Karl or Karla goes to Cinema

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Moderator: jogiwan

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karlAbundzu
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

Beitrag von karlAbundzu »

Am zweiten Tag kam ich nicht so recht in Festivallaune, und das Programm sprang mich auch nicht mit unverzichtbarem an, liegt wohl auch daran, dass ich in der wohl spannendsten Sichtungsgruppe war. Doch Abends wollte ich gerne einen Film sehen, der auch ncoh von Arkschi angesagt wurde, und bei dem der Regisseur zu Gast war.
20.3.25, 20 Uhr, Cinema Ostertor
Horror Story (2024)
OmenglU
R: Adrian Apanel, D: Jakub Zając, Konrad Eleryk, Michalina Olszańska; M: Tymon Tymanski

Nach seinem Abschluss in BWL zieht ein junger Mann in eine günstige Wohnung und begibt sich auf die Arbeitssuche. Das schräge Haus ist bewohnt mit ebensolchen Bewohnern, doch der wahre Horror ist die Bewerbersituation.
Schöne Komödie mit starken satirischen Inhalten. Besonders loben möchte ich das Ensemble: wirklich sehr gut besetzt, und natürlich auch gut geführt. Und die Figuren wirkten alle echt und wurden liebevoll gezeichnet. Jedenfalls die Hausbewohner. Bei den Vorstellungsgesprächen begeben wir uns eher ins Satirische und da sind die Anzugträger halt die unangenehmen, die allerdings auch in eine strange Situation gezwungen werden.
Das macht wirklich Spaß zu zu gucken. Insgesamt hätte ich mir das ganze (bei dem Titel) doch ein weniger an der Grenze, weirder gewünscht, vielleicht auch mit etwas unsicheren Böden. So bleibt alles im Rahmen einer zwar schönen, doch recht normalen Komödie.
Hervorzuheben ist noch die Musik: jazzige Soundtrackklänge.
Kurzes, aber informatives Interview nachher vom Arkschi mit dem Regisseur, danke dafür.

Dann flugs ins Bett, morgen sollte mehr passieren.

Denn da ging es erst Mal um 16 Uhr in ein Panel mit Fahrah Bouamar, einer jungen Berliner Filmemacherin, die, zusammen mit einer Freundin, mit einem spannenden Konzept eine kleine Produktionsfirma für Horrorfilme aufgemacht hat, und Jörg Buttgereit. Thema waren Genderstandpunkte im Horrorfilm. Moderiert von Jenni Zylka.
Das Thema wurde interessant aufgearbeitet, natürlich auch immer wieder abgeschwiffen, das Publikum gut mit eingebunden. Jenni Zylka beging ein paar filmhistorische Lapsi, was mich wunderte, kenne ich sie doch als gut informierte Journalistin. Nun gut.
Danach war ausgiebig Zeit, um in kleiner Runde eine große Pizza zu futtern und sich gemeinsam zu Weird Xperience beim Filmfest auf zumachen. Da zeigten wir:
21.3.25, 21 Uhr, Atlantis
The Eggregore's Theory (2024)
OmenglU
R: Andrea Gatopoulos, D: Andrea Gatopoulos, David Rumsey; M: Giorgio Labagnara
Ein Wort löst eine Epidemie aus, die Menschen versuchen sich zu schützen, eine Frau verläßt ihren Mann, um ihn nicht weh zu tun. Die Regierung verbietet Wörter und erfindet eine neue Sprache.
Viele verstörende Einzelbilder mit einem Voice Over. Experimenteller Kurzfilm, 15 Min. Und wirklich intensiv. Dockt nicht nur offensichtlich an die Covid-Zeit an, sondern auch an viele aktuelle politische Themen.
Empfehlung

Danach als Hauptfilm.
Invention (2024)
R: Courtney Stephens, D: Callie Hernandez, Sahm McGlynn, Lucy Kaminsky, Tony Torn; M: Sarah Davachi
Eine junge Frau erbt von ihrem Vater ein Häuschen und ein Patent. Sie macht sich auf die Suche nach Bekannten ihres Vaters, um auf die Hintergründe der Erfindung zu kommen.
Hauptdarstellerin und Drehbuchautorin Callie Hernandez erzählt auch ein wenig die Story ihres eigenen Vaters und nutzt dazu Aufnahmen aus seinem Archiv: Dieser war tatsächlich mit Heilmaschinen und esoterischen Tipps unterwegs, im eigenen Verkaufskanal und im Frühstücksfernsehen. Aber es ist kein biographischer Film. Callie besucht verschiedene Personen, die mit ihrem Vater zu tun hatten. Oder hält sich in seinem Haus auf, das irgendwie merkwürdig aufgebaut ist. Vieles wirkt zufällig, die Bilder wie die Situationen leicht verschwommen.
Für mich war das die dritte Sichtung, und der Film gewinnt, die Story zieht ein immer mehr hinein.
Empfehlung.
Danach noch Manöverkritik mit konstruktiver Kritik von Anwesenden und den Gast durch die nächtliche Innenstadt zum Hotel gebracht.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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karlAbundzu
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

Beitrag von karlAbundzu »

Dann sind wir ja schon beim Samstag angekommen. Da gab es für mich zu Beginn den Oscar-prämierten Animationsfilm
22.3.25, 15 Uhr, City46, großer Saal
Flow (2024)
R: Gints Zilbalodis; M: Rihards Zalupe
Eine Katze lebt in einer von Menschen verlassenen Welt. Eines Tages kommt schnell die Flut, sie rettet sich auf ein Boot, das sie sich aber bald mit einem Wasserschwein, einem Lemuren, einem Hund und einem Sekretär teilen muss.
Ein Film, der ohne menschliche Sprache auskommt, die Tiere machen ihre entsprechenden Geräusche. Das und auch das Verhalten der Tiere wirkt zu Beginn so, als ob man möglichst vermeiden wollte, die Tiere zu vermenschlichen, doch das wird nicht konsequent durchgehalten, sondern nach und nach nehmen sie immer mehr menschliche Eigenschaften an.
Die Animation ist sehr spannend: während die Hintergründe detailreich sind, die Bewegungen alle sehr fliessend und abwechslungsreich, sind die Hauptcharaktere, die Tiere ein wenig flächig und ohne einige Details, fast wie in einem älteren PC-Spiel. Das gibt einem interessanten Bruch.
Insgesamt ist mir das dann doch zu süßlich, gerade das Ende. Und der biblische Pathos ein wenig doll, aber wahrscheinlich sind da sehr viel Jüngere das Zielpublikum, und der Katze bin ich gern gefolgt und habe mit ihr mitgelitten. Insofern ok für mich.

Statt dann zu dem einen oder anderen Screening zu rennen, beschloss ich, zu Hause zu kaffeetisieren und auszuspannen. In einer anderen Stadt hätte ich wohl so einiges noch mitgenommen, aber ich wohne für das Bremer Filmfest einfach zu günstig. Zu den Kinos und allen anderen Orten ist es sehr nah. So wurden Hausarbeiten gemcht und gechillt, mit der Liebsten gekocht und gegessen, bis es wieder zum Kino ging:

21:30, City 46, kleiner Saal
Somnium (2024)
R: Racheal Cain, D: Chloë Levine, Will Peltz, Peter Vack; M: Peter Ricq
Eine junge Frau aus der Kleinstadt kommt nach LA, um Schauspielerin zu werden. Das klappt nicht gleich so recht und so nimmt sie einen Job in einer Schlafklinik an. Doch da passieren merkwürdige Dinge.
Der Film macht vieles richtig: Tolle Hauptdarstellerin, super look, insgesamt angelehnt an Neo Noir und sogar Neo Giallo, interessante Nebencharaktere, wie der ältere Mann, der sie auf der Strasse "entdeckt", dann aber eben ganz anders ist, wie sonst in den Klischees (Ihr merkt schon an der Handlung, die ja bereits als Klischee beginnt, das sich da viel an den Hollywoodklischees abgearbeitet wird), und sich zu einem Lynch-Charakter entwickelt,gute Musik. Auch der Horroranteil ist sparsam eingesetzt, aber erschrecklich. Doch gegen Ende hin wird leider das Buch ein wenig schwach, bzw. wäre es für mich schöner gewesen, sich mehr zu trauen.
Trotzdem gute Zeit im Kino.
Zeit für ein Abschlussbier mit Arkschi war zum Glück noch, so sparten wir uns die Filmfestparty und plauderten in die Nacht.

Dann kam schon der letzte Tag, um 10 war gemeinsames Frühstück mit Kaffee, Brötchen, Sekt vor der Preisverleihung um 11 angekündigt. Doch irgendwie klappte es mit dem Catering nicht, so gab es nur Kaffe und Donuts. Für mich soweit ok, da ich eh nicht so lange aufs Frühstück warten könnte. Und wichtiger war das Treffen mit anderen Leuten aus der Filmfestcrew und Filmemachern. Angenehm.
Dann gab es die Preisverleihungen, ich glaube 15 gab es. Schöne Überraschung: Der von uns präsentierte Invention gewann in der Kategorie: Beste narrative Innovation. Da gewinnt man ja ein bißchen mit.
Dann kam doch noch Catering, es wurde unterbrochen, was für mich hieß, wenn ich doch noch ein paar Filme sehen will, dann müssen wir uns um 13 Uhr raus schleichen, was gelang. So landeten wir
23.3.25, 13:30 Uhr, Schauburg, großes Haus
The Spin (2024)
OmenglU
R: Michael Head, D: Owen Colgan, Brennock O'Connor, Tara Lynn O'Neill, Leah O'Rourke, Kimberly Wyatt, Maura Higgins, Barry Devlin; M: Mark McCausland

In Irland spielende Komödie. Oder ein Bromance Roadmovie. Zwei Plattenladenbesitzer, die schenll Geld brauchen und von einer Plattensammlung, die 10tausende Wert ist lesen, die sie für 30 Pfund haben können. Der eine hat Probleme mit Ex Frau und Familie, der andere wäre gerne professioneller Singer Songwriter.
Herzerwärmend, die beiden sind unterwegs, naiv, entscheiden sich immer wieder falsch, und doch landen sie irgendwie auf den Füßen. Klar, nichts neues, aber hier stimmt die Chemie zwischen den beiden Darstellern und man wünscht ihnen nur Gutes. Schöne Zeit.
Die Musik stamm vom Drehbuchautoren Mark McCausland, schöner Singer Songwriter – Kram, manchmal mit der Unterstützung des von mir geschätzten Howe Gelb.
Zum Interview war noch ein executive producer da, der hübsche Anekdoten erzählte. Unter anderen sind McCausland, tatsächlich ehemaliger Plattenladenbesitzer viele Sachen selbst passiert: Das ständig Leute reinkamen und dachten, sein Laden wäre ein Tierarzt oder ein Elektro-Reparierladen.

Dann das schöne Wetter genießen, um um 18 Uhr zum Come Together ins Institute francaise, alles in Laufweite. Wieder nette Menschen getroffen, die Institutsleiterin gab mir noch eine Privatführung durchs Haus (inklusive eigenem Kino), bis ich dann los mußte, um mit Arkschi das zweite Screening von THE EGGREGORE'S THEORY und INVENTION zu machen. Schnell ging es nach der Einführung zum Hauptfilm, die uns viel runder gelang, zum Gewinnerfilm Komödie.

21 Uhr, Schauburg, kleines Haus
Another German Tank Story (2024)
OmenglU
R: Jannis Alexander Kiefer, D: Meike Droste, Monika Lennartz, Roland Bonjour, Johannes Scheidweiler, Alexander Klaus-Maria Schuster; M: Fabian Zeidler
Melancholische Komödie mit tragischem Anteil. Eine amerikanische Filmcrew kommt in das Dorf Wiesenwalde, und viele denken, dass jetzt was abgehen muss. Auch die junge Bürgermeisterin freut sich, bis sie tagelang auf einen Panzer aufpassen muss.
Schöne Komödie, prominent besetzt mit Meike Droste und Gisa Flake. Und wirklich feinen Production Values für einen Abschlussfilm.
Man folgt verschachtelt den verschiedenen Stories der einzelnen Bewohner, besonders gerührt hat mich Rosis Geschichte, eine alte Frau, die es eigentlich nur noch ordentlich zu Ende bringen will. Da hätte ich noch länger zugucken können, weil auch hier die Charaktere ernst genommen und liebevoll gezeichnet werden.
Danach wurde noch mit Blick auf's Viertel noch das Wochenende mit Arkschi Revue passieren lassen.
Inzwischen ein schönes Festival. Klar, wenn man damit zu tun hat, freut man sich über Treffen mit Leuten, die man im Umfeld kennengelernt hat. Aber die Stimmung war überall gut und unaufgeregt.
Pannen gibt es immer, nicht schlimm, und ich persönlich würde mir mehr Langfilme und ein strukturierteres Programm wünschen.
Bei den Filmen thematisch war oft der Tod anwesend. Egal ob Komödie, Thriller oder Dokumentation. Vielleicht eine Covid-Nachwirkung.
Auf jeden Fall freue ich mich auf das nächste Mal, Termin steht schon.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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