Wicked City - Yoshiaki Kawajiri (1987)

Moderator: jogiwan

Antworten
Benutzeravatar
Maulwurf
Beiträge: 3648
Registriert: Mo 12. Okt 2020, 18:11
Wohnort: Im finsteren Tal

Wicked City - Yoshiaki Kawajiri (1987)

Beitrag von Maulwurf »

 
Wicked City
Yôjû toshi
Japan 1987
Regie: Yoshiaki Kawajiri
Sprecher: Bin Shimada, Ichirô Nagai, Ikuya Sawaki, Kôji Totani, Naoko Watanabe, Takeshi Aono, Toshiko Fujita


Wicked City.jpg
Wicked City.jpg (116.92 KiB) 116 mal betrachtet
OFDB

Eines vorab: Ich habe in meinem Leben noch nie! einen Anime-Film gesehen! Doch, einen, Ende der 90er-Jahre, und der hatte mich nicht sonderlich angesprochen. Nach 25 Jahren also ein neuer Versuch. Man möge mir meine Ungelenkheit beim Beschreiben dieses Filmes verzeihen, für mich ist das Neuland …

Die Welten der Dämonen und der Menschen leben seit Jahrhunderten nebeneinander her, aber jetzt läuft der Waffenstillstand aus. Aus Italien kommt der Dämonenpriester Mayart nach Tokio, um diesen Vertrag zu unterzeichnen, und der menschliche Leibwächter der Finsternis Taki soll Mayart beschützen, denn eine radikale Gruppe der Dämonen will, dass dieser Waffenstillstand nicht mehr verlängert wird. Weil dieser Vertrag aber im beiderseitigen Interesse ist, und weil offensichtlich jemand von der Gegenseite die Verlängerung mit allen Mitteln verhindern will, bekommt Taki einen Partner zur Seite gestellt: Die extrem attraktive dämonische Leibwächterin der Finsternis Makie. Und Mayart? Erweist sich als sexgeile Nervensäge irgendwo zwischen E.T. und Yoda mit einer gehörigen Portion Mr. KARATE KID Miyagi, dessen einziger Wunsch ist, in einer Seifenmassage die höchste Erleuchtung zu finden …

Und welche Erleuchtungen habe ich in diesem Film mittels pop-kultureller Zitate nicht alles gefunden. Film Noir. John Woo. Phillippe Caza. Moebius. Hana to hebi. Superheldencomics. Richard Corben. Und an einer Stelle war sogar Fellinis TOBY DAMMIT als wunderbare kleine Hommage zu entdecken. Dann ist da noch eine weibliche Spinne, aus deren Vulva das klebrige Sekret schießt welches die Opfer einfängt. Eine Masseuse, deren Brüste, wenn sie den Mann umfangen, zu schwabbeligem Gallert werden, das den Mann in sich aufnimmt und ihm das Leben aussaugt (und so ganz nebenbei einen Parasiten einpflanzt). Eine Killerin, die ihre manikürten Fingernägel zu tödlichen Klingen ausfahren kann. Eine verführerisch schöne Frau, deren Vagina nach dem Akt urplötzlich Zähne offenbart, und die sich später an ihrem aus dem Geschlechtsteil schießenden Kleb sogar abseilen kann, selbstverständlich nur mit breit gespreizten Beinen. Eine stundenlange Vergewaltigung einer jungen Frau durch Dämonen. Ääh, ich glaube das reicht erstmal …

Sex in allen seinen dunklen Schattierungen ist tatsächlich eines der Hauptthemen von WICKED CITY, und auch wenn primäre Geschlechtsteile nie gezeigt werden, so schrammt der Film doch öfters einmal an der Grenze zur Pornographie entlang. Dies vor allem dann, wenn Gewalt ins Spiel kommt. Sex ist fast immer das Mittel zum Zweck, etwa um jemanden erpressen oder zu töten, ganz zu schweigen davon, eine Person „nur“ quälen zu können. Dabei spielt sich vieles auch im Kopf des Zuschauers ab, und gleichzeitig beschränkt sich der Film bei weitem nicht auf eine Nummernrevue von Sex und Gewalt. Im Gegenteil ist WICKED CITY im Ton erstaunlich ruhig gehalten und überzeugt vor allem durch seine ausgeglichene Struktur. Für die vielen Actionszenen auf der einen Seite hat es andererseits auch viele Szenen, in denen wir die Gedankenwelt der Protagonisten erkunden können, und gerade der Liebesgeschichte zwischen Makie und Taki wird auf ordentlichem erzählerischem Niveau viel Raum gegeben. Diese Szenen sind dann atmosphärisch oft sehr gelungen, in schwarzen, blauen und roten Farbtönen gehalten und mit wundervollen Lichteffekten wie magisch beleuchtet.

Da ich persönlich mit dem klassischen amerikanischen Zeichentrickfilm groß geworden bin, ist mir die Zeichentechnik meist zu starr, und fehlt mir oft die Dynamik der sich bewegenden Figuren. Aber ich muss konstatieren, dass die Geschichte mit ihrem hohen Tempo diese Starre schnell vergessen macht. Zudem sind die Figuren sehr eindringlich gearbeitet, und auch ein unbedarfter Zuschauer wie ich hat keine Probleme, die Charaktere als Figuren aus Fleisch und Blut zu erkennen (OK, bei Dämonenfrauen mag dieser Ausdruck politisch vielleicht nicht ganz korrekt sein …). WICKED CITY erweist sich somit als ein wilder Ritt in eine Landschaft, die ich persönlich so noch nicht gekannt habe, und die auf eine seltsame und unbestimmte Art recht anziehend war. Gezeichnetes Exploitation-Kino, das die Grenzen der Fantasie erweitert und mit düsterem und hartem Sex garniert. Spannend!

6/10
Der Sieg des Kapitalismus ist die endgültige Niederlage des Lebens.
(Bert Rebhandl)
Benutzeravatar
Arkadin
Beiträge: 11393
Registriert: Do 15. Apr 2010, 21:31
Wohnort: Bremen
Kontaktdaten:

Re: Wicked City - Yoshiaki Kawajiri (1987)

Beitrag von Arkadin »

Deckt sich in etwa mit dem, was ich neulich schrieb:

Mal wieder ein Anime. Das war vor ungefähr 30 Jahren einer der ersten, die ich sah. Hatte mich damals fasziniert. Da ich zuvor nur "Akira" und vor allem "Legend of the Over-Fiend" gesehen hatte, kam der mir damals angenehm straight erzählt vor. Was ich komplett vergessen hatte war, dass der doch sexuell durchaus explizit ist und die Freigabe ab 18 absolut nachvollziehbar. Bei einigen Szenen hatte ich Angstschweiß auf der Stirn, dass jetzt die Kinder reinkommen. Stichwort Tentakel-Vergewaltigung. Nach den Ghibli-Filmen der letzten Zeit war das doch ein ganz anderer Schnack. Einiges wirkt heute etwas preisgünstig und statisch, die Faszination ist aber immer noch da. Das rauscht auch schnell und gut durch.
Früher war mehr Lametta
***************************************************************************************
Filmforum Bremen
Weird Xperience
Benutzeravatar
Maulwurf
Beiträge: 3648
Registriert: Mo 12. Okt 2020, 18:11
Wohnort: Im finsteren Tal

Re: Wicked City - Yoshiaki Kawajiri (1987)

Beitrag von Maulwurf »

Arkadin hat geschrieben: Di 24. Jun 2025, 09:59 Bei einigen Szenen hatte ich Angstschweiß auf der Stirn, dass jetzt die Kinder reinkommen.
Wenn meine Frau wüsste was ich so manchmal schaue ... :palm: :palm: :palm:
Der Sieg des Kapitalismus ist die endgültige Niederlage des Lebens.
(Bert Rebhandl)
Antworten