Originaltitel: 100.000 dollari per Ringo
Regie: Alberto De Martino
Kamera: Federico G. Larraya
Musik: Bruno Nicolai
Drehbuch: Alfonso Balcázar, Alberto De Martino, Vincenzo Mannino, Giovanni Simonelli, Guido Zurli
Darsteller: Richard Harrison, Fernando Sancho, Luis Induni, Massimo Serato, Gérard Tichy, Eleonora Bianchi, Loris Loddi, Guido Lollobrigida, Mónica Randall, Michel Montfort, Francisco Sanz, Tomás Torres, Rafael Albaicín, César Ojinaga, Frank Oliveras, Pedro Rodríguez de Quevedo, Fernando Rubio, Víctor Vilanova
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Ganz Rainbow Valley kuscht vor Tom Sherry, einem rücksichtslosen Machtmenschen, der eine Frau tötete und den Mord den Indianern in die Mokassins schob, um sie (die Indianer) aus ihrem Gebiet, für das sich Sherry ein Nutzungsrecht ergaunern konnte, zu vertreiben. Etwa sieben Jahre nach dieser Tat taucht ein Unbekannter in Rainbow Valley auf, dem Sherrys Leute prompt mit Verachtung entgegentreten, denn sie halten den Fremden für den verschollenen Ehemann, der einst von Sherry getöteten Frau. Ist Ward Cluster tatsächlich zurückgekehrt?
Für den Regisseur, Alberto De Martino, und seinem Hauptdarsteller, Richard Harrison, die bereits während der Peplum-Phase zusammenarbeiteten und Klassiker wie „Der unbesiegbare Gladiator“ sowie „Die sieben Gladiatoren“ gemeinsam aus dem Taufbecken hoben, ist „100.000 Dollar für Ringo“ ihre jeweils erste Westernarbeit. Dieser ausschließlich in Spanien fotografierte Western liefert (lt. De Martino) die Vorgeschichte zu George Stevens' „Mein großer Freund Shane", was der Regisseur mit dem kleinen Jungen (Shane), den alle für Ringos Sohn halten, begründet.
Stevens Western handelt von einem Fremden, der einen Mikrokosmos betritt, in dem der Rinderbaron, Rufus Ryker, und seine Schergen die ansässigen Farmer terrorisieren, um diese von ihrem Land zu vertreiben. Shane freundet sich mit einer der Farmerfamilien, den Starretts, an, tötet die Bösen und verlässt anschließend (ebenso einsam wie er in den Mikrokosmos eingetreten ist) das Schlachtfeld.
Dieser 1957 inszenierte Westernklassiker propagiert die eindeutige Aussage, dass Shane nicht seinen, sondern den Kampf der anderen, den der Familie Starrett, gefochten hat. Er hat sich aufgeopfert und das Schicksal der Farmer in die Hand genommen, und zwar ohne sie (die Farmer) zu animieren, ihre Hände mit Blut zu beflecken. Schlussendlich ist es auch nicht der Sieg, der den Helden adelt, sondern seine Opferbereitschaft sowie die Wunden die er davonträgt. Er, der selbstlose Fremde, hat jenes Böse, das die Zivilisierung mit sich brachte, vorerst ausgelöscht und reitet, so hat es den Anschein, zurück in die Wildnis, um sich dort, wo die Eroberung ihren Ursprung nahm, einen friedlichen Platz zum Sterben zu suchen.
Die(se) Eindeutigkeit, mit der George Stevens seinen Westerner ausweist, lässt sich nicht aus De Martinos Ringofigur lesen, denn ob Ringo tatsächlich Shanes Vater und somit der von ihm gefochtene Kampf sein eigener ist, bleibt auch über das Filmende hinaus in der Schwebe, da dem Zuschauer keine eindeutige Aufhellung dieses Geheimnisses feilgeboten wird.
Ungeachtet Ringos Motivation für den umrissenen Kampf, erweist sich die Verbindung zwischen Ringo und dem kleinen Jungen, Shane, als ein bedeutender Handlungsindikator, der den Film mit tragischen (Ringos egozentrischer Zwiespalt, der ihn zwischen Verantwortung und finanzieller Bereicherung schwingen lässt) und einhergehenden melodramatischen (der aus umrissenen Zwiespalt entstehende Konflikt zwischen den genannten Personen) Färbungen versorgt. Um Missdeutungen vorzubeugen möchte ich erwähnen, dass die Zusammensetzung erwähnter Färbungen sowie die Charakterzeichnungen (Ringo/Shane) nicht die benötigten Zutaten besitzen, um die Fassade mit dem Anstrich eines Generationskonflikts zu versehen, wie es beispielsweise bei Hawks' „Red River“ der Fall ist.
Simultan zu den opening credits und unserem zeitgleichen Eintritt in De Martinos Westernvehikel, gewährt uns der Regisseur einen expliziten Einblick in seine Baupläne und versorgt uns mit zahlreichen Infos, welche innert der folgenden Geschichte und deren begleitenden Retardierungen eine leitende Position bekleiden. Der Einritt des Antihelden, wird demzufolge erst anschließend eingespielt, also an die beschriebene Konstruktion montiert, sodass die Expositionsgestaltung vom stereotypen Schema abweicht.
Das, die skizzierte Expositionsphase begleitende, zügige Chargieren zwischen den set pieces bleibt dem Film (allerdings mit gedrosseltem Tempo, womit ich freilich nicht das Handlungstempo anspreche, sondern das der Montage) über die gesamte Spielzeit erhalten. Einfacher gesagt: es ist immer was los, im „Staate“ Rainbow Valley, da De Martino seine Charaktere und ihre - egal ob aus einer finanziellen oder zwischenmenschlichen Motivation heraus geboren - Bereicherungsabsichten in gleichen Maßen fokussiert. Somit erhalten nebst der Jagd nach Dollars und zahlreichen Schießereien auch das Vater/Sohn-Rätsel sowie die Dreiecksbeziehung (Deborah, Sherry, Guy) ausreichende Befugnisse, um innert der tonangebenden Führungsetage mitzuwalten, sodass die IW-typischen wie IW-untypischen Ingredienzien die Chance erhalten, sich gegenseitig zu befruchten.
Fazit: Schnelle Zooms, die innert wilder Schießereien in Groß- und Nahaufnahmen münden sowie die allegorische Kreuzigung des Antihelden zeugen dafür, dass sich Ringo einem boomenden Zivilisierungsprozess respektive dessen Protagonisten, die den einstigen Pioniergeist ihrer Vorfahren (die Eroberer) ablegten und die freie Stelle mit Grausamkeit, Kapitalismus und Mordlust besetzten, auf Gedeih und Verderb entgegenstellt. Denn er, der Antiheld, wird den Mikrokosmos, Rainbow Valley, vom Übel der Zivilisierung befreien, den Frieden mit den Indianern wiederherstellen und anschließend seine Erfahrungen an die Folgegeneration weitergeben, damit Shane zu dem Manne reifen kann, der schon bald den Kampf der Familie Starrett ausfechten wird.
Nicht schlecht, Herr Specht!
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