Der Alte - Die Serie ab 1976

Moderator: jogiwan

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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

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● Folge 7: KONKURS (D|1977)
mit Siegfried Lowitz, Michael Ande, Jan Hendriks
Gäste: O.E. Hasse, Dirk Galuba, Christiane Krüger, Simone Rethel, Karl-Heinz Thomas, Sky Dumont, u.a.
Eine Produktion der Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag von ZDF | ORF | SRG
Regie: Alfred Weidenmann


»Ich kann mir keine Frau mehr leisten. Jedenfalls keine wie dich!«
Der Textilfabrikant Walter Müller gesteht seiner Frau Eva, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein wird, bis er Konkurs anmelden muss. Eva beteuert, dass sie auch in dieser Situation zu ihm stehen werde, doch noch in der selben Nacht verschwindet sie spurlos. Man findet ihren Wagen an einem abgelegenen Ort und der Verdacht der Polizei bestätigt sich kurze Zeit später, als ein Erpresser 3 Millionen D-Mark Lösegeld für Eva fordert. Doch wie soll der angeschlagene Geschäftsmann diese Summe aufbringen? Er bittet schließlich seinen reichen Schwiegervater Konsul Karst um Hilfe, der die Summe auch bereit stellt, allerdings nicht, ohne ihn zu demütigen und empfindliche Bedingungen zu stellen. Obwohl die Polizei die Aktion überwacht, kommt es zu einem schrecklichen Zwischenfall...

Die siebte Folge aus der Serie "Der Alte" wurde von Routinier Alfred Weidenmann inszeniert, und es handelt sich hierbei nicht nur um solide Krimikost, sondern um eine sehr greifbare Episode aus dem Dunstkreis Mord oder Totschlag. "Konkurs" hört sich zunächst unscheinbar an und vorhersehbar. Doch auch dieser Titel offeriert nach bereits kurzer Zeit einen doppelten Boden, so dass man nicht nur anfängt, im wirtschaftlichen Sinne zu rechnen, sondern es zeigt sich des Weiteren der emotionale Bankrott eines Mannes, der sich zwischen all den selbstgefälligen Bonzen seines Umfeldes nicht behaupten kann. Zu Beginn sieht man ein einführendes Gespräch zwischen Dirk Galuba und Christiane Krüger, der Titel der siebten Episode wird unmittelbar thematisiert und man spricht über wahrscheinliche Folgen und Konsequenzen. Der Zuschauer nimmt eine eigenartige Sterilität und Kühle in den Untertönen der beiden wahr, man begreift, dass beim Thema Geld die Freundschaft oder sogar die Liebe aufhören könnte. Begleitet wird diese längere Szene übrigens von der schönen Musik Klaus Doldingers, die man als Titeltrack in der Simmel-Verfilmung "Bis zur bitteren Neige" hören konnte. Die Beratung der beiden ist also vorbei, und es besteht kein Zweifel daran, was sie ausgeheckt haben werden, allerdings kommt ein perfider Twist zutage, der den Zuschauer verstören, und der genügend Misstrauen fabrizieren wird. Man sieht sich zunächst mit einem Komplott konfrontiert, welches weniger auf blankem Kalkül basiert, als vielmehr auf ungesunder Naivität. Die Frau des angeschlagenen Textilfabrikanten wurde entführt, es liegt eine hohe Lösegeldforderung auf dem Tisch und es wird Zeit für den großen Auftritt von O.E. Hasse als Konsul Karst, der sich in eindeutiger Manier selbst charakterisieren wird.

»So ein Jammerlappen ist nun der Mann meiner Tochter!«, ist nur eine der vielen Kostproben der Torpedos, die er in Richtung seines unbequemen Schwiegersohns schickt und man weiß genau, dass es seit Jahren so gehen wird. Mehrmals, und in überaus abschätziger Art und Weise, hört man lediglich Wendungen wie »Bankrotteur«, und der gesundheitlich angeschlagene Konsul lässt es sich nicht nehmen, das zu tun, was er offensichtlich sein ganzes Leben gewöhnt war. Er delegiert, gibt Befehle, selbst in Richtung der Polizei. Nur wenn es um seine Tochter geht, formuliert er Bitten. Köster sieht sich mit einer schwierigen Situation konfrontiert, denn er muss einen Mittelweg zwischen Respekt und Verachtung finden, lässt es sich aber wie üblich auch nicht nehmen, die Dinge schonungslos beim Namen zu nennen. Folge 7 überzeugt mit einem sehr guten, minutiös angelegten Aufzeigen der polizeilichen Ermittlungen, und was bei Entführungen getan werden muss, die Arbeit wird transparent geschildert, so dass sie den Titel im Endeffekt sehr sachlich unterstreicht. Immer wieder blitzt Kösters Lust hervor, zu bluffen wo er nur kann, es scheint hier, dass er den Fall von Anfang an durchschaut hat, genau wie es der Zuschauer tut. Weidenmann baute allerdings eine perfide Wendung in den Fall, der eigentlich auf der Hand liegt, mit ein. Gute Darsteller polieren das Geschehen zusätzlich auf, Dirk Galuba ist prinzipiell der richtige Mann für zweifelhafte Charaktere, und er kreiert eine Spannung um den sonst sehr ruhigen Kriminalfall, da er hinterhältige Kämpfe ausführt. Christiane Krüger überzeugt erneut als Frau der gehobenen Gesellschaft, ihre Kühle, die manchmal emotionsresistent erscheint, macht ihre Petra Müller trotz der Kürze des Auftritts sehr interessant. O.E. Hasse, hier in seiner bereits vorletzten Rolle, wirkt bei aller Abscheu, die er zu transportieren weiß, brillant. Das Finale lässt schließlich nachdenklich zurück und unterm Strich hat man es bei "Konkurs" durchaus mit einer der stärkeren Episoden der Frühphase zu tun.
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

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CHRISTIANE KRÜGER als EVA MÜLLER

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Ein vertrauliches Gespräch unter Freunden? Das heimliche Komplott eines sich liebenden Ehepaares? Eine geschäftliche Besprechung? Alles könnte man für möglich halten, wenn man Eva Müller zum ersten Mal im Umgang mit ihrem Mann sieht. Erneut stellt sich also in Windeseile heraus, dass Christiane Krüger auch hier ihrem Namen alle Ehre macht, und sich als Darstellerin mit den vielen Gesichtern präsentiert. Sowohl vor, als auch nach dieser Episode aus der Serie "Der Alte", hat man sie unzählige Male in der Rolle der starken, selbstbewussten, aber auch zwielichtigen Frau gesehen, doch hier zeigen sich sehr auffällig gewisse Veränderungen. Eva Müller ist ganz offensichtlich eine gesellschaftliche Größe, dieser Status wurde ihr bereits mit in die Wiege gelegt. Eine Tatsache, die einen nicht gerade hart für das Erreichen seiner Ziele arbeiten lassen muss, und man so in der Lage ist, sich auf Reputation oder Vorschusslorbeeren ausruhen zu können. Eine eigenartige Naivität geht daher von dieser Person aus, die es offensichtlich gewöhnt ist, dass alles in geregelten, beziehungsweise anvisierten Bahnen verläuft. Ihr blindes Vertrauen irritiert, ihre hinnehmende und beschwichtigende Art gibt eher Rätsel auf. Sie wirkt wie ein offenes Buch, was bei Christiane Krüger mehr als exotisch wirkt.

Um keine Annehmlichkeiten entbehren zu müssen, und gleichzeitig ihren Willen durchsetzen zu können, fährt die attraktive Frau zweigleisig, denn sie bleibt die ewige Prinzessin ihres mächtigen Vaters, der es lediglich duldet, dass sie sich mit ihrem Mann ein für ihn indiskutables Spielzeug genommen hat, andererseits steht sie zu ihrem Mann, was sie zumindest behauptet. Aber es waren ja auch noch keine richtig schlechten Zeiten und Zerreißproben da. Christiane Krüger bewährt sich hier erneut als Allround-Talent, denn sie überlagert ihre übliche Stärke hier mit diversen Schwächen, die Voraussetzung für ihre Rolle und das Gelingen dieser Episode darstellen. Beinahe fassungslos sieht man dieser Dame dabei zu, wie sie sich selbst betrügt, wie sie sich außerdem selbst in Gefahr bringt, so dass sie dem Zuschauer im Endeffekt fast mitleidige Blicke abverlangt. Christiane Krüger hat wenige, dafür aber sehr gute Szenen, die sie mit der üblichen Präzision und Routine ausstattet. Leider kommt man in "Konkurs" nicht in den Genuss, dass Krüger gemeinsame Szenen mit ihrem Filmvater O.E. Hasse hat, was der Geschichte sicherlich noch einen Schuss mehr an Brisanz und Finesse gegeben hätte. Eva Müller machte in "Der Alte" also den Anfang, es sollten bis 1988 noch drei weitere Auftritte innerhalb der Serie folgen.
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

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Folge 8: LOHNGELD (D|1977)
mit Siegfried Lowitz, Michael Ande, Jan Hendriks, Henning Schlüter, Xenia Pörtner
Gäste: Sigmar Solbach, Karl Lieffen, Brigitta Furgler, Klaus Dierig, Friethjof Vierock, Horst Sachtleben, u.a.
Eine Produktion der Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag von ZDF | ORF | SRG
Regie: Dietrich Haugk


»In unserem Beruf ist fast nie was klar, ist das klar?«
Helmut Staufen, ein strebsamer junger Mann, arbeitet als Prokurist in der Baufirma Ströbel. Sein Chef hält sehr große Stücke auf ihn, denn er erledigt seine Aufgaben zuverlässig und gewissenhaft. Als eine bessere Stelle zu vergeben ist, hofft Helmut auf einen weiteren Aufstieg in der Firma, doch er kann es kaum glauben, als die Stelle extern vergeben wird, und er plötzlich einen Fremden vor sich sitzen hat, der weisungsbefugt ist. Ab diesem Zeitpunkt wendet sich das Blatt für ihn und alles scheint schief zu laufen. Auch Eva, die Tochter des Chefs, mit der er sich eine engere Beziehung erhofft hat, meidet ihn neuerdings. Als Helmut eines Tages die Lohngelder für den Betrieb abholen soll, kommt ihm eine waghalsige Idee und er inszeniert einen Überfall, der ihm ab sofort die Rolle eines Helden einbringen wird. Doch diese Rolle wird er nicht lange spielen, da die Situation einen Toten fordert...

Eine Folge von Krimi-Spezialist Dietrich Haugk verspricht in der Regel sehr interessant zu werden und es stellt sich bereits nach kurzer Zeit heraus, dass es auch in dieser achten Folge der Fall sein wird. Der Zuschauer bekommt es mit einer absolut greifbaren Episode zu tun, da die Charaktere nicht sehr weit weg zu sein scheinen und auch diverse Reaktionen und Emotionen gehören mitunter zum Tagesgeschäft, da der Schauplatz Arbeit einen großen Teil der Woche in Anspruch nimmt. Man befindet sich im Arbeitermilieu, quasi in der bürgerlichen Mitte, und es zeigt sich ein breites Spektrum an unterschiedlichen Verhaltensweisen. Kleinkriege finden statt, Frustration baut sich auf, man sieht falsche Erwartungen, hört deutliche Worte, allerdings nur von denjenigen, die sie sich erlauben können, Solidarität, Hilfe, Vertrauen, aber auch hinterhältige Aktionen, Neid und Hass, sprich, eine Liste, die sich viel weiter fortführen ließe. Begleitet wird der beinahe stumpfe Charakter dieser Folge durch eine eigenartige Orgelmusik von Hermann Thieme, die verheißungsvoll und seltsam zu gleich wirkt. Begrüßenswert ist auch das straffe Tempo des Verlaufs, auch der fast exemplarische Aufbau kann durchaus für Aufsehen sorgen. In den frühen Beiträgen von "Der Alte" hatten "Whodunit"-Effekte noch so gut wie keinen Raum zugedacht bekommen und man kann dem jeweiligen Täter dabei zusehen, wie er vorgeht, wie er strauchelt, wie er von Köster in die Falle gelockt wird. Besonders in "Lohngeld" zeigt der störrische Ermittler seine angriffslustige, sarkastische und gerne auch seine zynische Seite. Dies zeigt sich nicht nur im Umgang mit dem zweifelhaften Protagonisten, den er ganz offenkundig verabscheut oder vielleicht sogar bereits bemitleidet, sondern auch bei Verdächtigen aller Couleur, oder beispielsweise auch bei Millinger, Kösters Chef.

Herrlich ist in diesem Zusammenhang die Szene, als Millinger nach der kleinen Verletzung fragt, die Köster sich privat zugezogen hatte: »Was haben se denn mit Ihrem Finger gemacht?« Trocken und wie aus der Dienstwaffe geschossen kontert er nur: »Den hab ich durchgescheuert, als ich mein Gehalt gezählt habe!« Die im kriminalistischen Sinne interessante Person ist in Haugks Folge Sigmar Solbach, ein von Ehrgeiz und Geltungsbedürfnis zerfressener Mann, der seine Komplexe durch den diffusen Angriff zu kaschieren versucht. Er arbeitet zwar hart, aber er neigt auch dazu, nach den kleineren Sternen zu greifen. Solbach formt diesen Emporkömmling präzise und sorgt für dichte Momente, seine Kreation wirkt nach fortlaufender Zeit widerwärtig und irgendwann einfach nur noch bemitleidenswert. Das spektakuläre Aufzeigen einer unvermeidbaren Kettenreaktion macht Folge 8 zu einem sehr interessanten, und nicht minder intensiven Exkurs, in dem "Der Alte" seinem Gegenüber immer wieder unmissverständlich zu verstehen gibt, was er von ihm hält. Im Verlauf zieht er die Schlinge immer weiter zu und wartet auf Fehltritte des jungen Mannes, der in seinem Kaff trotz, oder gerade wegen seines Verbrechens gefeiert wird wie ein Held. Alle zeigen sich solidarisch, er kommt aus dem Schulterklopfen der Anderen nicht mehr heraus, junge Mädchen feiern ihn wie einen Star und wollen Autogramme, das Leben könnte ab sofort so angenehm für Helmut Staufen sein, wenn Erwin Köster nicht solch penetrante Ermittlungen durchführen, und seiner Intuition folgen würde. Der Gerechtigkeit verhilft schließlich das Drehbuch auf recht tragische Art und Weise zum Sieg, und unterm Strich kann man sagen, dass sich diese Episode der noch jungen Reihe immer wieder lohnt, da sie im Endeffekt sehr unkonventionell ausgefallen ist.
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

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● Folge 9: VERENA UND ANNABELLE (D|1977)
mit Siegfried Lowitz, Michael Ande
Gäste: Krista Keller-Di Cerami, Paul Hoffmann, Heinz Drache, Werner Pochath, Günther Tabor, Thomas Braut, u.a.
eine Produktion der Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag von ZDF | ORF | SRG
Regie: Alfred Vohrer


»Eintritt für Lebende verboten!«
Die Literaturkritikerin Verena Moldau lebt in panischer Angst, da bereits drei Mordanschläge auf sie verübt wurden. Zuerst wurde sie ins Krankenhaus eingeliefert, da sie einen vergifteten Likör getrunken hatte, wenige Tage später war ihre Dusche mit elektrischem Strom präpariert und anschließend wurde auch noch an ihrem Wagen manipuliert, so dass sie einen Unfall verursachte. Kommissar Köster untersucht diesen rätselhaften Fall ohne greifbare Ansatzpunkte und er kann das Vertrauen des potentiellen Mordopfers gewinnen. Sie berichtet ihm schließlich von ihrem schwerwiegenden Verdacht, der ihre Zwillingsschwester Annabelle belastet, doch diese ist bereits seit fast zehn Jahren untergetaucht. Da eine große Erbschaft bevorsteht und ihre Schwester sie angeblich hasst, scheint für Verena kein anderes Motiv in Frage zu kommen...

Gerade Folge 9 der noch jungen Serie ruft die unterschiedlichsten Reaktionen hervor, was zunächst daran liegen mag, dass Alfred Vohrer den Zuschauer mit einer auffälligen Unruhe und Hysterie zu provozieren versucht. Im weiteren Sinne könnte man diese Episode sogar den Giallo dieser Serie nennen, da sich diesbezüglich ungewöhnlich viele genretypische Parallelen finden lassen, wenn auch im weiteren Sinn. Vohrer setzt hier auf Verwirrung und Täuschung, und auch wenn Zufall und Realität hier mehr als unwahrscheinlich konstruiert wurden, geht eine Faszination von der Geschichte aus, die immer nur zu dem gleichen Punkt führen wird, und zwar zu der nahezu halsbrecherisch agierenden Krista Keller-Di Cerami, eine der zweifellos unbändigsten Damen der deutschen Krimi-Landschaft. Praktischerweise mit einer Doppelrolle betraut, legt sie ihr Können in einem bemerkenswert breiten Spektrum dar, das manche vielleicht ganz simpel nur Overacting nennen würden, aber bei den richtigen Antennen für Furore sorgen wird. Der Einstieg wird durch einen Mordanschlag geebnet, der in seiner Darbietung verstören wirkt. Ein unbestimmtes Gefühl zwischen Mitleid und Besorgnis, aber gleichzeitig auch Skepsis und gewolltem Sicherheitsabstand kommt beim Betrachten der halben Titelrolle auf, doch man weiß nicht genau warum. Direkt kocht eine nervöse Spannung hoch, die Folge 9 genau wie die vermiedene Struktur sehr stark prägen wird, alles scheint möglich, aber nichts wirkt wahrscheinlich. Köster, der letztlich noch jeden Fall bändigen konnte, sieht sich eigentlich nicht mit der Gefahr konfrontiert, es hier nicht auch schaffen zu können, eher gestaltet sich seine Ermittlungsarbeit als holprig, da er die Frau(en) nicht in den Griff bekommt. Nach zahlreichen unberechenbaren Kapriolen der eigentümlichen Protagonisten glaubt man als Zuschauer schließlich selbst, dass man sich lediglich in einer massiven Wahnvorstellung der stimmungslabil, und äußerst angeschlagen wirkenden Verena befindet, bis es schließlich zu einer großen Überraschung kommt.

Die Tatverdächtige taucht auf und steht plötzlich vor der Tür eines ihrer abgelegten Liebhaber, der gleichzeitig auch der ehemalige Verlobte ihrer Schwester war, alias Heinz Drache, der den Begriff abgelegt in vielerlei Hinsicht neu definieren wird. Im Gegensatz zu ihrer Schwester ist Annabelle selbstbewusst, frech bis auffordernd und direkt in ihren Kommentaren, außerdem mondän im Auftreten. Geschickt spielt sie mit der uralten Angriffsfläche Eitelkeit, und packt ihr Gegenüber in Windeseile, um postwendend an Informationen zu gelangen. Heinz Drache schimmert auch hier ganz in seinem obligatorischen Stil, Arroganz und Herablassung, die sich zuvor im Gespräch mit Köster auf dem Tenniscourt zeigten, wirken unsympathisch und auch hier ungebrochen, was es einem zusätzlich nicht gerade leicht macht, ihm den schweren Fauxpas zu verzeihen, als er als Schiedsrichter »30:30 - Einstand« gezählt hatte. In der Zwischenzeit bekommt man noch den reichen Onkel der Zwillingsschwestern vorgestellt, bei dem Verena weitere Verschwörungstheorien ausbreitet und die Irritation komplett macht. Kommissar Köster versucht zu deuten, zu ordnen, allerdings scheint es so, als jage er lediglich Schimären nach. Dass man es mit keinem normalen Fall zu tun haben kann, oder besser gesagt haben darf, wird bei "Verena & Annabelle" von der ersten Minute an geebnet. Diese erfrischende Strategie birgt selbstverständlich auch die Gefahr, dass die Episode aufgrund ihrer vollkommen konträr angelegten Strategie einfach nicht punkten kann. Alfred Vohrer war es offenbar gleich, und es bleibt ein Unikat der Serie zurück, dass für seine Verhältnisse üblich verspielt, aber gleichzeitig selbstbewusst genug wirkt, um sicher bestehen zu können. Über all dem steht jedoch die atemberaubende Krista Keller-Di Cerami in zweifacher Potenz, die mit einer von Nähe und Distanz geprägten Selbstinszenierung in die Irre leitet, die für "Der Alte" so gut wie beispiellos geblieben ist. Der kleine Giallo, oder vielmehr kleine Psycho-Thriller unter den Folgen der Lowitz-Ära wird mit den richtigen Antennen schon sehr viel Freude bereiten.
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buxtebrawler
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

Beitrag von buxtebrawler »

Die Folgen 371-385 sollen heute bei Universal Music als 5-DVD-Box erscheinen:

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Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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Canisius
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

Beitrag von Canisius »

Soeben die Eröffnungsfolge beendet, und sie hat mir sehr gur gefallen. Lowitz ist klasse, unter den Nebendarstellern überzeugen Hans Brenner, Wolfgang Reichmann, Gert Hauke, Susanne Uhlen etc. Die eingängige Musik ist von Peter Thomas, der Schauplatz ist wie bei Derrick das München (und Umland) der 70er Jahre. Einfach herrlich! :thup: Enorm hoher Wohlfühlfaktor. Ich werde dranbleiben. :nick:
Jetzt muss ich nur noch irgendwie die Zeit finden, Derrick und Der Alte parallel laufen zu lassen... :kicher:
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Canisius
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

Beitrag von Canisius »

Auch Episode 2 Jack Braun ist verdammt stark ausgefallen. :thup:
Herausragend: der jovial agierende Peter Pasetti als Promiarzt Dr. Margolis, mit dessen Mercedes ein Mann überfahren wird. Pasettis Ausstrahlung wurde mal als „Aura eines Weltmannes, hinter der es gewittert“ beschrieben. Das empfinde ich als durchaus zutreffend.
Spitzenmäßig ist dieses Mal die musikalische Untermalung ausgefallen. Erst dachte ich, dass es sich um eine instrumentale Variation von Bruce Springsteens „For you“ in der Coverversion von Manfred Mann handelt. Ist es aber nicht. Man beachte auch den raffinierten Einsatz: Das Thema verstummt, als die Täter die Tiefgarage verlassen, der perkussive Teil setzt dann aber kurz vor dem Mord als Hintergrundgeräusch wieder ein. Sehr schön!
Da die IMDb nichts ausspuckt, tippe ich auf eine Arbeit aus der Peter Thomas'schen Klangfabrik. Nähere Hinweise diesbezüglich sind ausdrücklich erwünscht. Herr Lobbykiller, übernehmen Sie! :mrgreen:
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Lobbykiller
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

Beitrag von Lobbykiller »

Canisius hat geschrieben:Spitzenmäßig ist dieses Mal die musikalische Untermalung ausgefallen. Erst dachte ich, dass es sich um eine instrumentale Variation von Bruce Springsteens „For you“ in der Coverversion von Manfred Mann handelt. Ist es aber nicht. Man beachte auch den raffinierten Einsatz: Das Thema verstummt, als die Täter die Tiefgarage verlassen, der perkussive Teil setzt dann aber kurz vor dem Mord als Hintergrundgeräusch wieder ein. Sehr schön!
Da die IMDb nichts ausspuckt, tippe ich auf eine Arbeit aus der Peter Thomas'schen Klangfabrik. Nähere Hinweise diesbezüglich sind ausdrücklich erwünscht. Herr Lobbykiller, übernehmen Sie! :mrgreen:
Meinst du dieses Klavierstück, was am Anfang läuft?
Das ist aus Supertramp - Crime Of The Century (1974)
Passage ab Minute 2:07..
Score Dust: Soundtrack Grooves, Library Funk & Rare Breaks Worldwide
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

Beitrag von Lobbykiller »

Darüberhinaus, super Folge in der Tat, JACK BROWN.
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Canisius
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Re: Der Alte - Die Serie ab 1976

Beitrag von Canisius »

Lobbykiller hat geschrieben: Meinst du dieses Klavierstück, was am Anfang läuft?
Das ist aus Supertramp - Crime Of The Century (1974)
Passage ab Minute 2:07..
Auf den Lobbykiller ist Verlass! :thup:
Genau das meinte ich. Ein grandioses Stück Musik!
Supertramp kannte ich nur vom Namen und hätte das nie zuordnen können.
Um ehrlich zu sein, bin ich kein Freund des Gesangs, der instrumentale Teil ab 2:07 ist allerdings Weltklasse. Klavier, Schlagzeug ( ich liebe diese 70er Produktionen!), die einsetzenden Streicher und sogar das Saxophon (ein Instrument, was ich weniger favorisiere. Alle Werke von Zahnfleischbluter-Murphy natürlich energisch ausgeklammert. :mrgreen:) mundet mir hier wirklich gut.
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