, und zwar, was zu mannigfaltigen Conspiracy-Theorien Anlass gegeben hat, zu Beginn einer Reise, die ihn nach New York führen sollte, um dort die mutmaßlich erste Filmkamera der Menschheitsgeschichte sowie die mit dieser geschossenen Filme zu präsentieren. Im Klartext: Wäre Le Prince an seinem Bestimmungsort angekommen, würde sein Name, und nicht der der Gebrüder Lumière, heute mit dem Anbeginn der Kinogeschichte synonym sein. In der Gegenwart erhält Cozzi derweil Postsendungen an den „Profondo-Rosso“-Store, auf die er sich keinen Reim machen kann: Ein Mann namens Professor Pierpoljakos schickt ihm eine Nachttischlampe, die nach dem Mondgesicht in Georges Méliès‘ Jules-Verne-Adaption LE VOYAGE DANS LA LUNE (1902) modelliert wurde; außerdem wird ihm von einer Frau ein rarer französischer Science-Fiction-Roman zugespielt, der kurz darauf wie vom Erdboden verschluckt ist. Schließlich materialisiert sich der griechische Professor in Cozzis Lädchen – und hat keine guten Neuigkeiten in petto: Eine weltweite, ach was, gar interstellare Verschwörung will Pierpoljakos auf der Schliche sein, die die gesamte Menschheit ins Verderben reißen wird, wenn man ihr nicht einen Riegel vorschiebt – und Luigi Cozzi ist der Einzige, der dem Professor dabei helfen kann, den düsteren Mächten, hinter denen niemand Geringeres als der unsterblich gewordene Le Prince steckt, das Handwerk zu legen! Für Cozzi beginnen turbulente Zeiten, denn das Abenteuer, in das er so unverhofft gestolpert ist, führt ihn nicht nur in die Privatbibliothek von Mario Bava und in jahrhundertealte Geheimnisse von Paris, sondern zudem in die eine oder andere Parallelrealität, in eine magische Rakete, die ihn quer durchs Weltenall und quer durch die Science-Fiction-Filmgeschichte katapultiert, und an den Vorabend der Apokalypse, die droht, über der Erde hereinzubrechen.
Gewissermaßen stellt BLOOD ON MÉLIÉS‘ MOON die filmische Adaption des „Profondo-Rosso“-Shops selbst dar. Wer von euch schon mal dort gewesen ist, wird wissen, was ich meine: Ein paar Bücher, viele von Cozzi selbst verfasst; schrankweise DVDs; Halloween-Monstermasken aus Gummi; Kühlschrankbuttons mit Motiven aus Argento-Filmen; Plastikskelette, die von der Decke baumeln – es ist diese ganz bewusst Phänomene wie Trash, Camp und das Karnevaleske umarmende Rummelplatz-Atmosphäre, die auch BLOOD ON MÉLIÈS‘ MOON im Innersten beseelt – und auch wenn der Film gerade wegen seiner erwähnten monumentalen Laufzeit dramaturgisch nicht immer eine runde Sache bildet, so gibt es doch zu viele Szenen, die mich in ihrer offensiven Naivität, in ihrem schalkhaften Witz, in ihrem Referenzreichtum zutiefst verzückt haben, dass ich den Film nicht hätte ins Herz schließen können. Zu den Highlights zählen: Eine giallo-esque Sequenz, in der Barbara Magnofli von einer Puppe, die den Killer aus Bavas SEI DONNE PER L’ASSASSINO (1964) darstellt, in den Katakomben des Horrorshops gemeuchelt wird; Cozzis (Traum-)Reise in einer herrlich billig animierten Rakete, einer von vielen haarsträubenden CGI-Effekten; eine Diskussion darüber, dass Cozzi diverse Vulkanausbrüche in seinem Neo-Peplum HERCULES (1983) anderen Filmen entlehnt hat, die in der fast schon philosophischen Frage gipfelt, ob denn Cozzi sich diese Bilder ausgesucht habe, oder ob die Bilder sich nicht ihn ausgesucht haben könnten. Am schönsten jedoch ist es, zu sehen, wie humorvolle Cozzi mit dem eigenen Image spielt. Namentlich sind es zwei Sequenzen, die mich vor Lachen beinahe von der Matratze hätten kullern lassen: Zum einen die, in der Cozzi seine eigene Ehefrau erschreckt, indem er in einem Ganzkörperteufelskostüm durch die Wohnung stiefelt, worauf er, als sie ihn zurechtweist, ihn einen Idioten nennt, ihn bittet, doch endlich ins Bett zu gehen, vor sich hin murmelt, dass niemand ihn verstehen könne; zum andern die, in der er nachts aus einem Alptraum hochschreckt, in dem ein Kritiker ihn als „italienischen Ed Wood“ diffamiert hat, und er seine schlafende Gattin wachrüttelt, um ihr mitzuteilen, dass das ja per se nichts Schlechtes heißen müsse, denn hat nicht Tim Burton über den echten Ed Wood einen Film gedreht, und wenn er die italienische Ausgabe davon sei, würde das doch bedeuten, dass auch sein eigenes Leben einmal verfilmt werden würde, oder? Wem das noch nicht reicht, der bekommt im Finale eine Szene geboten, die nun wirklich alles sprengt, von dem ich mir hätte vorstellen können, dass es in diesem Film zu sehen sein wird – denn, im Ernst: was macht die Vorstellung mit euch, Luigi Cozzi mit einer Dreadlock-Perücke zu sehen, wie er in seinem Shop zu einem italienischen Rapsong herumhüpft?
Klar sollte bis hierhin sein: BLOOD ON MÉLIÈS‘ MOON nimmt sich selbst am wenigsten ernst, wirkt wie die Spielweise eines Regisseurs, der sich und der Welt nichts mehr beweisen muss, der stattdessen gerade den Spaß seines Lebens hat – und auch wenn er mich zuweilen an die Abschiedswerke von Jean Rollin erinnert hat, wie den kurz vor seinem Tod 2010 gedrehten LE MASQUE DE LA MÉDUSE, so ist der Modus bei Cozzi dann doch ein ganz anderer, wesentlich weniger wehmütig, vielmehr leichtfüßig, unbeschwert, im besten Sinne infantil. Mir zumindest hat dieser Film ein breites Lächeln aufs Gesicht gezaubert – trotz (oder gerade weil!) er in kaum einem Aspekt dem entspricht, was sich das Gros der Menschheit gemeinhin unter einem „guten Film“ vorstellt.
- Salvatore Baccaro
- Beiträge: 3069
- Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10
Re: Blood on Méliès' Moon - Luigi Cozzi (2016)
Heute war es dann endlich so weit: Der Meister höchstselbst hatte sich die Zeit für eine Live-Schalte in den Profondo-Rosso-Shop in Rom genommen, und tatsächlich kostbare eineinhalb Stunden Lebenszeit darauf verwendet, mir Rede und Antwort für einen Katalog an Fragen zu stehen, die hauptsächlich um seinen Debüt-Experimentalfilm IL TUNNEL SOTTO IL MONDO kreisten, um den Konnex von Avantgarde und Genre spezifisch im italienischen Filmdiskurs, um Spurenelemente von Avantgarde-Poetiken in vermeintlichem Trash wie PAGANINI HORROR. Cozzi ist ein wahrlich netter Mensch, dem man die Liebe fürs Kino jede Sekunde anmerkt, der dabei vollkommen bodenständig wirkt und, ist er erst einmal in Fahrt gekommen, kaum noch zu bremsen ist, was interessante Plaudereien betrifft. Besonders witzig fand ich die Bemerkung, dass er, nachdem er den Großteil seiner Karriere mit Erwachsenen gedreht habe, und nachdem er 2018 in I PICCOLI MAGHI DI OZ erstmals fast ausschließlich mit Kindern arbeitete, es nunmehr an der Zeit sein, einen Film komplett mit Tieren zu inszenieren: Man darf gespannt sein!
Re: Blood on Méliès' Moon - Luigi Cozzi (2016)
Salvatore Baccaro hat geschrieben: ↑Mi 21. Aug 2024, 22:30 Heute war es dann endlich so weit: Der Meister höchstselbst hatte sich die Zeit für eine Live-Schalte in den Profondo-Rosso-Shop in Rom genommen, und tatsächlich kostbare eineinhalb Stunden Lebenszeit darauf verwendet, mir Rede und Antwort für einen Katalog an Fragen zu stehen, die hauptsächlich um seinen Debüt-Experimentalfilm IL TUNNEL SOTTO IL MONDO kreisten, um den Konnex von Avantgarde und Genre spezifisch im italienischen Filmdiskurs, um Spurenelemente von Avantgarde-Poetiken in vermeintlichem Trash wie PAGANINI HORROR. Cozzi ist ein wahrlich netter Mensch, dem man die Liebe fürs Kino jede Sekunde anmerkt, der dabei vollkommen bodenständig wirkt und, ist er erst einmal in Fahrt gekommen, kaum noch zu bremsen ist, was interessante Plaudereien betrifft. Besonders witzig fand ich die Bemerkung, dass er, nachdem er den Großteil seiner Karriere mit Erwachsenen gedreht habe, und nachdem er 2018 in I PICCOLI MAGHI DI OZ erstmals fast ausschließlich mit Kindern arbeitete, es nunmehr an der Zeit sein, einen Film komplett mit Tieren zu inszenieren: Man darf gespannt sein!
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