Salvatores Skizzen zu einer Studie der absoluten Kontingenz

Euer Filmtagebuch, Kommentare zu Filmen, Reviews

Moderator: jogiwan

Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 3069
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

Re: Salvatores Skizzen zu einer Studie der absoluten Kontingenz

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Bild

Originaltitel: Blancanieves

Produktionsland: Spanien/Frankreich 2012

Regie: Pablo Berger

Darsteller: Macarena García, Daniel Giménez Cacho, Maribel Verdú, Sofía Oria
Der 21.April 1910 ist ein schwarzer Tag für die Familie Villalta. Antonio, der gefeierte Stierkämpfer, verfehlt zum ersten Mal in seiner Karriere sein Ziel und endet schwerverletzt und mit der Diagnose, für den Rest seines Lebens querschnittsgelähmt zu sein, im Krankenhaus. Carmen, seine hochschwangere Frau, die den Unfall ihres Mannes in der mit Zuschauermassen vollgepfropften Arena hat mitansehen müssen, erleidet durch diesen Anblick einen derartigen Schock, dass sie ihr gemeinsames Kind zu früh zur Welt bringt, und in Folge dessen, nur ein Zimmer weiter von dem, in dem die Ärzte um Antonios Leben kämpfen, verstirbt. Carmencita, so heißt das unter solchen schicksalsschweren Umständen geborene Töchterchen, verbringt ihre Kindheit recht unbeschwert bei der Großmutter. Grund dafür, dass sie nicht bei ihrem verbliebenen Elternteil aufwächst, ist die Krankenschwester Encarna, die Antonio während seiner Rekonvaleszenz vorgeblich aufopferungsvoll gepflegt hat, um letztlich zur Gattin und Erbin des durch die Stierkämpferei reich gewordenen Volkshelden zu werden. Unter Encarnas Ägide ist Antonio, seelisch und körperlich gebrochen, und zudem von der Angst geplagt, der Umgang mit Carmencita würde ihm den Verlust seiner über alles geliebten Carmen permanent schmerzlich bewusst werden lassen, wie Wachs und er fügt sich jeder ihrer Anordnungen, fristet sein Dasein zurückgezogen in einer weitläufigen Villa, lässt sich nach außen hin ausnahmslos von seiner gestrengen Ehefrau vertreten. Doch dann stirbt Carmencitas Großmutter am Tage der Erstkommunion des Mädchens und unsere Heldin hat keine anderen Verwandten mehr als eben ihren Vater und ihre Stiefmutter. Die muss sie nun zähneknirschend bei sich aufnehmen, verbietet ihr aber jeden Kontakt zu Antonio, behandelt sie wie eine Magd, schneidet ihr die Haare kurz wie die eines Jungen, und lässt selbst Carmencitas einzigen Freund, einen drolligen Hahn, im Kochtopf landen. Jahre vergehen und aus Carmencita wird eine junge Frau. Was Encarna nicht ahnt: schon lange haben Antonio und seine Tochter zueinander gefunden. Heimlich treffen sie sich im zweiten Stock der Villa, wo er ihr das Stierkämpfen beibringt, ihr von ihrer Mutter erzählt, ihr die lange vermisste väterliche Liebe zukommen lässt. Doch auch diese Idylle zerbricht bald. Encarna, die längst einen Liebhaber gefunden hat, ist Antonios endgültig überdrüssig, und außerdem schielt sie auf das satte Erbe. Antonio stürzt mit dem Rollstuhl aus dem Fenster, und Carmencita soll es nicht besser ergehen, wenn Genaro, Encarnas Lover, sie zu einem Fluss lockt, um sie dort zu ertränken. Als sie nach dem Sturz ins Wasser jedoch wider Erwarten die Augen aufschlägt, findet sie sich in seltsamer Gesellschaft: Es sind sechs Kleinwüchsige, die sie vor dem Ertrinken gerettet haben, mit einem Jahr-marktwagen durch die Lande ziehen, und ihr anbieten, sie als siebtes Mitglied in ihrer Mitte aufzunehmen. Carmencita stimmt zu, findet treue Freunde in den gesellschaftlichen Außenseitern, und avanciert zudem schnell zu einer gefeierten Stierkämpferin, ähnlich wie ihr Vater. Doch als das die Stiefmutter hört, kann sie nicht anders als einen Apfel mit Gift zu präparieren, der Carmencita endgültig aus der Welt schaffen soll…

Es gibt einen Fakt, der wohl immer als Erstes genannt wird, wenn es um Pablo Bergers BLANCANIEVES geht, und deshalb will ich ihn ebenfalls nicht bis zuletzt aufsparen: Obwohl im Jahre 2012 veröffentlicht, handelt es sich um einen im wahrsten Sinne des Wortes stummen Film. Bergers Verbeugung vor dem frühen Kino reicht so weit, dass er seinem zweiten Langfilm komplett das gesprochene Wort genommen und durch Zwischentitel bzw. Texttafeln ersetzt hat. Originalton gibt es in BLANCANIEVES überhaupt nicht, stattdessen werden die Schwarzweißbilder permanent musikalisch von einem Score kommentiert, der kein Pathos scheut. Trotzdem begeht Berger nicht etwas, was möglicherweise ein Fehler wäre, weil es ihn in seinen künstlerischen Ausdrucksmitteln eingegrenzt hätte: nämlich zu versuchen, BLANCANIEVES, insofern das technisch überhaupt möglich gewesen wäre, tatsächlich eins zu eins so aussehen zu lassen wie ein Artefakt aus den 1910er oder 1920er Jahren. Zu jeder Sekunde sieht man diesem wundersamen Film zwei Dinge an: zum einen, dass Berger die Jahre, in denen die Kinematographie zahnte, laufen lernte und zum ersten Mal kleine Geschichtchen erzählte, in einer Weise umarmt, dass das Endergebnis für weniger aufgeschlossene Filmfreunde beinahe schon sperrig wirken könnte, und zum andern, dass BLANCANIEVES nichtsdestotrotz keinen Hehl daraus macht, ein Werk der 2010er Jahre, d.h. voller Großaufnahmen, Kamerafahrten, Bildkompositionen zu sein, die so niemals einhundert Jahre zuvor hätten verwirklicht werden können. Auf formaler und ästhetischer Ebene meistert BLANCANIEVES den Spagat mit Bravour zwischen Replik und Individualerzeugnis, zwischen Hommage und Eigenständigkeit, zwischen dem augenzwinkernden Aufkochen alter Ideen und modernen Innovationen.

Es gibt einen zweiten Fakt, der wohl immer als zweites genannt wird, wenn es um Pablo Bergers BLANCANIEVES geht, und deshalb will ich ihn ebenfalls bis zuletzt aufsparen: Obwohl im Spanien des Jahres 1910 angesiedelt, handelt es sich um einen im wahrsten Sinne des Wortes Märchenfilm. Bergers Spiel mit Märchen und Mythen Europas geht so weit, dass er seinen zweiten Langfilm durchgängig als Adaption des bekannten Schneewittchen-Stoffes konzipiert hat. Nahezu jede Wendung der Story und jeder Punkt des Plots lässt sich zurückführen auf die, in ihrer berühmtesten Fassung, 1812 von den Gebrüdern Grimm erstmals publizierte Geschichte von bösen Königinnen, sieben Zwerglein, vergifteten Äpfeln und gläsernen Särgen. Trotzdem begeht Berger nicht etwas, was möglicherweise ein Fehler wäre, weil es ihn in seinen künstlerischen Ausdrucksmitteln eingegrenzt hätte: nämlich zu versuchen, BLANCANIEVS, insofern das aus der Postmoderne heraus überhaupt möglich gewesen wäre, tatsächlich eins zu eins so aussehen zu lassen wie einen völlig ironiebefreiten, todernsten Neuaufguss einer Geschichte, die wohl noch immer die meisten Kinder im Schlaf nachsprechen können. Zu jeder Sekunde sieht man diesem wundersamen Film zwei Dinge an: zum einen, dass Berger die naive Welt des Märchens mit seinen vielen Zufällen, schablonenhaften Charakteren, großen Gefühlen in einer Weise umarmt, dass das Endergebnis für Filmfreunde, die ohne einen gewissen Realismus nicht auskommen, beinahe schon nervig wirken könnte, und zum andern, dass BLANCANIEVES nichtsdestotrotz keinen Hehl daraus macht, ein Werk aus einer Zeit zu sein, in der noch jeder kindliche Glaube ironisch gebrochen wird, indem man ihn der aktuellen Gegenwart angleicht, wenn böse Stiefmütter sich, statt in Zauberspiegeln, in Blitzlichter von Modephotographenkameras suhlen, und sieben Zwerge als Schausteller von Jahrmarkt zu Jahrmarkt ziehen müssen, um ihr täglich Brot zu erspielen. Auf inhaltlicher Ebene meistert BLANCANIEVES den Spagat mit Bravour zwischen wundervollen Begebenheiten und gesellschaftskritischem Biss, zwischen entrückter Zauberwelt und spanischer Alltagsrealität um 1920, zwischen dem vertrauten Hervorkramen geliebter Kindheitserinnerungen und unerwarteter Ansätze, die diese in einen völlig neuen Kontext rücken.

Es mag sein, dass ich mir BLANCANIEVES manchmal noch etwas mutiger und verrückter gewünscht hätte, und auch mag es sein, dass dem Film zwischenzeitlich einmal die Überraschungen ausgehen und sich die eine oder andere Länge einschleicht, dennoch bin ich, wie man hört, ziemlich begeistert von dieser merkwürdigen, verwunschenen Mischung aus Stummfilm, Jodorowsky-Familiengeschichten, Tod Brownings FREAKS, Stierkämpfermelodram, Märchenzauber und coming-of-age-Drama.
Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 3069
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

Re: Salvatores Skizzen zu einer Studie der absoluten Kontingenz

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Einige Anmerkungen zu Paul Naschys Horrorklassiker LATIDO DE PÁNICO

Originaltitel: Latido de Pánico

Produktionsland: Spanien 1983

Regie: Paul Naschy

Darsteller: Paul Naschy, Charly Bravo, Lola Gaos, Silvia Miró

1. Müsste ich das spanische Horrorkino der 70er Jahre so klassifizieren, dass es auf einen prägnanten, pointierten Nenner passt, würde ich als sein wichtigstes Attribut seine prinzipielle Märchenhaftigkeit anführen. Im Gegensatz zum italienischen Horrorfilm, der stärker avantgardistischen Kunstrichtungen wie vor allem dem Surrealismus verpflichtet ist und deswegen oft auf einer oder mehreren Meta-Ebenen operiert, sind die spanischen Horrorfilme etwa der gleichen Zeit wesentlich, im besten Wortsinne, naiver, kindlicher in ihrer Sicht auf die Welt, und stehen dabei knietief in Traditionen der europäischen Schauerromantik, Legenden- und Märchenstoffen, Ritter- und Räubergeschichten. Amando de Ossorio, Carlos Aured, León Klimovsky oder eben Paul Naschy bzw., wie ihn seine Mutter nannte, Jacinto Molina Álvarez haben – mit ihren, meiner Meinung nach, besten Werken – bspw. LA NOCHE DEL TERROR CIEGO (1972), EL RETORNO DE WALPURGIS (1973), LA NOCHE DE WALPURGIS (1971) oder EL RETORNO DEL HOMBRE-LOBO (1981) – stets auf Geschichten zurückgegriffen, die einem so oder so ähnlich auch gut und gerne ein- bis zweihundert Jahre früher an prasselnden Lagerfeuern von abergläubischen Dörflern hätten erzählt werden können. Wenn denn einmal die Moderne in die mythische, rustikale, animistische Phantasiewelt des spanischen Horrorkinos einbricht – und das tut sie, ganz gängig, in Form promiskuitiver Liebespärchen, weltmännischer Kerle, materialistisch orientierter Tussen -, dann nimmt es mit ihr bzw. ihren Repräsentanten selten ein gutes Ende. Vielleicht am schönsten zeigt sich die Tendenz des spanischen Gruselfilms, die durchweg romantisierte Vergangenheit mit ihren brüchigen Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, ihren unheilvollen Schlosskellern und jahrhundertealter Flüche permanent über die durchrationalisierte, vernünftelnde Gegenwart von Massenkonsum, Positivismus und Globalisierung triumphieren zu lassen, im sensationellen Finale von de Ossorios LA NOCHE DEL TERROR CIEGO: untote Tempelritter, die nach Jungfernblut lechzen, werden per Zug, in dem sie ein Massaker anrichten, in die Zivilisation gebracht, wo sie dann, das deutet das Schlussbild an, ausschwärmen, um diese mit sich selbst zu kontaminieren.

Bild
Abb.1: Was für eine wundervoll gespenstische Aufnahme! Während rechts im Vordergrund die Gebeine nicht näher definierter Menschenleichen baumeln, spielt sich im Hintergrund vor sehr grellen und sehr blauen Scheinwerfern ein mittelalterliches Ehedrama ab. Natürlich ist die untreue Gattin splitterfasernackt und natürlich ist die Öffnung im Gebüsch, durch die der eifersüchtige Rittersmann langsam auf sie zureitet, um sie zum Opfer seiner Wut zu machen, in der Form eines weiblichen Geschlechtsorgans modelliert.

2. Paul Naschy hat sich ebenfalls in seinen Filmen, ob nun als Schauspieler, als Drehbuchautor oder als Regisseur, stets darin hervorgetan, genau diese Formel zu bedienen. Seine Sympathien sind stets klar verteilt: noch jeder Protagonist, der über das vermeintlich abergläubische Geschwätz von Vampiren, Werwölfen und Hexen lacht, wird alsbald von genau jenen vernascht. LATIDOS DE PÁNICO von 1983 bildet darin zunächst keine Ausnahme. Sein Prolog entführt uns exakt in die Kunstwelt, für die ich den Horrorfilm Spaniens so sehr liebe: Eine nackte Schöne flieht vor einem bitterbösen Ritter in vollem Harnisch durch ein gespenstisches Wäldchen. Bei ihr handelt es sich um eine treulose Ehefrau, bei ihm um den gehörnten Gatten. Ausleuchtung, Kunstnebel, Kostüme, soweit vorhanden, sind nicht nur für sich gesehen superb, sondern stehen außerdem in direktem Bezug zu Naschys eigener filmischer Vergangenheit. Der garstige, natürlich von Naschy höchstselbst verkörperte Rittersmann, der seine bessere Hälfte schließlich mittels diverser mittelalterlicher Werkzeuge zu Tode bringt, heißt Alaric de Marnac, und ist dem geneigten Fan bereits aus Carlos Aureds vorzüglichem EL ESPANTO SURGE DE LA TUMBA von 1973 bekannt. Schon dort hat Naschy den Schlächter und Volksausbeuter als eigenen Gilles-de-Rais-Verschnitt etabliert, dessen gerechtfertigte Hinrichtung wir in einer Rückblende gen Mittelalter sehen dürfen, bevor er in der Gegenwart der 70er von den Toten aufsteigt und bittere Rache nehmen wird an den Nachkommen seiner einstigen Henker. LATIDOS DE PÁNICO ist also auf den ersten Blick – wie schon EL RETORNO DEL HOMBRE-LOBO, der ein Quasi-Remake von LA NOCHE DE WALPURGIS darstellte, ohne irgendein Zugeständnis an den sich wandelnden Zeitgeist – ein spanisches Schauerstück par excellence, das sich seiner Traditionslinie nicht nur vollkommen bewusst ist, sondern überdeutlich mit dieser spielt, sich in ihr verortet, sie weiterspinnt.

Bild
Abb.2: Möglicherweise eine der klügsten Dialogszenen, die Paul Naschy jemals gefilmt hat: Mit der Göre Julie und ihrer Tante Mabil sitzen sich zwei Weltanschauungen gegenüber: links die ungläubige Ironie der Gegenwart, rechts der murmelnde Aberglaube der Vergangenheit, und zwischen bzw. hinter ihnen: die Rüstung dessen, um den es geht.

3. Die eigentliche Handlung beginnt damit, dass Paul, ein Nachfahre Alarics und, natürlich, ebenfalls von Naschy verkörpert, sich Sorgen um seine herzkranke Frau Geneviève macht. Die ist schwerreich und hat ihn gegen den Rat ihrer High-Society-Freunde geehelicht, die sie allesamt warnten, Paul sei nur auf ihr Geld aus. In Pauls Geburtshaus, abgelegen, unheimlich, einstmals Heimstatt Alarics, soll Genevièves Herz sich vom Großstadtstresses Paris‘ erholen. Dort richten die Hausdame Mabile, unterstützt von ihrer Nichte Julie, alles für die Ankunft des lange abwesenden Herrn her. Ein Gespräch zwischen den beiden Damen entspinnt sich, das recht gut die beiden Pole verdeutlicht, zwischen denen LATIDOS DE PÁNICO – und der spanische Horrorfilm im Allgemeinen – hin und her oszillieren wird. Mabile mit ihren greisen Gespenstergeschichten von Waffen, die plötzlich zu bluten anfangen, ruheloser Seelen und Grüften, an denen man besser nicht rühren sollte, vertritt den spanischen Horrorfilm selbst. Jede Legende wird von der treuen Alten für bare Münze genommen. Völlig unkritisch verfährt sie mit all den Räuberpistolen, die sich um das Herrenhaus der Familie de Marnac ranken. Julie demgegenüber hat dafür nur Spott übrig. Sie macht sich über den Aberglaube ihrer Tante lustig, sieht sich als modernes Kind ihrer Zeit meilenweit über solchen antiquierten Vorstellungen: für sie ist nur das real, was sie mit beiden Augen sehen, mit beiden Händen anfassen und mit ihrem Verstand denken kann. Das lange Gespräch zwischen Julie und Mabile kommt mir vor wie die Gegenüberstellung von These und Antithese, worauf dann LATIDOS DE PÁNICO die Gesamtheit seiner Laufzeit damit zubringen wird, aus beiden eine Synthese zu gewinnen.

Bild
Abb.3: Der Intertextualitäts-Detektor schlägt an: Genevièves Bettlektüre ist Balsam für ihr Herz und von niemand anderem verfasst als von Marie Louise Fischer, jener berühmt-berüchtigte Fließbandproduzentin trivialer Herz-Schmerz-Romane, deren Zahl bis zu ihrem Tod weit in die Hundert ging. Kurz darauf, wenn Paul sich zu ihr ins Bett gelegt hat, fällt der nächste Querverweis: nämlich der auf du Mauriers bzw. Hitchcocks REBECCA, an deren Geschichte Julie die Haushälterin Mabel erinnere - sie kann wohl froh sein, niemals BUIO OMEGA gesehen zu haben.

4. Bald geschieht das, was in einem spanischen Horrorfilm üblicherweise geschieht: Realität und Traum verwischen, unerklärliche Ereignisse häufen sich, Genevièves Herz kommt mehr als einmal ins Rasen, nachdem sie von Julie all die grausigen Dinge gehört hat, die sich in ihrem Feriendomizil abgespielt haben soll – Satansrituale, Kindsschlächterei, Frauenmorde, um nur einiges zu nennen -, und schließlich glaubt sie sogar, Alaric de Marnac sei ihr in voller Montur gemäß der Legende erschienen, alle hundert Jahre materialisiere er sich an der Stätte seiner Verbrechen, um allen weiblichen Wesen den Garaus zu machen, die er dort vorfindet. Paul wiegelt ab, Julie und Mabil sind nie zur Stelle, wenn Geneviève sich von Gestalten aus der Mottenkiste des Grusels bedrängt fühlt, und bald weiß nicht einmal mehr der Zuschauer, ob die herzschwache Heldin sich all die vom Film bildreich vorgeführten Übergriffe des Phantastischen auf das Alltägliche nun einbildet oder ob ihr wirklich ein seit Jahrhunderten toter Mordbrenner nach dem Leben trachtet.

Bild
Abb.4: Kurz vor der Demaskierung. Gleich wird Paul sich die Totenfratze von der eigenen reißen und darunter hämisch grinsen. In diesem Film ist nichts wie es scheint und hinter jedem vermeintlichen Faktum verbirgt sich mindestens ein Fallstrick.

5. Dann aber, bereits nach etwa der Hälfte der Spielzeit, demaskiert sich LATIDO DE PÁNICO plötzlich als eine ausgeklügelte Farce. Als einmal mehr der Ritter Alaric vor ihr steht, sein Scharnier lüftet und darunter einen grinsenden Totenschädel entblößt, entscheidet sich Genevièves Herz, all die Strapazen nicht länger mitzumachen und stellt sein Schlagen ein, nachdem Schauspielerin Julia Saly die Gelegenheit für eine der überzogensten Sterbeszenen der Filmgeschichte geboten bekommen und genutzt hat. Doch: der Knochenkopf ist nur eine Maske, unter der ein zufrieden grinsender Paul zum Vorschein kommt. Sein Plan hat funktioniert. Geneviève ist mausetot und er ihr Alleinerbe. Das heißt: gemeinsam mit Julie, die sich nun als seine Geliebte und Helfershelferin entpuppt. Der ganze Mummenschanz ist nicht mehr als das: ein klug konzipiertes Verbrechen zur Beseitigung der unliebsamen Gattin. Von nun an konzentriert sich LATIDOS DE PÁNICO auf die weiteren Geschicke von Paul und Julie. Paul nämlich hat in Paris eine weitere Geliebte, Mireille, die ihm kaum noch von der Seite weicht, und Julie ebenfalls einen Liebhaber, Maurice, und beide Paare gehen schwanger mit der Idee, das jeweils andere zu beseitigen, um das satte Vermögen der Verblichenen nicht teilen zu müssen. Außerdem ist da noch Mabile, die ein enthüllendes Gespräch zwischen Paul und Julie belauscht, und dafür einen Flug die Treppe hinunter spendiert kriegt. Zum ersten Mal, dieser Eindruck verhärtet sich in der zweiten Hälfte des Films, scheint ein Film von und mit Paul Naschy eingeknickt zu sein unter den Anforderungen eines Publikums, dessen Gänsehäute nicht mehr primär gespeist werden wollen von Geisterburgen, Mittelaltermärchen und Raubritterromantik, sondern das durch Anfang der 80er virulente Filmwellen wie die des Slashers oder des Zombiefilms bereits ganz andere Kaliber gewohnt ist, um bei der expoitativen Laune gehalten zu werden. Dadurch, dass LATIDOS DE PÁNICO sämtliche Gespenster ins Reich der Phantasie zurückverweist und zu einem harten Thriller wird, dessen Figuren aus rein pekuniären Motiven handeln, und nicht mal mit einem Zeh in irgendeiner Zauberwelt stehen, scheint ein Bruch zur eigenen Vergangenheit vollzogen zu werden – so, als würde Naschy in seiner Waldemar-Daninsky-Rolle mitten bei der Hatz auf wehrlose Weibchen auf einmal aus dem Werwolfspelz schlüpfen oder als würden die Reitenden Leichen de Ossorios hilflos verloren in einer Diskothek herumstehen, geblendet vom Flackerlicht und umringt von Partymäuschen, die sie kein bisschen ernstnehmen.

Bild
Abb.5: Eine erotische Aufnahme Naschys in einem Film, dessen Thema unter anderem das Rasen von Herzen ist, darf natürlich nicht fehlen. Nackt sitzt er im Bade, beträufelt seinen männlich voluminösen Oberkörper mit Schaum und Wasser, raucht eine Zigarre - und wird gleich den Schreck seines Lebens erleiden, wenn Julie das Radio, links im Bild, zu ihm in die Wanne schubst.

6. Aber: der Film schreitet fort. Paul bekommt sein Teil, wenn Julie ihn in der Badewanne röstet. Mireille läuft in einer Schwertklinge, die ihre Eingeweide durch die Gegend spritzen lässt. Letztlich ist nur Julie übrig, inzwischen offiziell Pauls Gattin und im Besitz von Genevièves Erbe. Vergnügt streicht sie ein letztes Mal durch Alarics Anwesen, als der Film, kurz vor Torschluss, eine Wendung nimmt, die ihn wieder auf den rechten Weg zurückgeleitet, von dem er kurzfristig, doch bloß zum Schein!, abgewichen ist. Unter Donnergrollen öffnet sich der Schlund der Hölle und der wirkliche Alaric de Marnac erhebt seine modrigen Knochen, um das zu tun, was der Volksmund über ihn flüstert: die treulosen Frauen zu töten, die sich auf seinem Grund und Boden aufhalten – und nein, das ist diesmal nicht erneut ein Trick, eine Anhäufung von Effekten, eine wohldurchdachte Maskerade: Der Ritter, der da im Schein hoher Fackeln plötzlich vor Julie steht, das ist ein tatsächlicher Untoter, der tatsächlich keinen Spaß versteht. Am Ende von LATIOS DE PÁNICO ist die Welt somit wieder in Ordnung: Paul Naschy hat uns an der Nase herumgeführt, und auf den Nachhauseweg bekommen wir die gleiche Botschaft mit wie in nahezu jedem mir bekannten klassischem spanischen Horrorfilm der 70er und frühen 80er Jahre: Ans Übernatürliche nicht glauben zu wollen, nutzt rein gar nichts, da dem Übernatürlichen es reichlich egal ist, ob man an es glaubt oder nicht, es existiert so oder so.

Bild
Abb.6: Am Ende lässt Naschy noch einmal alle Höllenhunde los und liefert Bilder wie dieses, das, trotz oder gerade wegen seiner schlichten Gestaltung und seines schlichten Motivs, eine tiefes Liebesband zur klassischen europäischen Schauerliteratur knüpft.
Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 3069
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

Re: Salvatores Skizzen zu einer Studie der absoluten Kontingenz

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Originaltitel: La cabina

Produktionsland: Spanien 1972

Regie: Antonio Mercero

Darsteller: José Luis López Vázquez, Goyo Lebrero, Agustín González, Tito García

Ein öffentlicher Platz in irgendeiner spanischen Großstadt am frühen Morgen. Angestellte einer namenlosen Firma installieren eine blutrote Telefonzelle in seiner Mitte. Der Platz beginnt sich zu beleben. Ein Gärtner der Stadt richtet seinen Wasserschlauch auf Büsche und Bäume. Zwei Nonnen überqueren den Platz wesentlich gelassener als der junge Mann mit der Sonnenbrille, der seine Eile dadurch verrät, dass er ständig auf seine Armbanduhr schaut. Ein älterer Mann bringt parallel dazu seinen kleinen Sohn zum Schulbus. Schon vorher hat der Junge sich für die Telefonzelle interessiert – allein deshalb, weil sein Spielball in sie hineingehüpft ist. Auf dem Rückweg wird der namenlose Vater selbst von seiner Neugierde überwältigt. Er betritt die Telefonzelle, ihre Tür schnappt zu wie die einer Falle, und er ist unfähig, sie von innen wieder zu öffnen. Abgeschnitten von der Außenwelt, die ihn nicht mehr hören, lediglich noch gestikulieren sehen kann, versucht der Mann dennoch, Kontakt zu dieser herzustellen und sich Hilfe von ihr zu erbitten. Schnell ist der Platz voller Schaulustiger jeden Alters. Man bringt Stühle herbei, um dem Gefangenen der Telefonzelle wie einer Zirkusattraktion zuzusehen. Eine Gruppe Kinder macht sich über ihn lustig. Andere stehen ratlos herum, wissen nicht, was sie mit der Situation anfangen sollen. Nur wenige lassen sich dazu herab, echte Hilfe anzubieten. Doch jeder Versuch, die Telefonzellentür zu öffnen, ist zum Scheitern verurteilt. Zwei Männer probieren es mit roher Gewalt, wollen die Tür aus ihren Angeln reißen – ohne Erfolg. Ein anderer Mann glaubt, das Problem mit Verstandeskraft lösen zu können, und sucht die Zelle nach ihrer Schwachstelle ab – ohne Erfolg. Schließlich, als man schon dabei ist, die Zelle von oben her aufzubrechen, tauchen die Angestellten der namenlosen Firma wieder auf. Mit ihrem LKW fahren sie auf den Platz, laden die Zelle mitsamt ihrem Insassen auf die Ladefläche und starten mit beiden in eine ungewisse Zukunft. Die Schaulustigen wünschen unserem Helden nur das Beste, winken ihm hinterher – und haben ihn wahrscheinlich eine Szene später schon wieder vergessen. Doch für den Mann in der Zelle spitzt die Situation sich zu. Verzweiflung ist Resignation gewichen. Er sitzt auf dem Zellenboden, zum Warten verurteilt. Er schließt verbrüdernde Blicke mit einigen Zirkusartisiten. Ein junges Pärchen amüsiert sich über sein Festsitzen in der Zelle. Schließlich erblickt er auf einem weiteren LKW einen Schicksalsgenossen: ein Mann wie er, gefangen in einer Telefonzelle wie der seinen, der, genau wie er, vor Ungewissheit, was mit ihm nun geschieht, nahezu panisch in seinem Käfig herumspringt…

Schon lange hat mich kein Kurzfilm mehr derart beeindruckt wie der etwa halbstündige LA CABINA des mir bislang völlig unbekannten Regisseurs Antonio Mercero, den dieser im Jahre 1972 für das spanische Fernsehen gedreht hat. Allein anhand obiger Inhaltsangabe lässt sich ersehen, wo Merceros Einflüsse liegen. LA CABINA verknüpft die Tradition des Absurden Theaters im Sinne Becketts oder Ionescos mit dem filmischen Surrealismus eines Luis Bunuel, indem er unsere Alltagswelt ohne wirkliche Erklärung und Motivation mittels eines einzigen Details, nämlich einer, ist sie erst einmal zugeschnappten, nicht mehr geöffnet werden könnenden Telefonzellentür, von etwas Vertrautem, mitunter wohl sogar Langeweiligem, Allzubekanntem in ein Füllhorn an Momenten verwandelt, die von anfänglicher grotesker Komik bis zu einem Grauen reichen, das in den letzten Filmminuten schon kaum noch anders als visuell beschreibbar ist. Die Ausgangslage ist so schlicht und simpel wie die beispielweise in Bunuels EL ÁNGEL EXTERMINADOR (1962) oder Silvano Agostis NEL PIÚ ALTO DEI CIELI (1977), wo Gäste einer Party das Haus ihres Gastgebers aus unerfindlichen Gründen nicht verlassen können bzw. Vatikan-Besucher aus unerfindlichen Gründen in einem Fahrstuhl steckenbleiben, der sie zur Audienz mit dem Heiligen Vater höchstpersönlich bringen soll, und wie Bunuel und Agosti schöpft Mercero in den dreißig Minuten, die ihm zur Verfügung stehen, so ziemlich alles aus dieser Ausgangslage heraus, was sich in ihr finden lässt. LA CABINA wirkt eben nicht wie ein in die Länge gezogener Sketch, der auch in fünf Minuten hätte erzählt werden können, vielmehr spielt Mercero geschickt mit den Emotionen seines Publikums, wenn er seinen Film zunächst recht absurd, aber doch irgendwie heiter und witzig beginnen lässt, dann dazu übergeht, in vielen kleinen Segmenten die Beziehung zwischen Telefonzelle und Gefangenem und deren Umwelt zu analysieren, und, im letzten Drittel, jäh in echten Horror umzukippen, der vor allem in den allerletzten Einstellungen derart fies wird, dass ich mich schon wundere, was denn im spanischen Fernsehen der frühen 70er alles an Attacken auf den Zuschauer möglich gewesen ist. LA CABINA ist nichts weniger ein Meisterwerk, ein Kurzfilm par excellence, Musterbeispiel dafür, wie man mit übersichtlichem Setting, wenigen Worten und kaum Schauwerten ein Maximum an Effekten erzielen kann, und, sozusagen auf den letzten paar Metern des vergehenden Jahres, eine der für mich größten Entdeckungen desselben.
Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 3069
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

Re: Salvatores Skizzen zu einer Studie der absoluten Kontingenz

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Originaltitel: La Celosiá

Produktionsland: Spanien 1972

Regie: Isidoro Valcárcel Medina
LA JALOUSIE von 1957 gilt als eines der bedeutendsten Werke des sogenannten Nouveau Roman. Autor Alain Robbe-Grillet, der sich ab den frühen 60ern mit Drehbüchern für Filme wie Alain Resnais' kryptischem Labyrinthspaziergang L'ANNÉE DERNIERE A MARIENBAD (1961) und eigenen Regiearbeiten wie dem nicht minder kryptischem Istanbul-Trip L'IMMORTELLE (1963) einen Namen als Kino-Avantgardist machen sollte, verzichtet in seiner ständig mit der Doppelbedeutung des französischen Wortes Jalousie - zu deutsch: sowohl die Jalousie eines Fensters als auch die Eifersucht eines Menschen - spielenden Ehedrama auf jedwede Deutung oder Wertung der sowieso recht simplen Handlung. Statt in die Seelenleben seines Ich-Erzählers, einem namenlosen Bananenplantagenbesitzer, einzutauchen, gehen Robbe-Grillets Beschreibungen von Räumen und Objekten nicht über ihre reinen Oberflächen hinaus. Selbst der Protagonist hat mehr von einer in ihre Einzelteile zergliederten Maschine als von einem autonom handelnden Subjekt: von alleine, losgelöst von irgendwelchen emotionalen und/oder kognitiven Impeti, bewegen sich seine Gliedmaßen quasi wie von selbst. Wer allerdings durch diese literarische Praxis Autonomie gewinnt, das ist der Leser eines Textes wie LA JALOUISE, da der sich, dadurch, dass ihm kein konkreter Sinn vorgegeben wird, der die geschilderten Eindrücke irgendwie ordnen und konsumierbar machen würde, sich seinen eigenen, ganz subjektiven Sinn zusammenbasteln muss, sofern er denn unbedingt einen haben möchte. Da LA JALOUSIE, wie man wohl schon ahnt, ein außerordentlich sperriger Roman ist, der alles will, nur nicht unterhalten, stellt sich die Frage, wie viele Leser es dann letztlich tatsächlich sind, die die Strapazen auf sich nehmen, sich einmal durch den Text zu quälen und ihm dann auch noch irgendeine Bedeutung zuzuweisen.

BildBildBildBild

Immerhin einer, der Robbe-Grillets Roman nicht bloß gelesen haben, sondern sich intensiv mit ihm auseinandergesetzt haben muss, das ist der spanische Künstler Isidoro Valcárcel Medina, bekannt vor allem für seine konzeptuellen und plastischen Werke, und dessen offenbar einziger Film LA CELOSIÁ von 1972 darstellt. In gewisser Weise kann man das etwa hundertsiebenminütige Werk durchaus als Literaturverfilmung bezeichnen. Während die Kamera nichts weiter tut als starr den französischen Originaltext Robbe-Grillets abzufilmen, liest eine Männerstimme, bei der es sich möglicherweise um die Medinas selbst handelt, eine spanische Übersetzung vor - das alles in Echtzeit und nur dadurch unterbrochen, dass manchmal vor der Kameralinse statt bedrucktem Papier splitterfasernacktes liegt, und ab und zu die eine oder andere Grundrisszeichnung, wohl von dem Haus, in dem LA JALOUSIE spielt, eingeblendet wird. Den Vorwurf, sich nicht an seine Vorlage gehalten zu haben, kann man Isidoro Valcárcel Medina wirklich nicht machen, und an Sperrigkeit und Zuschauerunfreundlichkeit nimmt es LA CELOSIÁ spielerisch noch mit dem ihm zugrundeliegenden Roman auf. Was ich mich jedoch frage, einmal abgesehen davon, ob man LA CELOSIÁ vielleicht sogar als frühen Versuch eines kinematographischen Hörbuchs begreifen sollte, ist: war dieses Paradebeispiel eines Films, der demonstrativ mit dem Rücken zu seinem Publikum steht, wirklich ursprünglich dafür gedacht, dass ich ihn mir von Anfang bis Ende in einer einzigen Sichtung anschaue, oder sollte das Ganze nicht doch eher eine installative Arbeit direkt für einen Ausstellungskontext sein? Zwei Dinge jedenfalls weiß ich: mir ist einerseits kaum jemals ein anstrengenderes Werk filmischer Kunst unterkommen als das vorliegende, und andererseits eignet sich LA CELOSIÁ bestens dafür, so lange angestarrt zu werden bis man in einen diffusen Trance-Zustand fällt, als sei man von den monotonen Bildern und der monotonen Off-Stimme regelrecht hypnotisiert worden.
Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 3069
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

Re: Salvatores Skizzen zu einer Studie der absoluten Kontingenz

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Bild

Originaltitel: Povero Cristo

Produktionsland: Italien 1976

Regie: Pier Carpi

Darsteller: Mino Reitano, Ida Galli, Curd Jürgens, Rosemary Dexter, Edmund Purdom, Raoul Grassilli
Einen Vorwurf muss sich der 1940 geborene und 2000 verstorbene Piero Carpi posthum sicherlich nicht gefallen lassen, nämlich den, sich in seiner schöpferischen Tätigkeit allzu sehr auf einen einzigen engmaschigen Bereich fokussiert zu haben. Seit Anfang der 60er stand Carpi bei dem italienischen Verlagshaus Mondadori unter Vertrag, verfasste Texte für Disney-Comics, von denen hierzulande zahlreiche in der Reihe LUSTIGE TASCHENBÜCHER erschienen sind, gründete Anfang der 70er eine eigene Zeitschrift mit dem verlockenden Namen HORROR, publizierte nebenbei mehrere Romane, journalistische Artikel sowie ein Werk namens LE PROFEZIE DI PAPA GIOVANNI, in dem er vorgibt, von einem anonymen Kontaktmann Aufzeichnungen über Visionen des Papstes Johannes Paul XXIII. zugespielt bekommen zu haben, die angeblich bis ins Jahr 2033 reichen. Ebenso pflegte Capri, zumindest zeitweise, Beziehungen in die Filmbranche. Bereits 1975 verfilmte Daniele Pettinari seinen Roman CAGLIOSTRO über den gleichnamigen italienischen Alchemisten und Hochstapler des achtzehnten Jahrhunderts, 1976 folgten dann mit POVERO CRISTO und 1977 mit UN’OMBRA NELL’OMBRA zwei Spielfilme, für die Capri nicht nur die Drehbücher schrieb, sondern auch auf dem Regiestuhl Platz nahm. Wenn sich UN’OMBRA NELL’OMBRA ausgiebig mit den Nachtscheiten der Magie beschäftigt, mit okkultistischen Ritualen und satanischen Besessenheitszuständen, spielt POVERO CRISTO sozusagen auf der exakt entgegengesetzten Scheibe der gleichen Medaille, und erzählt nichts weniger als die Passionsgeschichte Jesu in futuristischem Gewand.

Die Grundprämisse von Carpis Debut, nämlich ein Konglomerat der bekanntesten Episoden aus sämtlichen vier Evangelien aus neutestamentarischer Zeit in die nahe oder ferne Zukunft zu verlegen, mag einfacher klingen als die Art und Weise, mit der ihr Autor sie schließlich in bewegte Bilder übersetzt hat. Dies liegt vor allem daran, dass Carpi seine Handlung nicht etwa in einem Italien ansiedelt, das dem der mittleren bis späteren 70ern oder einer in sich geschlossenen Science-Fiction-Vision entsprechen würde. POVERO CRISTO spielt, obwohl das freilich im Film selbst nie thematisiert oder problematisiert wird, in einer seltsamen Mischung aus Zukunftsutopie, in der beispielweise die Polizeiinspektoren in hallenartigen Räumen voller antiker Statuen residieren und die Metropolen weniger von Natur als von kühler, zweckorientierter Architektur strotzen, archaisch-alttestamentarischer Landschaften, die mit dem einen oder andern christlichen Symbol überdeutlich gespickt sind, und Straßenzügen, Gebäudekomplexen, Innenräumen, die dann doch relativ so aussehen wie das, was Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts im Europa zum allgemeinen Standard gehört hat. Diese Uneindeutigkeit auf der Zeitachse, die daraus resultiert, dass Carpi schlicht idiosynkratisch alle möglichen Versatzstücke aus der transnationalen Kulturgeschichte bunt zusammenwürfelt, und sich nicht mal einen Kontext ausdenkt, der das äußerst heterogene Ergebnis irgendwie, narrativ oder ästhetisch oder ideologisch, legitimeren würde, überträgt sich natürlich zwangsläufig auf den Rezipienten. Schon gleich von Beginn gibt einem POVERO CRISTO unzählige Rätsel auf – solange jedenfalls bis man beschließt, nicht mehr auf den Moment zu warten, an dem Carpi endlich beginnt, sein Publikum dort abzuholen, wo es gerade steht.

Die Welt jedenfalls, in der sich unser Held, Giorgio Cavero bewegt, ist eine, gelinde gesagt, wundersame: Am Anfang ist Giorgio einer von vielen Arbeiter, die in einer Kathedrale offenbar mit der Konstruktion einer riesigen Statue beschäftigt sind. Schnell wird klar: Giorgio ist mit diesem Job mehr als unzufrieden, und er rammt der Statue, auf dem Gerüst stehend, ein Messer in die Seite. Ob es nun daran liegt, dass aus der Wunde frisches Blut zu tröpfeln beginnt, oder an den ihn heimsuchenden Visionen von fliegenden Untertassen: Giorgio packt seine Sachen und eröffnet Mutter und Cousine, dass es ihn in die Großstadt zieht, aus der die Familie vor langer Zeit, wie sich zwischen den Zeilen andeutet nicht ganz freiwillig, aufs Land übergewechselt ist. Filmposter, die ihm kurz danach ins Auge springen, bringen ihn auf die Idee, was denn sein Traumjob sein könnte: Er beschließt, Detektiv zu werden und schaltet gleich eine Zeitungsannonce, in der er seine Spürhundtätigkeiten anpreist. Tatsächlich springt bald jemand auf die Anzeige an, und zwar ein älterer Mann, der Giorgio einen Deal vorschlägt, dem der einfach nicht widerstehen kann. Sollte Giorgio es schaffen, erklärt ihm der Alte, in innerhalb zwei Monaten den Beweis zu erbringen, dass der sagenumwobene Jesus Christus wirklich existiert habe und nicht bloß eine Erfindung machthungriger Priester sei, wolle er ihm 100.000 Lire überlassen. Zum Beweis, dass er es ernstmeint, gibt er Giorgio das Geld schon jetzt, jedoch mit dem Hinweis, dass er, wenn er nach Ablauf der festgesetzten Zeit mit leeren Händen dastehe, mit Konsequenzen zu rechnen haben werde. Zunächst wähnt Giorgio sich im siebten Himmel. Zur Hochzeit seiner Cousine verkündet er der Familie, dass sie keine Geldsorgen mehr haben werden. Doch die Hochzeitsgäste – Giorgios Verwandte, Freunde und Bekannte – sind von der Angelegenheit, in die er sich verstrickt hat, wenig angetan. Zwei Mädchen sagen, natürlich existiere Jesus nicht, genauso wenig wie Schwalben existieren würden, und ein anderer Freund knurrt: Jesus, doch, der habe irgendwann mal gelebt, und sei von irgendwem verbrannt worden, doch das sei lange her, sehr lange. Die Einzige, die zu Giorgio hält und ihn bei seiner Spurensuche unterstützen möchte, ist die Prostituierte Mara, zu der ihn bald eine platonische Liebe verbindet.

Leicht gestalten sich seine Nachforschungen indes nicht. In der örtlichen Bibliothek bietet man ihm einzig tote Bücher an, in denen das Leben Jesu aufgezeichnet ist, sonst nichts. Nachts streift er ziellos durch die Stadt und wird von einem ominösen Mann im Anzug angesprochen, der scheinbar alles daran setzen möchte, ihn von seiner Suche nach Christus abzubringen. Auch sonst häufen sich die merkwürdigen Episoden in Giorgios sowieso schon reichlich merkwürdigem Alltag: Ein kleines Mädchen des Kinderheims, in dem Maras autistische Tochter lebt, verstirbt, erwacht aber auf ihrem Totenbett, als Giorgio es besuchen kommt. Ein Inspektor namens Petra hat es auf ihn abgesehen, und warnt ihn ausdrücklich, sein Fahnden nach Jesu einzustellen, sonst würde er dafür sorgen, dass Giorgio aus dem Verkehr gezogen wird. Ein anderer Polizist schüttet Giorgio sein Herz aus: sein achtjähriger Sohn sei schwerkrank, müsse sterben, sei vielleicht schon tot, und erhält von unserem Helden den Trost seines Lebens. Schon jetzt dürfte jedem, der mit den Fundamenten des Christentums auch nur oberflächlich vertraut ist, klar sein, worauf POVERO CRISTO letzten Endes hinausläuft, sodass das Finale für kaum jemandem noch eine wirkliche Überraschung darstellen dürfte: Mehr und mehr identifiziert sich Giorgio nicht nur mit Jesus, sondern erlebt auch die wichtigsten Stationen dessen Lebens- und Leidenswegs nach, heilt Kranke, erweckt Tote, wird schließlich von seinem persönlichen Judas verraten, bekommt es statt mit römischen Soldaten mit einer Eisenketten schwingenden Motorrad-Gang zu tun, begeht sein eigenes letztes Abendmahl, und findet sich schließlich einer Pistole gegenüber, deren Kugel die Nägel sind, die ihn an sein ganz individuelles Kreuz schlagen.

POVERO CRISTO ist ein Schwert mit zwei Schneiden. Die eine steckt voller Phantasie, birst vor Kreativität, wenn es darum geht, Carpis Stadt der Zukunft mit zahlreichen irritierenden Details auszustatten. Seien es nun einzelne Dialogzeilen – Giorgios Postulat, sich einen Job zu erfinden, wenn es bislang keine gebe, der ihn erfüllen könne, oder die Monologe des Herrn im Anzugs, bei dem es sich, soviel sei verraten, um niemand Geringeres als um den Satan höchstpersönlich handelt, dass nichts auf der Welt wirklich sei, nicht mal der Spazierstock, den er vor Giorgios und unseren Augen lachend zerbricht -, seien es die zumeist irgendwo zwischen Futurismus und Archaismus oszillierenden Sets, denen man sowohl ihr geringes Budget ansieht als auch den unbedingten Willen Carpis, aus den bescheidenden finanziellen Mitteln so viel Opulenz herauszuholen wie möglich, seien es die vielen schrägen Charaktere, Evelyn Stewart bzw. Ida Gall beispielweise in ihrer Doppelrolle als jungfräuliche Mutter Giorgios, die ausschaut wie direkt aus einem Bibelfilm exportiert, sowie als roboterartige, mit insektenaugenähnlichen Schwarzbrillengläsern bewehrte Agentin Inspektor Petras, Curd Jürgens, der dem namenlosen Auftraggeber seinen Körper leiht oder Giorgio selbst, mit dem zu identifizieren es einem der Film zwar nicht leichtmacht, der aber von Schlagersänge Mino Reitano höchst vielschichtig interpretiert wird: verzweifelt, verletzlich, verführerisch, verwirrend darin, dass er ab einem bestimmten Punkt von seinem Umfeld als Prophet wahrgenommen wird, nur er selbst scheint dies nicht zu begreifen. In den Details ist POVERO CRISTO manchmal eine wahre Pracht. Es sind die kleinen Gesten, die kurzen Momente, die Dinge, die sich zwischen zwei Szenen oder irgendwo im Hintergrund abspielen, die mich richtig begeistert haben.

Ergreifend zum Beispiel ist eine Szene, in der Giorgio, erneut ohne sich selbst darüber im Klaren zu sein, Maras Töchterchen von ihrem Autismus heilt. Nichts weiter als einfach auf dem Hof ihres Kinderheims zu stehen tut er – ein Hof im Übrigen, der voll ist von künstlichen Bäumen wie vom Bühnenbild eines expressionistischen Theaterstücks, und zu Füßen jedes Baums verharrt eins der Kinder in Apathie -, und schon kommt das Mädchen auf ihn zu, beginnt zu lächeln, und mit ihm, was Carpi uns in einer Reihe von Großaufnahmen zeigt, sämtliche übrigen Kinder. Am Ende wird zu dem Gesicht Maras geschnitten, der Tränen der Rührung über die Wangen rinnen. Vielleicht noch großartiger ist ein Intermezzo in einem richtigen Theater, wo eine außerordentlich verrückte Truppe die Geschichte um Salome und das Haupt von Johannes dem Täufer nachspielt. Was visuell schon ziemlich an reines Experimentalkino wie Kenneth Angers INAUGURATION OF THE PLEASURE DOME erinnert, entwickelt sich zusehends zu so etwas wie einer komplett überzogenen Parodie auf die Karnevalsszene in Veit Harlans OPFERGANG. Maskierte Gestalten stürmen die Bühne und küren Giorgio, wie in Victor Hugos NOTRE DAME DE PARIS, zum König der Narren. Die Begründung: er, der keine Maske trage, trage dadurch die beste Maske. Noch mehr schwelgt das Finale des Films in Bildern, die man wohl wahlweise als affektive Kunst oder als affektiven Kitsch betrachten kann. Für den letzten begriffsstutzigen Zuschauer erklärt sich dort die Allegorie selbst, wenn Giorgio – wie sinnig! – in einem Gotteshaus allen Figuren noch einmal begegnet, deren Wege er in den neunzig Minuten zuvor gekreuzt hat, und jede ihm brav enthüllt, wer sie denn eigentlich in Wirklichkeit, d.h. im Rahmen der modernen Passionsgeschichte, die POVERO CRISTO erzählt, sein soll. Der Teufel sagt: ich bin der Teufel. Mara gibt sich als Maria Magdalena zu erkennen. Giorgios Mutter, Maria, verkündet, dass der Mann, den er bisher für seinen Vater gehalten habe, gar nicht sein physischer Vater sei.

Es fällt leicht, Carpi vorzuwerfen, dass er mit seinem durchaus interessanten Stoff bei zunehmender Laufzeit viel zu plakativ verfährt. Die zweite Schwertschneide nämlich ist eine, die, im Gegensatz zur ersten, weit hinter den teilweise eindrucksvollen Bildern zurückbleibt. Nachdem einem klar geworden ist, worum es in POVERO CRISTO, mal abgesehen von all dem experimentellen Brimborium außenherum, in seinem Kern geht, nämlich einfach die Evangelien eins zu eins in eine irre Zukunfts-Utopie oder –Dystopie zu übersetzen, liefert der Film keine großen Überraschungen mehr, sondern folgt der einmal eingeschlagenen Bahn stur bis zum bitteren Ende. Einen großen Aha-Effekt kurz vor dem Abspann wird man genauso vergeblich suchen wie irgendeine abschließende Botschaft, mit der Carpi versucht hätte, mehr aus seinem Film zu machen als eine selbstzweckhafte Verfilmung des Leben Jesu in verwegenen Kulissen. Trotzdem: Im direkten Vergleich stellt POVERO CRISTO freilich ein ganz anderes Kaliber dar als Carpis Zweitling, der doch mit ziemlich viel Trash vollgepumpte UN’OMBRA NELL’OMBRA. Ja, auch POVERO CRISTO leidet mitunter an der etwas statischen Inszenierung, die aus Kamera und Montage dann doch nicht herauskitzelt, was vielleicht möglich gewesen wäre, und sein Soundtrack kann natürlich nicht ansatzweise mit den meisterlichen Klängen Signore Cirpianis mithalten, von denen UN’OMBRA NELL’OMBRA veredelt worden ist, und generell kann man POVERO CRISTO gut und gerne vorhalten, dass er, um einmal drei Künstler anzuführen, deren Werke ungefähr im gleichen Raster zu finden sein dürften wie vorliegender Film, a) nicht die pointierten gesellschaftskritischen und allegorischen Szenen eines Fernando Arrabals besitzt, und b) nicht die schockierenden subversiven Bilder eines Alejandro Jodorowsky, und schon gar nicht c) die absurde Komik eines Luis Bunuel. Wäre POVERO CRISTO die LP irgendeines abseitigen italienischen Experimentalmusikers der 70er, dann zwar sicherlich kein Meisterwerk, das ich Tag und Nacht rotieren lassen würde, nichtsdestotrotz, die richtige Stimmung vorausgesetzt, auf seine nicht perfekte Art aber durchaus reizvoll, und mit dem einen oder anderen Track bestückt, der ausgefallen genug ist, ihn alle paar Jahre mal gleich zwei- oder dreimal hintereinander hören zu wollen.
Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 3069
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

Re: Salvatores Skizzen zu einer Studie der absoluten Kontingenz

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Bild

Originaltitel: Un'ombra nell'ombra

Produktionsland: Italien 1977/1979

Regie: Pier Carpi

Darsteller: Lara Wendel, Anne Heywood, Valentina Cortese, Frank Finlaym, John Phillip Law, Marisa Mell
Einen Vorwurf muss sich der 1940 geborene und 2000 verstorbene Piero Carpi posthum sicherlich nicht gefallen lassen, nämlich den, sich in seiner schöpferischen Tätigkeit allzu sehr auf einen einzigen engmaschigen Bereich fokussiert zu haben. Seit Anfang der 60er stand Carpi bei dem italienischen Verlagshaus Mondadori unter Vertrag, verfasste Texte für Disney-Comics, von denen hierzulande zahlreiche in der Reihe LUSTIGE TASCHENBÜCHER erschienen sind, gründete Anfang der 70er eine eigene Zeitschrift mit dem verlockenden Namen HORROR, publizierte nebenbei mehrere Romane, journalistische Artikel sowie ein Werk namens LE PROFEZIE DI PAPA GIOVANNI, in dem er vorgibt, von einem anonymen Kontaktmann Aufzeichnungen über Visionen des Papstes Johannes Paul XXIII. zugespielt bekommen zu haben, die angeblich bis ins Jahr 2033 reichen. Ebenso pflegte Capri, zumindest zeitweise, Beziehungen in die Filmbranche. Bereits 1975 verfilmte Daniele Pettinari seinen Roman CAGLIOSTRO über den gleichnamigen italienischen Alchemisten und Hochstapler des achtzehnten Jahrhunderts, 1976 folgten dann mit POVERO CRISTO und 1977 mit UN’OMBRA NELL’OMBRA zwei Spielfilme, für die Capri nicht nur die Drehbücher schrieb, sondern auch auf dem Regiestuhl Platz nahm. Wenn POVERO CRISTO nichts weniger erzählt als die Passionsgeschichte Jesu in futuristischem Gewand, beschäftigt sich UN’OMBRA NELL’OMBRA, sozusagen auf der exakt entgegengesetzten Scheibe der gleichen Medaille, ausgiebig mit den Nachtscheiten der Magie, mit okkultistischen Ritualen und satanischen Besessenheitszuständen.

Dass UN’OMBRA NELL’OMBRA, obwohl bereits 1977 fertig im Kasten, erst 1979 an die Öffentlichkeit treten durfte, verwundert mich, ehrlich gesagt, nicht allzu sehr. Auch die diversen Internetgerüchte, nach denen der Film vor der endgültigen Veröffentlichung nochmal komplett neumontiert wurde, damit er wahlweise mehr oder weniger Gemeinsamkeiten mit Friedkins EXORCIST aufweisen sollte, halte ich nicht für abwegig. In der Form, in der mir der Film heute vorliegt – die US-DVD unter dem etwas einfallslosen und zudem irreführenden Titel SATAN’S WIFE -, erweckt er den Eindruck, als habe man ursprünglich einen durchaus linear verlaufenden und mehr oder minder in sich schlüssigen Okkult-Horrorstreifen im Stil von THE OMEN oder eben THE EXORCIST gedreht, das Ergebnis dann aber scheinbar wahllos oder mittels irgendwelcher fernab der menschlichen Logik operierenden Algorithmen vollkommen auseinandergenommen und neu zusammengesetzt, sodass die Szenen wild durcheinanderwürfelten, einige entscheidende Passagen unter den Tisch fielen und nicht mehr darunter hervorkamen, und dieses zweites Ergebnis letztlich höchstens dann noch irgendeinen nacherzählbaren Sinn ergibt, wenn man sich ganz besonders anstrengt, einen solchen aus den zusammenhanglos aufeinanderfolgenden Bildern krampfhaft extrahieren zu wollen.

Die in Ansätzen trotzdem noch vorhandene Geschichte liest sich in der mutmaßlich von Carpi nicht autorisierten, sondern von seinen Produzenten verantworteten Fassung wie folgt: Carlotta Rhodes‘ dreizehnjähriges Töchterchen gebärdet sich mehr und mehr wie ein gar nicht mal so kleines Teufelchen. Sie flucht, tischt Lehrerinnen und Mitschülern schreckliche Blasphemien auf, stiehlt Puppen aus Warenhäusern, wirft Puppen, die ihr ihr von der Mutter getrennt lebender Vater schenkt, über die nächste Brückenbrüstung – also eigentlich all das, was man von einem pubertierenden Teenager, der mit der Scheidung seiner Eltern, den Veränderung seines eigenen Körpers und den in ihm gärenden Rebellionen nicht klarkommt, erwarten darf. Selbst nachdem der Kinderpsychologe im Grunde nichts Aufsehenerregendes an Daria hat feststellen können, bringt das Carlotta nicht von ihrem Verdacht ab, dass da mehr hinter dem aufmüpfigen Verhalten ihres Zöglings steckt. Dies hat damit zu tun, dass Carlottas Stecken selbst nicht frei von Dreck ist: Vor vielen Jahren nämlich hat sie sich gemeinsam mit drei Freundinnen, von der eine, Elena, zufälligerweise Darias Lehrerin ist, eine andere, Raffaela, sich zurzeit als Straßenstrichprostituierte verdingt, und die dritte, Agata, innerhalb des Films ein Schattendasein führt, sodass ich kaum eine gesicherte Aussage über sie treffen kann, einem Hexenzirkel angeschlossen, was mit, lässt die Story wenigstens zwischen den Zeilen anklingen, sexuellem Verkehr zwischen den Frauen und dem höchstpersönlichen Luzifer endete. Carlottas größte Angst: Daria könne die Frucht dieser geschlechtlichen Vereinigung sein, und sich nun, nach und nach, zu einem Satan in Menschengestalt mausern. Die schlimmen Anzeichen sind jedenfalls schon da: Daria malt okkulte Symbole an Tafeln und auf Zimmerböden, verfügt offenbar über magisches Geheimwissen, und kann verschlossene Türen öffnen, indem sie einfach nur den Arm hebt und die Schlösser intensiv genug anstiert. Was nun tun? Raffaele scheint zufällig THE EXORCIST gesehen zu haben, denn ihre glorreiche Idee lautet: wieso nicht einen Priester zu Rate ziehen. Außerdem kenne sie zufällig einen, der ihr noch einen Gefallen schuldig sei. Doch gegen Darias Papa ist zumindest in Capris Paralleluniversum leider noch kein heiliges Kraut gewachsen…

Stringent mag es sich anhören, was ich oben als Inhaltsangabe zu UN’OMBRA NELL’OMBRA mit Mühe und Not zusammengezimmert habe, vor Stringenz scheut sich vorliegender Film allerdings wohl noch mehr als der Teufel sich vorm Weihwasser. Es mag sein, dass Carpis Werk von seinen Geldgebern im Nachhinein übel verstümmelt und sinnentfremdet worden ist, und es mag auch sein, dass es einem weiterhilft, wenn man Carpis 1974 veröffentlichen Roman UN’OMBRA NELL’OMBRA zu Rate zieht, um wenigstens in Grundzügen zu erahnen, was denn nun genau die Botschaft dieses ganzen Brimboriums sein soll, doch genauso kann man sich, wie ich es nun tue, einfach zurücklehnen, und den Reiz des Films genau in seiner Disparität finden, darin, dass in ihm kaum eine Idee sich logisch mit der nächsten verknüpfen lässt, dass Protagonisten einfach mal im Film auftauchen, als wollten sie oder ihre zumeist nicht unbekannten Darsteller – genannt werden sollten: Anne Heywood, Irene Papas, Marisa Mell, John Philipp Law, Valentina Cortese – kurz Hallo sagen, nur um dann genauso sang-, klang- und sinnlos wieder aus demselben zu verschwinden, oder dass die Montage kontinuierlich so wirkt, als fehlten da zum Verständnis wichtige Passagen, dafür dann aber Szenen liefert, die endlos ausgewalzt sind und für die eigentliche Handlung überhaupt keinen gesteigerten Mehrwert beitragen. Sofort wird der geneigte Freund italienischer Genrekost nun Eins und Eins zusammenzählen, und vermuten, dass UN’OMBRA NELL’OMBRA irgendwo knapp unterhalb des Horror-Olymps eines Dario Argento, Lucio Fulci, oder, wenigstens, Bruno Mattei oder Luigi Cozzi zu verorten sein dürfte. Was Carpis Film – und dafür kann man nun sicherlich nicht mehr die Produzenten haftbar machen – indes komplett abgeht, gerade wenn man ihn mit ähnlichen irrealen, unlogischen italienischen Okkult-Streifen der späten 70er wie SUSPIRIA oder L’ALTRE INFERNO vergleicht, das ist eine ästhetische und formale Gestaltung, die die Irrealität und Unlogik der Handlung nicht nur unterstützt, sondern sie bis ins Rauschhafte transzendiert. Was die besten Filme Argentos oder Fulcis auszeichnet, das ist – um noch einmal diese Binsenweisheit meinerseits aufzuwärmen -, dass sich in ihnen wunderschöne Bildkompositionen, entzückende Farben, surreale Morde, verspielte Effekte, verrückte Querverweise auf die europäische Kunst- und Kulturgeschichte zu einem Gesamtkunstwerk verbinden, dessen schiere Wucht einen gar nicht mehr fragen lässt: wieso hat Charakter X jetzt dies oder das getan?, oder: wo liegt nun genau der Sinn in genau dieser Kamerafahrt? – geschweige denn zum Atmen kommen lässt. UN’OMBRA NELL’OMBRA ist demgegenüber formal wie ästhetisch eher auf dem Niveau einer handelsüblichen TV-Produktion anzusiedeln. Die Kamera operiert konventionell, die Bilder sind konventionell, die Montage ist konventionell. Alles in allem wirkt der Film, was angesichts seiner Thematik umso erstaunlicher ist, ziemlich schmucklos, und seine Schauwerte beschränken sich, worauf wir später noch kommen werden, auf Beschau von Fleisch, das eigentlich, meinem sittlichen Empfinden nach, noch gar nicht beschaut werden sollte. Nichtsdestotrotz hat aber natürlich auch UN’OMBRA NELL’OMBRA, wenn auch fast ausschließlich auf struktureller Ebene, den einen oder anderen Moment der Fassungslosigkeit für mich zu bieten, und die möchte ich nun noch kurz aufzählen:

1. Das Beste an Carpis Film dürfte die Musik sein – und wenn man sich die vereinzelten Internet-Kritiken zu UN’OMBRA NELL’OMBRA durchliest, scheine ich mit dieser Meinung nicht alleinzustehen. Dieser absolut basslastige Sound, mit dem Stelvio Cirpiani, der so viele (Genre-)Filme soundtracktechnisch untermalt hat, dass man gar nicht weiß, welche man zuerst nennen sollen, die Tonspur veredelt, pendelt zwar ständig irgendwo zwischen den Scores zu PROFONDO ROSSO, SUSPIRIA und der Euro-Fassung von Romeros DAWN OF THE DEAD, wirkt aber trotzdem für meine Ohren nicht wie ein plumpes Goblin-Plagiat, sondern kann durchaus Akzente setzen, die so eigen und so vorzüglich sind, dass ich mir das Ganze durchaus als Vinyl für den heimischen Plattenspieler vorstellen könnte – ganz ohne die zugehörigen Bilder, die in ihrer bereits erwähnten Schlichtheit nicht mal ansatzweise mit dem Feuerwerk mithalten können, das auf der Tonspur abgefackelt wird. Nur ganz zu Beginn ergibt sich eine äußerst befremdliche Symbiose zwischen visuellem und akustischem Filmerleben, wenn Carpi (oder seine Produzenten?) den Film mit einer Tanzeinlage beginnen lässt, die einen durchaus auch auf einen 70er Disco-Film einstimmen könnte. Weißgewandete Junghexen sowie Jünglinge in roten Ganzkörperkostümen ballettieren um einen Brunnen herum, danach imitieren zwei von ihnen einen Geschlechtsakt, wobei der Junge sein Höschen anbehalten darf, der weibliche Part sich jedoch von sämtlicher Garderobe freimachen muss, bis Lufizer erscheint und grimmig in die Kamera blickt. Das Ganze ist dabei derart offensiv als Inszenierung markiert – die Tänzer bewegen sich stets zur Kameralinse hin, die gesamte Szenerie mit dem Brunnen ist die einer klassischen Bühnensituation, die Musik fegt die letzten Reste Realismus aus den Bildern -, dass man dieser knapp dreiminütigen Eröffnung schon fast das Metaebenen-Schild umhängen oder vermuten könnte, sie sei ironisch gemeint und lasse nun eher eine Genre-Parodie folgen als einen ernstgemeinten Horrorschocker. Aber nein: möglicherweise hatte einfach nur die lokale Tanzgruppe Zeit und Lust, sich mit in den Film einzubringen, denn im Folgenden wird auf dieses Ensemble kein bisschen mehr eingegangen werden.

2. Lara Wendel spielt das Teufelstöchterchen Daria in einer Weise, die sämtlichen übrigen, teilweise etablierten Darstellern die Schau stiehlt. Das kommt besonders schön in einer Szene relativ am Anfang zum Ausdruck, wenn sie die Fackel ihrer Rebellion bis ins Schulklassenzimmer trägt. Dort wird einer ihrer Mitschüler gerade von Lehrerin Elena, die zugleich, wie gesagt, Busenfreundin von Darias Mutter ist, zur mittelalterlichen Geschichte Europas ausgefragt. Brav antwortet der Knabe, was er aus dem Schulbuch auswendiggelernt hat: Karl der Große war König Frankreichs und Freund der Kirche. Er führte Krieg gegen Ketzer und Häretiker. Deshalb ließ ihn der Papst zum Dank zum Kaiser krönen. Dagegen hat Daria indes mehr als einen Einwand: Wie eine Schlange, mit funkelndem Blick, baut sich Lara Wendel vor ihrer Lehrerin auf und korrigiert die Worte ihres Klassenkameraden: Nein, Karl sei ein Magier gewesen, der die Weltherrschaft angestrebt und den Papst lediglich zu seinen Zwecken missbraucht habe. Mordend sei er mit seinen skrupellosen Gefolgsleuten durch die Lande gezogen, stets begleitet von einem Rabenheer. Einmal abgesehen davon, dass Frau Wendels Schauspiel in dieser Szene recht überzeugend daherkommt – ich nehme ihr den trotzigen, rotzigen Teenager problemlos ab -, haben die Inhalte, die sie ihrer Lehrerin um die Ohren schlägt, mich nicht wenig amüsiert. Karl der Große wurde seit seinem Tod wohl schon von allen erdenklichen politischen und ideologischen Gruppierungen vereinnahmt und instrumentalisiert. Ihm wurde sogar schon mehr als einmal die Existenz abgesprochen, und er, man lese nach bei Heribert Illig, zum Karl dem Fiktiven erklärt. Doch dass es sich bei ihm um einen Sohn des Teufels, einen gefährlichen Hexer, ein wahres Raubtier gehandelt haben soll, dazu hätte ich gerne einmal von Herrn Carpi gewusst, welche geflüsterten Prophezeiungen ihn nun wieder zu dieser Annahme geführt haben.

3. Dass Lara Wendel UN’OMBRA NELL’OMBRA dominiert, hat noch einen anderen Grund: Neben ihr und Anne Heywood, die ihre Mutter Carlotta zum Besten gibt, sind alle restlichen Figuren bloßes Beiwerk, über dessen Rele-vanz man lange nachdenken könnte. In Carpis Film herrscht ein Kommen und Gehen wie auf einer unverbindlichen Party, ohne dass man genau weiß, wer denn das nun ist, der neben einem am Tisch mit dem Frei-Sekt steht. Wie erwähnt verbrät der Film damit einige durchaus namhafte Schauspieler ohne ihre Anwesenheit wirklich nutzen zu wollen oder zu können. Nehmen wir zum Beispiel Irene Papas. Sie soll eine ehemalige Freundin Carlottas und Elenas sein, einstiges Mitglied des Hexenzirkels, und nunmehr Straßenhure. Warum genau sie diesem Beruf nachgeht, erfahren wir nicht, dafür aber, dass keiner ihrer Freier wirklich glücklich mit ihr wird. In einer der unfreiwillig komischsten Sequenzen des Films sehen wir sie beim Beischlaf mit einem Kunden. Plötzlich taucht Satan aus dem Nichts am Liebeslager auf und erschrickt Raffaelas Gefährten so sehr, dass dem sofort sämtliche Lust vergeht. Natürlich wird dieser Plotpunkt, der ja impliziert, dass alle die Frauen, die damals mit dem Teufel buhlten, nun von jenem jedwede weiteren Koitus versagt bekommen, weil er ihre jeweiligen Bettpartner zu Tode erschrickt, genauso wenig weiterverfolgt wie die Frage, wie denn Raffaela als Hure ein Einkommen haben soll, wo ihr doch die Hölle stets einen Strich durch die Rechnung macht. Noch spärlicher sind die Besuche, die Marissa Mell als Agata dem Film abstattet. Auch sie hing vor vielen Jahren mit Carlotta, Elena und Raffaela in der magischen Gemeinschaft herum, und auch sie weist eine Charakterzeichnung auf, die vergleichbar ist mit einem Strich Bleistift auf weißem Papier. Ihre einzige nennenswerte Szene besteht in einem verwirrenden – doch was ist an diesem Film nicht verwirrend? – Blickduell mit Daria. Agata, die das Mädchen offenbar zur Raison bringen möchte, indem sie es mit einer Art Stilett attackiert, hat die Rechnung ohne den gehörnten Papa gemacht, der Daria im letzten Moment eine Puppe in die Höhe heben lässt, die die Waffe von ihr abhält. Parallel dazu wird aber nun Carlotta von stechenden Schmerzen in der Brust zu Boden gestreckt. Voodoo? Möglicherweise. UN’OMBRA NELL’OMBRA lässt die Szene, wie viele andere, einfach ohne Kontext stehen, und die Figur der Agata danach aus dem Film verschwinden, als sei sie nie in ihm gewesen. Nicht mal Carlotta, die unsere eigentliche Identifikationsfigur sein sollte, verfügt über einen Hauch von psychologischer Glaubwürdigkeit. Ganz entsetzt zeigt sie sich, als sie begreift, welche diabolischen Mächte in ihrer Tochter gären. Doch: wieso hat sie sich denn überhaupt erst einmal mit diesen Mächten eingelassen und ein Kind mit ihnen gezeugt? Weder bei ihr noch bei Raffaela, Elena oder Agata kann jedenfalls die Rede davon sein, dass das Frauen wären, die in irgendeiner Form irgendwelche Affinitäten zum Satanischen bekunden würden.

4. Gedankenlos in den Film hineingeworfen und dann hilflos in ihm belassen wirkt nicht zuletzt auch der Priester, den Raffaela von irgendwoher kennt und den sie solange bequatscht bis er sich dazu bereiterklärt, einen Exorzismus an Daria zu vollführen. Höchstens zehn Minuten, eher weniger, dauert die gesamte Episode, in der UN’OMBRA NELL’OMBRA sozusagen THE EXORCIST im Schnelldurchlauf und durch seine eigene, reichlich mit schrägen Flecken verunreinigte Brille betrachtet abspult. Freilich, der Priester steht kurz vorm Austritt aus der Amtskirche, hadert mit Gott und sich, ziert sich zunächst, sich auf den Exorzismus einzulassen, zumal unsere Heldinnen darauf bestehen, ihm als Assistenten zur Seite zu stehen. Daria übrigens, die wir zuvor als bereits derart mit Zauberkräften erfüllt kennengelernt haben, dass ihre Mutter und deren Freundinnen kaum wagten, die Hand gegen sie zu erheben, liegt während des Exorzismus brav, höchstens mal mit einem satanischen Lächeln in den Mundwinkeln, auf einer Bank, und lässt alles, was der Priester an Beschwörungen aufbietet, über sich ergehen. Vielleicht weil sie ahnt, dass dessen Hokuspokus zu nichts führen wird, denn genau das ist dann die Quintessenz dieses exorzistischen Intermezzos: Irgendwann verlässt der Priester Carlottas Haus und Carpis Film, um nie wieder in ihm aufzukreuzen – wir erfahren nicht mal: hat er denn nach dieser ereignisreichen Nacht tatsächlich ernstgemacht und die Soutane ausgezogen? -, und danach läuft der weiter, als sei nichts geschehen, sprich: des Priesters Anwesenheit hat exakt rein gar keine Auswirkungen auf Darias Verhalten und damit auf den weiteren Verlauf der Handlung. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, die gesamte Exorzisten-Chose sei nachträglich in den Film hineingeschmuggelt worden, um ihn wenigstens mit einem Hauch von kommerzieller Verwertbarkeit zu umgeben, doch andererseits: von welcher Plot-Idee, von welcher Figur, von welcher Szene kann man in vorliegendem Fall schon behaupten, dass sie ganz stimmig an genau der Stelle wirkt, wo sie sitzt?

5. Ein weiteres Beispiel gefällig? Daria hat einen Klassenkameraden, Martin, der im Film dreimal auftaucht: zweimal in Person, einmal wird nur ausführlich von ihm gesprochen. Er ist der typische Nerd mit der Brille, und auffällig interessiert an Daria, nachdem die in ihrer Rede zu Ehren Karl des Großen ihre Lehrerin dazu gebracht hat, kreischend das Klassenzimmer zu verlassen. Eines Tages nimmt sie ihn mit nach Hause – zum Hausaufgabenmachen, wie es heißt. In Wirklichkeit hält Daria ihm erstmal eine ihrer typischen Predigten. Nachdem sie sich darüber geklagt hat, dass Menschen überhaupt Nahrung zu sich nehmen, sie finde Essen einfach nur ekelig, und während der Film einige reichlich billige Effekte eingeflochten hat, die abwechselnd suggerieren, Martin oder Daria würden sich in Luft auflösen, fragt sie den Bub unverblümt: willst Du mich küssen? Er sagt nicht Nein, doch statt ihren Lippen versengt ihn ihre rechte Hand, die sie ihm gegen den Brustkorb drückt. Rauch steigt auf. Martin schreit. Seine Haut ist völlig verbrannt. Das hat erstmal keine Konsequenzen, und für lange Zeit nimmt der Film diesen Seitenplot nicht mehr auf. Dann, gegen Ende, sind wir zurück im Klassenraum, wo Elena ausgerechnet Daria fragt, wieso Martin seit Tagen nicht in der Schule aufgetaucht sei. Sie erwidert: Martin, der ist tot. Ein langes Wortgefecht folgt, in dem Elena Daria der Lüge bezichtigt, und die ihren Standpunkt verteidigt. Schließlich schalten sich die Mitschüler ein: Martin könne nicht tot sein, denn sie haben ihn doch gestern auf der Straße gesehen. Nun eskaliert die Situation völlig, und Daria zeichnet irgendein heftig okkultes Symbol an die Tafel, vor dem Elena so viel Angst hat, dass sie davonläuft und sich von einem Balkon in den Tod stürzt. Daria und die übrigen Kinder stehen oben und betrachten neugierig den Lehrerinnenleichnam. Muss ich das noch irgendwie kommentieren? Ach ja, was nun mit dem armen Martin passiert ist, darüber verrät uns UN’OMBRA NELL’OMBRA exakt rein gar nichts.

6. Eine Sache, die ich zum Schluss aber unbedingt kommentieren möchte, das sind drei Szenen, in denen vorliegender Film sich einer der wenigen Untugenden des Exploitation-Kinos der 70er befleißigt, nämlich seine minderjährige Darstellerin – Lara Wendel ist ungefähr so alt wie die Figur, die sie verkörpert – splitterfasernackt vorzuführen. Bei einer Duschszene zu Beginn sieht man sie zwar noch die meiste Zeit von hinten, und bei dem Exorzismus gibt es ebenfalls keine Großaufnahmen von Körperpartien, die Anstoß oder etwas anderes erregen könnten, doch das Finale von UN’OMBRA NELL’OMBRA lässt sogar jemanden wie mich, der Pier Giuseppe Murgias MALADOLESCENZA zweieinhalbmal gesehen hat, noch ungläubig zusammenzucken. Nach etwa achtzig Minuten Spielzeit hat Carlotta sich endlich dazu durchgerungen, ihr Töchterchen mit den gleichen magischen Waffen zu schlagen. Hierfür bemalt sie sich das Gesicht bunt, zieht sich komplett nackt aus und veranstaltet den üblichen Hexenzauber. Das lässt Daria sich nicht gefallen, streift sich ebenfalls die Kleider vom Leib, und ein wahrer Katzenkampf entbrennt zwischen Anne Heywood, siebenundvierzig, und Lara Wendel, dreizehn, aus dem die Mutter als Verliererin hervorgeht und die Tochter als, mutmaße ich, feuchter Traum so manches Pädophilen. Das ist indes nur der letzte Tropfen eines Films so derart voller Ungereimtheiten, Unnötigkeiten, Unsinnigkeiten, dass es das Fass schon lange nicht mehr zum Überlaufen bringen kann. Am Ende macht sich Daria auf zum Petersdom, um nunmehr dem Papst den Krieg zu erklären. Dass UN’OMBRA NELL’OMBRA uns das nicht auch noch zeigt, mag man als Fluch und Segen zugleich betrachten.
Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 3069
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

Re: Salvatores Skizzen zu einer Studie der absoluten Kontingenz

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Bild

Originaltitel: Adieu au langage

Produktionsland: Frankreich 2014

Regie: Jean-Luc Godard

Darsteller: Héloïse Godet, Kamel Abdeli, Richard Chevallier, Zoé Bruneau, Roxy Miéville
Ich habe ADIEU AU LANGAGE, Jean-Luc Godards bislang letzten Film, unter den denkbar ungünstigsten Umständen gesehen. Nicht etwa auf der großen Leinwand, für die er bestimmt ist. Nicht etwa in 3D, für das er bestimmt ist. Stattdessen in 2D auf dem begrenzten Bildschirm eines Notebooks.

BildBildBildBild

Godard ist mit 83 wie ein Kind. Er macht ein Kino, als sei es gerade eben erst geboren worden. Es schreit sogar noch, ohne Zähne. Er ist keiner Konvention verhaftet, nicht einmal der eigenen. Er ist offen gegenüber neuer Technik, neuer Medien. Er stagniert nicht, verschließt sich nicht. Er will alles wissen, tastet herum, findet etwas, das ihm gefällt, nutzt es, weil es ihm gefällt. Selten denkt er an sein Publikum. Denkt er überhaupt an sein Publikum? Er ist wie ein malendes Kind. Wem anders soll das Bild gefallen als ihm selbst? Soll es überhaupt gefallen? Er lebt in seiner eigenen, kleinen Welt. ADIEU AU LANGAGE ist rund um seinen Heimatort am Genfer See herum entstanden. Sein Hund, Roxy, spielt die Hauptrolle.

Godard ist mit 83 wie ein Weiser auf einem Berg. Er macht ein Kino, das unter der Last seines eigenen intellektuellen Inhalts nahezu zusammenbricht. Er hat so viel gelesen, erlebt, vor allem gedacht, dass er niemals mehr in die Unschuld zurückfinden kann. Er belehrt einen, wenn man ihm zuhört, wie ein Meister, für dessen Worte man zahllose Schlüssel bräuchte. Er durchdringt die Welt und lässt alles in ihr gelten. Er weiß, dass es keinen Satz gibt, der nicht schon gesagt worden ist, kein Gedanke, der nicht schon gedacht worden ist. Deswegen sind seine Filme randvoll mit Zitaten. Die Liste der Zitierten am Ende von ADIEU AU LANGAGE ist kaum zu bewältigen. Dabei hat er noch nicht einmal alle Namen angeführt.

Ich glaube, Godard wollte die Perspektive seines Hundes einnehmen. Dieser sieht die Welt ohne Worte, ohne Ideologien, ohne Philosophien, die ihm den Weg zu ihr verstellen. Deswegen der Titel: Sagt Lebewohl der Sprache. Freudig wälzt Roxy sich im Schnee. Er schläft auf der Couch. Er kotet auf eine Wiese.

Ich glaube, Godard wollte seinem Hund die eigene Perspektive gegenüberstellen. Die sieht die Welt naturgemäß nicht ohne Worte, nicht ohne Ideologien, schon gar nicht ohne Philosophien. Ich muss an Louis Aragon denken. Er schreibt, es seien die Worte, die uns den Weg zur Welt verstellen.

BildBildBildBild

Ich habe ADIEU AU LANGAGE, Jean-Luc Godards bislang letzten Film, unter den denkbar ungünstigsten Umständen gesehen. Nicht etwa auf der großen Leinwand, für die er bestimmt ist. Nicht etwa in 3D, für das er bestimmt ist. Stattdessen in 2D auf dem begrenzten Bildschirm eines Notebooks.
Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 3069
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

Re: Salvatores Skizzen zu einer Studie der absoluten Kontingenz

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Bild

Originaltitel: La Prova Generale

Regie: Romano Scavolini

Produktionsland: Italien 1968

Darsteller: Guido Alberti, Lou Castel, Laura Troschel, Valentino Zeichen, Maria Monti, Carlo Cecchi
In seinem 1967 erschienen, zweiten Film ECCE HOMO, einer elfminütigen Photo-Collage, die in ihrer radikalen Verweigerung ein bisschen jene dialektischen Essays vorwegnimmt, die Godard in seiner Zeit als Marxist produziert hat, legt der italienische Regisseur Romano Scavolini bereits unmissverständlich offen, worum es ihm in seiner Kunst geht: der Mensch verstrickt und bestimmt von Mechanismen, die er nicht begreift und begreifen kann. Im Falle von ECCE HOMO zielt Scavolinis Anordnung von unbewegten Bildern und bewegtem Sound, bestehend aus einem frühen Elektro-Score Egisto Macchis sowie vereinzelten, in verschiedenen Lautstärken gebrüllten oder geflüsterten Sprachfetzen, vor allem darauf ab, uns seine Sicht des modernen Menschen vorzuführen. Für ihn ist dieser kein selbstbestimmtes, frei agierendes Individuum. Er befindet sich in einem steten Abhängigkeitsverhältnis zu einer immer technischer und immer rationaler werdenden Welt, die es ihm nicht im Geringsten ermöglicht, sich einen Wert zuzuweisen, der nicht zuvor von anderer Seite an ihn herangetragen worden ist. Offenbar wird ein solcher anthropologischer Pessimismus auch in Scavolinis Debut A MOSCA CIECA von 1966, das zumindest in zögerlichen Ansätzen mit etwas Ähnlichem wie einer Narration aufwartet, auch wenn natürlich die darin auftretenden Personen nicht mehr als Schemen sind, so gut wie keine Dialoge geäußert werden - lediglich aus dem Off erklingen Verse von Samuel Beckett -, und sich in der knapp einen Stunde Laufzeit die ästhetischen Schwarzweißbilder selten, was das menschliche Kohärenzbedürfnis angeht, logisch und folgerichtig entwickeln. Gerade diese extreme Haltung des Unangepasstseins ist es, was alle Filme durchzieht, die ich bisher von Scavolini gesehen habe. In A MOSCA CIECA findet sie ihre inhaltliche Entsprechung in der hauchdünnen Story, die von einem jungen Mann handelt, der eines Tages in einem nicht abgeschlossenen, parkenden Auto einen Revolver findet, mit der Zeit eine regelrechte Obsession zu ihm entwickelt bis er dann am Ende, Bretons Ratschlag folgend, besagte Waffe in eine Menschenmenge richtet und ziellos abfeuert. Gewidmet ist A MOSCA CIECA übrigens dem 1969 mutmaßlich ermordeten Abdullah Hadon, einem Führer der südafrikanischen Antiapartheidbewegung. Dass Scavolinis Impuls auch und vor allem ein politischer ist, bestärkt nur noch die geistige Verbindung zu Godard und anderen aufbegehrenden, linken Filmemacher der späten 60er, auch wenn Scavolini, im Gegensatz zu Leuten wie Bertolucci oder Glauber Rocha, wohl hauptsächlich für die Genre-Beiträge bekannt ist und bleiben wird, die er in späteren Jahren abgeliefert hat.

Seinen bekanntesten Film zum Beispiel, schlicht NIGHTMARE betitelt, kann man bei einer oberflächlichen Lesart abtun als einen weiteren Beitrag zum Slasher-Genre, der einzig durch seine extreme Gewaltdarstellung ein bisschen aus der Reihe spritzt. Wer jedoch erst einmal damit begonnen hat, Scavolini von seinen Underground- oder Gegenkulturwurzeln als durchaus ernstzunehmenden, ambitionierten Filmemacher zu sehen, schafft es gar nicht darum umhin zu kommen, in NIGHTMARE die künstlerische Vollendung zu erkennen, in die seine gesamten, während der 70er entstandenen Genre-Abstecher kulminieren mussten. Ob nun SERVO SUO (1973), der Dekonstruktion des italienischen Thrillers, in der, mal wieder, ein existenzialistischer „Held“, der wirkt, als sei er aus einem Camus-Roman gestolpert, mit der Leere seiner Existenz konfrontiert wird, da er, neben seinem Beruf als Privatlehrer fürs Englische, im Grunde nur zu einer Prostituierten zwischenmenschlichen Kontakt unterhält, für den er natürlich zahlen muss, von einem Gangster-Syndikat aufgegabelt wird, das ihm das Angebot unterbreitet, unter neuer Identität als Killer zu arbeiten, oder SAVAGE HUNT von 1980, eine Art Remake von Antonionis BLOW UP, dessen Hauptfigur ein Photograph ist, der brisante Bilder schießt, von deren Brisanz er selbst nichts weiß, und der deshalb über mehrere Kontinente hinweg von diversen politischen Mächten gehetzt wird, die allesamt die Aufnahmen in die Finger bekommen wollen, oder der farbenfrohe, zuweilen geradezu surreale, auf jeden Fall äußerst traum- und rauschhafte Giallo UN BIANCO VESTITO PER MARIALÉ, dessen Handlung, in einem abgelegenen Gothic-Landhaus angesiedelt, um die Dezimierung einer illustren Partygesellschaft kreist, bei der sich mit steigendem Alkoholkonsum die schlimmsten menschlichen Gründe auftun - immer lassen sich für mich zwei große, miteinander verwobene Themenkomplexe erkennen, die Scavolini unablässig bearbeitet: zum einen die, schon aus ECCE HOMO und A MOSCA CIECA bekannte, Verstrickung des Menschen in ein System, dessen letzten Zweck er nicht versteht, und das ihn tatsächlich wie ein Spinnennetz umfasst hält, und zum anderen die Verlegung dieses Gedankens in das Gebiet der Kunst selbst, denn Scavolinis Filme tragen, mal mehr, mal weniger, ständig eine Metaebene mit sich herum, auf der der Regisseur darüber Überlegungen anstellt, inwieweit denn solch ein System - oder solche Systeme - denn auch dort zu finden ist/sind, wo es/sie aus avantgardistischer Perspektive erst recht nichts zu suchen hat/haben, nämlich im Bereich der Kunst selbst.

Zunächst sind Scavolinis Anti-Helden Dingen ausgeliefert, in die sie keine Einsicht haben, die zu groß, zu komplex sind, um von ihren begrenzten Blicken komplett erfasst zu werden. Die tragische Heldin in UN BIANCO VESTITO PER MARIALÉ ist, wie oft im Giallo, Opfer eines Kindheitstraumas. Der zum Killer mutierende Privatlehrer in SERVO SUO kann es sich immerhin aussuchen, ob er von einer als leer und kalt empfundenen Welt bestimmt wird oder von ebenso kalt operierenden Verbrechern, die sich vermeintlich über diese Welt erheben. Der Photograph, der in SAVAGE HUNT ein grausames Ende findet, ist sowieso bis zuletzt nicht einmal in der Lage, von seinem eingeschränkten Wissen heraus überhaupt erklären zu können, was genau es ist, was in den scheinbar harmlosen Photos so wichtig sein könnte, dass Menschen ihr Leben dafür geben müssen. Andererseits sind diese Figuren natürlich Spielbälle von Scavolini selbst, der daraus keinen Hehl macht und immer wieder Szenen in seine Filme einbaut, in denen dieses Verhältnis des Autors zu seinen Schöpfungen reflektiert wird. Man denke beispielweise an den Moment in den Katakomben des Schlosses von UN BIANCO VESTITO PER MARIALÉ, wenn eine Dame meint, sie würde beobachtet und plötzlich fast direkt in Scavolinis Kamera blickt, so, als sei sie sich plötzlich bewusst geworden, dass sie nur ein Insekt unter einem Mikroskop ist. Omnipräsent sind in NIGHTMARE und SERVO SUO Bildschirme, von denen aus Menschen beurteilt und analysiert werden. Dass in SAVAGE HUNT ein Walter-Gropius-Poster ins Auge sticht, ist da sicherlich auch kein Zufall. Bei Scavolini indes mischt sich diese Kritik an eingefahrenen narrativen Strukturen bereits mit einem Ausweg aus diesen. Man braucht sich nur das Gemeinschaftswerk zwischen Romano und seinem Bruder Sauro Scavolini ansehen, den wirklich großartigen, mich in Entzücken versetzenden Gegen-den-Strich-Giallo AMORE E MORTE NEL GIARDINO DEGLI DIE, um die Erfahrung zu machen, wie leicht und spielerisch hier Narrationsmuster gesprengt und verformt werden. Gerade dieser Film besteht aus einer Ansammlung von Szenen, deren spezifische Struktur sich über jedwede Chronologie und Linearität hinwegsetzt, die aber trotzdem, in die „richtige“ Reihenfolge gebracht, eine kohärente, schlüssige Geschichte erzählen. Für mich wäre AMORE E MORTE NEL GIARDINO DEGLI DEI Scavolinis Triumph über die Starre der Kunst, ein Pusten von Leben in gefrorene Systeme. Dass der Film damals nicht nur kein Erfolg war, sondern die Scavolinis in einer ruinösen finanziellen Situation zurückließ, spricht da im Grunde nur für ihn.

Ebenso radikal, nur vielleicht noch mehr darauf angelegt, seine Zuschauer zu irritieren, zu verführen und zu manipulieren, und damit fast schon so etwas wie ein früher Vorläufer von Hanekes FUNNY GAMES, präsentiert sich NIGHTMARE, den ich, wie AMORE E MORTE NEL GIARDINO DEGLI DEI, nicht unbedingt einen Genre-Film nennen würde, sondern eher eine Spielerei mit Genre-Versatzstücken, da Scavolini hier augenscheinlich zwei unabhängige, geschlossene Filmkosmen, einmal das Psychogramm eines hochgradig derangierten Serienmörders und dann einen reinen False-Scare-Pseudo-Thriller, in dem handlungstechnisch rein gar nichts passiert, außer dass das Publikum von einem fadenscheinigen Schockmoment in den nächsten geworfen wird, mit zunehmender Laufzeit zusammenmixt, so dass daraus eine subtile Parodie des kompletten Slasher-Genres entsteht, die damit endet, dass zwei Filmfiguren sich ihrer eigenen Fiktionalität bewusst werden und sich mit anklagendem und zuzwinkerndem Blick an den Zuschauer wenden. Noch in einem Spätwerk wie DOG TAGS von 1988, einem eher seltsamen Vietnam-Kriegs-Thriller, beackert Scavolini das gleiche Thema, in dem er seine dann doch recht konventionelle Story über mehrere Soldaten, die eine heikle Mission, nämlich das Bergen von im Dschungel abgestürzten Goldkisten, übernehmen sollen und dabei von ihren Vorgesetzen wie Marionetten benutzt werden, in eine Rahmenhandlung presst, deren Sinn sich zumindest mir nicht wirklich erschlossen hat.

Scavolinis zweiter Spielfilm, LA PROVA GENERALE von 1968, den ich nun endlich, einige Jahre nach den obigen Zeilen, endlich sehen konnte, reiht sich problemlos in die von mir damals gemachten Beobachtungen ein. In gewisser Weise führt er fort, was mit A MOSCA CIECA begonnen worden ist. Unterschiede sind: inzwischen sind die Bilder in Farbe, und eine nacherzählbare Narration ist nicht mal mehr in Bruchstücken vorhanden. Das soll sie aber wohl, wenn ich den Filmtitel richtig interpretiere, auch gar nicht. Scavolini möchte seinem Publikum bloß eine Generalprobe vorführen, kein vollendetes Werk. Folgerichtig befindet sich so ziemlich alles im Schwebezustand. Es ist reine Anordnung von Figuren – sofern man das, was die Darsteller verkörpern, wirklich als solche bezeichnen möchte -, von Situationen, Gedanken, ohne dass da irgendwas verbindlich wäre. Mehr als jeder andere Film erinnert LA PROVA GENERALE an Godard. Wie beispielweise in dessen MASCULIN FEMININ von 1966 handelt LA PROVA GENERALE von einer Gruppe junger Leute, die, mehr oder weniger verständlich – für jemanden, der die späten 60er lediglich aus einem Schulbuchkapitel kennt, wohl eher weniger – die politischen Umbrüche ihrer Zeit reflektieren, was vor allem darin besteht, vor der Kamera zu sitzen und Sätze zu äußern, die mehr von Parolen, von Zitaten, von aus dem Moment geborenen Gedanken haben als von dem, was wir als realistisches Sprechen empfinden würden. Von Beginn an verweigert Scavolini seinem Publikum, irgendeine Beziehung zu dieser Gruppe junger Leute aufzubauen, und seinen Figuren, irgendwelche Beziehungen untereinander zu unterhalten. Dementsprechend ist LA PROVA GENERALE ein ungemein sperriger Film, der seinen Betrachter permanent auf Distanz hält. Wahlweise kann man das als verkopfte Ausgeburt und gescheitertes Experiment der zeitgenössischen links-intellektuellen Szene betrachten oder als Fliegennetz, in das Scavolini, ob nun bewusst oder unbewusst, einen bestimmten historischen Moment in der Geschichte westlichen Denkens eingefangen und in Bilder gepresst hat.

BildBild

Diese sind übrigens mal wieder reiner Zucker, und den oftmals statischen Monologen – Dialoge gibt es ja so gut wie keine -, weit überlegen. Vor allem dann, wenn Scavolini mit Intermedialität herumspielt, wird es spannend. Da sind zwei Interviewer, die jungen Frauen scheinbar zufällige Fragen in öffentlichen Parks stellen. Einer fragt eine: warum bist Du glücklich? Sie lacht, weiß es nicht. Das veranlasst den Mann mit dem Mikrofon zu einer langen Litanei über die Hungerproblematik der Welt, westlichen Spätkapitalismus, ungleiche Güterverteilung zwischen Europa und dem Rest der Erdkugel, die heute, nach einem halben Jahrhundert noch genauso von irgendwem gehalten werden könne, und die in die rhetorische Frage mündet, ob die Hungernden denn nicht wüssten, weshalb sie unglücklich sind. Dass das Mikrofon dem Mädchen dabei wie eine Waffe entgegengehalten wird, ist typisch Scavolini. Echte Waffen gibt es aber freilich auch. Jemand schießt mit einer herum, parallel dazu fliegen Billardkugeln auseinander, parallel dazu wiederholt eine Gruppe zusammenstehender Leute die Kugelbewegungen, indem sie in verschiedenen Richtungen auseinandergehen. Arglose, etwas unbedarfte Schönheiten, die von politischen Agitatoren interviewt werden, ein Faible für Billard und Knarren wie in alten Hollywoodfilmen, das findet man – sollte das ein Zufall sein? -, wie mir gerade auffällt, ebenfalls in Godards MASKULIN FEMININ. Trotzdem ist Scavolinis Film weit davon entfernt, eine reine Replik zu sein. Ihm fehlt der Humor, den Godard damals noch gehabt hat. IL PROVA GENERALE ist zu keinem Zeitpunkt witzig. So wie es überhaupt in Scavolinis Gesamtwerk wenig zu lachen gibt, wie mir ebenfalls gerade auffällt.

BildBild

Aber staunen, das kann man. Darüber zum Beispiel, mit welchen einfachen Mitteln – man muss bedenken, dass IL PROVA GENERALE wahrscheinlich von Scavolinis Taschengeld finanziert worden ist -, er es schafft, einige eindrucksvolle Szenen zu generieren. Da sind ein Mann und eine Frau, nackt, gefilmt in grellem Licht, statuenstarr vor der Kamera. Sie umarmt ihn. Er umarmt sie. Sie lehnen sich aneinander. Das alles stets völlig steif, und mittels präziser Schnitte voneinander getrennt. Unsere kulturellen Gesten sind, sagt Scavolini hier, genau solche Mechanismen, in die wir uns verstricken, ohne uns zu fragen: woher?, wohin?, warum? Eine Westernstadt wird zur Kulisse, in der Lou Castel – der in LA PROVA GENERALE übrigens alles und jeden an die Wand spielt! – über Kindererziehung, einsetzende Demenz der Eltern und Abtreibungen philosophieren kann. Er steht dabei neben einem Papp-Cowboy mit Herzöffnung, durch die man vielleicht seine Fratze stecken soll. Außerdem gibt es eine schöne Reihe von tableaux vivants, die wohl in irgendeiner abstrakten Weise das Leben des alttestamentarischen Propheten Elija nachstellen sollen. Drei Männer und eine Frau haben hierfür nichts weiter als einen Strand, einen Stecken, eine Decke. Trotzdem fühlt man sich, als würde man den Säulengang einer ziemlich irren Kirche entlangschreiten. Eine Szene wiederum, die schon ein bisschen die Demontage des Vietnam-Kriegsfilms antizipiert, die Scavolini zwei Dekaden später mit DOG TAGS vollführen sollte, zeigt einen Blinden, der Passanten mit seinen Partisanenanekdoten, freilich aus dem Zweiten Weltkrieg, unterhält. Eine Standardsituation wie man sie schon 1968 aus viel zu vielen stumpfen Kriegsfilmen kennt folgt der nächsten. Die Sounds der fallenden Bomben, explodierenden Panzern, ratternden Maschinengewehre macht er allein mit seinem Mund. Was Scavolini später zum wesentlich subtileren Fundament von Filmen wie NIGHTMARE oder eben DOG TAGS machen sollte, wird in dem konsequent mit Handkameras und erneut von einem Macchi-Elektro-Score untermalten Film noch wesentlich plakativer scheinbar mit dem Wunsch nach außen gestülpt, dass nach dem Ende der Vorstellung der Saal so gut wie leer ist – sofern denn LA PROVA GENERALE jemals außerhalb von maoistischen Studentenclubs gelaufen sein sollte.

Bild
Bild
Bild

Zusammenfassend kann man jedenfalls sagen, dass Scavolini es mit seinem Oeuvre, soweit mir bisher bekannt, tatsächlich schafft, sich so zwischen den Stühlen zu positionieren, dass er gleichzeitig auf ihnen allen sitzt und auf keinem richtig. Für Freunde des derben und atmosphärischen Grauens stehen Filme wie NIGHTMARE oder UN BIANCO VESTITO PER MARIALÉ sowieso hoch in der Gunst, und auch von DOG TAGS oder eben SERVO SUO kann ich mir vorstellen, dass sie denjenigen begeistern, der vorrangig nach etwas absonderlicherer Unterhaltung sucht. Gleichzeitig haben all diese Filme, in mehr oder weniger starken Ausmaß, die Qualität von wahren Avantgarde-Werken eben darin, dass sie sich ein Stück weit auf Genre-Territorium vorwagen, nur um es dann aber zu unterwandern und den Zuschauer in das lockere Erdreich einbrechen zu lassen. Scavolini sucht in seiner Kunst nach einer Form, die als Ausgangsbasis nimmt, was die Tradition uns gegeben hat, und sich von dort aus zu ganz neuen Sphären aufschwingt. Scavolini möchte die Kunst von dem befreien, was sie hemmt, weil es sie in reine Standardschemata quetscht, in der kein Platz für Persönlichkeit bleibt. Für mein Leben möchte ich exakt das tun, was Scavolini in und mit seinen Filmen macht.
Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 3069
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

Re: Salvatores Skizzen zu einer Studie der absoluten Kontingenz

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Bild

Originaltitel: Nightmare

Produkitonsland: USA 1981

Regie: Romano Scavolini

Darsteller: Baird Stafford, Sharon Smith, C.J. Cooke, Mik Cribben, Danny Ronan, Tara Alexander, Randy Arieux

Mit NIGHTMARE dreht der italienische Regisseur Romano Scavolini 1980 einen Film, den man anhand seiner Entstehungszeit, seines Produktionslandes und einer flüchtigen Inhaltsangabe für einen weiteren herkömmlichen US-Slasher im Gefolge von HALLOWEEN oder FRIDAY THE 13TH halten könnte, der sich mir jedoch, hat man sein versteckteres Innenleben erst einmal freigelegt, als eine hochkomplexe Genre-Reflexion und Metaebenen-Studie entpuppte. Tatsächlich scheint die eigentliche Geschichte, die sich um einen gewissen George Tatum rankt, einen jungen Mann, der nach langem Psychiatrieaufenthalt als geheilt in die Freiheit entlassen wird, nur um dort dann feststellen zu müssen, dass die schrecklichen Alpträume, die ihn seit seiner Kindheit plagen und ihn bereits zu dem einen oder anderen Mord getrieben haben, erneut überhandnehmen und ihn allmählich wieder zum blutdürstigen Serienkiller mutieren lassen, nicht einmal Scavolini selbst besonders in dem Sinne zu interessieren, sie stringent, rund zu erzählen – stattdessen ist sie skizzenhaft angelegt, bewusst unfertig, mit vielen offenen Fragen und Lücken, die der Rezipient selbst füllen oder beantworten muss, will er sich des unbefriedigenden Gefühls widersetzen, dass ihm Wesentliches vorenthalten worden ist. Zu Beginn wirkt NIGHTMARE dabei wie eine Dokumentensammlung, in der an Polizeireporten, psychiatrischen Gutachten und biographischen Details zusammengetragen wird, was Aufschluss gibt über die lädierte Psyche des Protagonisten. Jedoch nicht nur die offiziellen Stimmen der Institutionen, die die Person George Tatum zu analysieren versuchen, kommen zu Wort. Scavolini blickt mit einer fast schon dokumentarischen, schonungslosen Kamera in das kleine Zimmer, in dem Tatum erst mal untergekommen ist und allnächtlich aus seinen brutalen Träumen hochschreckt. Er begleitet ihn während seiner schlaflosen Nächte durch die Rotlichtviertel der Stadt, wo er nach etwas Ablenkung sucht. Nicht zuletzt bohrt er sich in seinen derangierten Kopf hinein, um seine subjektive Sicht zu übernehmen und den Zuschauer teilhaben zu lassen an den ihn quälenden Visionen, in der er und wir immer wieder einen kleinen Jungen und Unmengen an Blutfontänen erblicken müssen. Gerade die Szenen, in denen Tatum eine Peepshow besucht, sind in ihrem unbeschönigten Naturalismus ein Paradebeispiel für den dreckigen, hoffnungslosen, düsteren und irgendwie auch wütend-verzweifelten Stil, der NIGHTMARE durchzieht. Scavolinis Handkamera fokussiert aus einer der im Kreis angeordneten Wichskabinen heraus eine Stripperin, die von Guckglas zu Guckglas tänzelt, um von den dort geifernden oder onanierenden Männern Geld-scheine zugesteckt zu bekommen, und bringt in einer anderen Szene, wenn eine weitere Dame sich vor Tatum mit einem Dildo stimuliert, nur um Haaresbreite keine eindeutigeren Einblicke. Tatums Abenteuer in der Freiheit, die sich als ihr exaktes Gegenteil herausstellt, bleiben dabei im Grunde unkommentiert. Scavolini zeigt uns nur, erklärt aber nichts. Was wir über Tatum wissen, stammt aus Dokumenten, die andere über ihn verfasst haben, autoritäre Instanzen, die uns in Szenen wie denen in der Peepshow indes mit unseren deprimierenden Eindrücken so weit allein lassen, dass wir uns zu Tatum eigenständig in Bezug setzen müssen. NIGHTMARE ist daher nicht wirklich so etwas wie das Psychogramm eines Psychopathen. Dafür fehlt Scavolini einerseits ein didaktischer Stil und andererseits ist die Distanz, die die Bilder zu uns einnehmen, eine viel zu große. George Tatum, das ist ein exotischer Insekt, angeglotzt durch ein Vergrößerungsglas, ein Insekt, das sich selbst nicht versteht, und wir im Übrigen auch nur so weit wie wir uns eine eigene, selbst erdachte Interpretation zurechtbiegen. Bis zum Schluss bleiben im Grunde wesentliche Fragen, die Tatums Wahn und seine Metzeleien betreffen, entweder ungestellt oder unbeantwortet. Erneut gilt: Scavolini führt vor, aber er leugnet eine Wahrheit, in der alles kulminiert. Die schmutzige, trostlose Welt, in der Tatum sich wiederfindet, sowohl die äußere wie auch seine innere, erscheint disparat mit allgemeingültigen und finalen Erklärungen, die einem, wie beispielweise im Genre-Ahnherr PSYCHO, nach der letzten Szene mit dem Gefühl entlassen, zumindest verstanden zu haben, was man da an Gräuel mit angesehen hat. Nur logisch ist es da, dass sich die Meinung von Tatums Psychologen, sein Patient sei tatsächlich aufgrund eines neu entwickelten Medikaments als völlig geheilt zu betrachten, in keiner Weise bestätigt, die Autorität hierbei nicht nur nicht weiterhelfen kann, sondern fulminant falschliegt.

Bild
Bild
Bild

Neben diesem Serienkillerdrama, sozusagen dem Film A, bietet NIGHTMARE indes noch einen Film B, der von Anfang an parallel zu ersterem verläuft. Zunächst ohne erkennbaren Zusammenhang schildert Scavolini eine Anti-Familienidylle irgendwo an der Küste Floridas, demontiert Figuren und Momenten des klassischen family movies in einer ähnlich unverblümten Weise, wie er uns durch Bordellstraßen und Tatums peinigende Visionen führt. Susan ist überforderte Mutter von drei Kindern, aus denen ihr Sohn C.J. unangenehm hervorsticht, weil er seine Umgebung mit den morbidesten Einfällen tyrannisiert. Regelmäßig muss vor allem seine Babysitterin Kathy darunter leiden, von ihm zu Tode erschreckt zu werden. Ebenso jedoch hat er eine diebische Freude daran, seine beiden Geschwister, seine Mutter oder deren neuen Freund mit fingierten Horrorszenarien immer wieder aufs Neue zu entsetzen oder wenigstens zu irritieren. So erschrickt er Kathy als angeblich maskierter Killer, täuscht vor, dass ihn ein fremder Mann mit einem Messer schwer verletzt habe, indem er sein Shirt mit Ketchup durchtränkt und sich unter Krämpfen auf dem Boden windet, oder erfindet seltsame Geschichten, in denen er behauptet, jemand beobachte ihn nachts im Schlaf, bloß um seiner Umgebung Angst einzujagen und sich offenbar als der Überlegene zu fühlen, derjenige, der die Fäden in der Hand hat, nach denen seine Nächsten handeln. Diesen Film B, aufgrund der großartigen Montage homogen und organisch mit Film A verbunden, der wiederum sich ihm mit der Zeit sukzessive annähert bis er im letzten Drittel eine Symbiose mit ihm eingeht, ist im Grunde nichts weiter als ein reiner false scare movie, der mit der Erwartungshaltung seines Publikums spielt und es permanent hinters Licht führt. Eigentlich passiert nämlich dort, mal abgesehen von C.J.s ausgefeilter Terrorkreativität, nicht viel. Szenen, in denen eine Gefahr vorgetäuscht wird, die sich schlussendlich als nicht existent erweist, gehören im Slasher-Genre freilich zum Inventar, so inflationär wie Scavolini hat sie jedoch wohl nie jemand zuvor oder danach eingesetzt. Die gesamte Geschichte um C. J. und seine Familie hangelt sich von einer Täuschung zur nächsten, und Scavolini hilft mittels POV-Shots und dem Heraufbeschwören einer wirklich unheilschwangeren Atmosphäre, die selbst die wenigen leichteren, sonnigeren Momente des Films wie ein Nebelschleier überdeckt, eifrig dabei mit, sein Publikum stets aufs Neue in seine Fallen tappen lässt. Dadurch, dass Tatums reale Morde und die nur vorgetäuschten Killerattacken und unheimlichen Begebenheiten im Haus der Temper-Familie synchron zueinander verlaufen, wird die Illusion, Film A würde bereits vorzeitig auf Film B übergreifen und endlich in ihn eindringen, an den dichtesten Stellen des Films perfekt. Da hat man gerade gesehen, dass Tatum, von dem einem früh klar ist, dass ihn irgendwas mit den Tempers verbinden muss, C.J. vor dessen Anwesen be-gegnet ist, und einen Schnitt später stürzt der Junge angeblich blutverschmiert seinen Geschwistern in die Arme. Ein anderer grandioser Moment ist der, wenn Scavolini den Täuschungsmanövern des Bengels mehr Interesse zuwendet als den wirklichen Bluttaten Tatums. Während der nämlich off-screen eine Frau abschlachtet, ist C.J. mal wieder damit beschäftigt, seiner Babysitterin nachzustellen. Statt Tatums Mord en detail zu bebildern und ihn nicht nur zu zeigen wie er in einer sehr bewegenden Szene sein totes Opfer unter lauten Verzweiflungsschreien irgendwo zwischen Sanddünen bettet, kümmert sich Scavolini mehr darum, seinem Publikum vorzugaukeln, Tatum sei bereits in das Temper-Haus eingestiegen und die Tötung der Babysitterin, an sich sowieso eine als Kanonenfutter prädestinierte Figur, stünde kurz bevor. Mit zunehmenden Laufzeit wird klar, dass Film B reflektiert, was in Film A geschieht, oder anders gesagt: Scavolini nutzt Film B, um ganz offen die Mechanismen aufzudecken, nach denen Filme wie NIGHTMARE funktionieren, eben die Mechanismen, die in Film A ohne die Enttäuschung ineinandergreifen, dass es sich letztlich nur um einen weiteren Lausbubenstreich handelte, und es spricht nur für Scavolinis Methodik, dass er nicht versäumt eindeutige Verweise auf die Filmgeschichte einzubauen, mit denen er sie zumindest ansatzweise theoretisch untermauert. Nehmen wir den Moment, in dem Film A sich zum ersten Mal wirklich in Film B hineinbegibt. Tatum ist endlich in das Temper-Haus eingestiegen und kann sich gerade noch in einem Schrank verstecken, nachdem er von Susan, die mit ihrem Lover Bob vor dem Anwesen ein paar Photos schoss, auf einer der Polaroid-Aufnahmen am Fenster entdeckt worden ist. Es könnte natürlich auch nur ein Schatten sein, beruhigt sie ihr Freund, während Tatum, bewaffnet und bereit, im Notfall zu töten, nur ein paar Schritte entfernt im Schrankversteck steckt. Schließlich kann Bob Susan davon überzeugen, dass der angebliche Mann am Fenster nichts weiter als eine optische Täuschung ist. Dass ihr Gespräch im Folgenden zu Michelangelo Antonionis Meisterwerk BLOW UP schweift, unterstreicht nur, wie durchdacht diese Szene ist, in der ein lügendes Medium eine Wahrheit verkündet, die schlussendlich als Lüge begriffen wird. Eine andere Szene, früher im Film, macht noch deutlicher, dass wir es mit einem Film zu tun haben, der sich völlig bewusst darüber ist, dass es sich bei ihm bloß um einen solchen handelt, und dass nur seine Figuren es sind, die davon keine Ahnung haben. Tatum befindet sich bei einem Gespräch mit seinem Psychologen. Eine breite Glasscheibe in dessen Büro fungiert als Kamera, als sich herausstellt, dass dahinter, für Tatum unsichtbar, eine ganze Riege Wissenschaftler sitzt, die ihn bei der Unterhaltung belauschen und sich mit Forscherinteresse über seine Psyche beugen wie ein naturalistischer Autor über seine Fiktionen. Damit führt Scavolinie uns nichts anderes als eine Kinosituation vor. Die Psychologen sind das Publikum, das sich von Tatums Traumschilderungen und Seelenschmerzen unterhalten lässt, der in einer Sekunde, in der er uns durch den Spiegel direkt anblickt, fast so wirkt, als würde er durchschauen, dass er selbst nur eine Imagination ist. Gleichzeitig sind die Psychologen jedoch auch nicht besser dran als Tatum. Ihre Ebene ist zwar eine wissendere, allerdings keine allwissende, denn sie wiederum ahnen freilich nicht, dass sie selbst ebenso beobachtet werden wie sie beobachten, nämlich von uns, dem wahren Publikum. Aber auch wir sind Manipulationen unterworfen, die Scavolini, der Gott seines Universums, an uns erprobt, wenn er dauernd C.J. benutzt, um uns zu necken und zu frustrieren. Deutlicher als bei dem von ihm vorgetäuschten Attentat kann es kaum werden, wenn Bob feststellt, dass das vorgebliche Blut an den Kleidungsstücken des Jungen nichts weiter als Ketchup ist. In Film B ist demnach alles reine Fassade, reine Oberfläche, eben auch das, was in Film A so hellrot schäumt und sprudelt. Die Splatterorgien in Film A, die wahrlich nicht zimperlich sind und in ihrer Überästhetisierung von Leid und Sterben weit mehr in der Tradition der kunstvoll-schwelgerischen Gewaltballette eines Argento, den surrealen Blutfontänen in Kubricks SHINING und dem naiv-kindlichen Schauwerten des Grand Guignol stehen als einfach nur stumpf und dumpf die Blutgeilheit des gemeinen Horrorfans zu befriedigen, erfahren eine regelrechte Entzauberung, wenn C.J. uns ins Gedächtnis ruft, dass es sich bei ihnen ja ebenfalls nicht um reale Morde handelt, dass sie genauso eine Täuschung darstellen, dass die zersägten Körperteile, die Blutpfühle, die Agonien von Tatums Opfern nur einen weiteren Trick darstellen, mit dem dieser Film oder das Medium Film im Allgemeinen uns eingefangen hat.

Bild
Bild
Bild

Bezeichnend ist nunmehr wie die Verschmelzung von Film A und Film B vonstattengeht, es entsteht nämlich keine Demokratie, in der beide Filme gleichwertig nebeneinander herrschen würden, vielmehr wird Film A, der „echte“ Film, der „realistische“ Film von Film B, dem „täuschenden“ und „ent-täuschenden“ Film förmlich aufgesaugt. Tatum verschwindet unter C.J.s Maske, um ein gesichts- und emotionsloser Killer wie Michael Myers oder Jason Voorhees zu werden, ein Kniff, der den Film im Finale zu einer offensichtlichen Parodie des Showdowns von Carpenters HALLOWEEN verwandelt. Tatum ist nun nicht mehr der zerbrochene und zerbrechende Charakter von Film A, er mutiert zu einem Stereotyp, einer Tötungsmaschine, einer Genre-Konvention, die kein Schicksal, keine Biographie zu haben scheint, und, ganz getreu der Slasher-Regeln, Kathy und deren Boyfriend, die sich mittels Joints und vorehelichem Sex schuldig gemacht haben, auszumerzen und überdies unzählige Kugeln einstecken kann, die C.J. auf ihn abfeuert, ohne von ihnen gestoppt zu werden, eben weil das Genre es so verlangt. Scavolini zerstört indes ein weiteres Mal eine Illusion, der man sich gerade hatte hingeben wollen, wenn er in Tatums Sterben eine lange, sorgfältig vorbereitete Rückblende setzt, die Aufschluss gibt über Tatums Vergangenheit und ein Schlüssel ist zu seinen schrecklichen Traumbildern. Niemand wird verkennen, dass dieser Flashback ganz in der Tradition des italienischen Giallo steht. Namentlich Argentos PROFONDO ROSSO, der sich übrigens mehr als ein bisschen von Antonionis BLOW UP inspirieren ließ, sticht überdeutlich ins Auge. Nicht nur, dass Scavolini hier laienpsychologisch ein ziemlich amüsantes und ironisches Kindheitstraumata konstruiert, das mit einer Freudschen Urszene seinen Anfang nimmt, zugleich kann man den Rückblick filmhistorisch lesen, da ja bekanntlich der US-amerikanische Slasher seine Antizipation in originär italienischen Thrillern wie Martinos TORSO oder Bavas REAZIONE A CATENA erfuhr, und sich somit ein Kreis schließt, der die Vergangenheit mit der Gegenwart und Zukunft vereint, analog zu Tatum, der in eben jenem Haus seinen Tod findet, in dem er als Kind seinen ersten Mord beging. Die letzten Einstellungen heben den Film dann noch weiter in jenen Bereich der Metaebenen, die in Filmen wie SCREAM zu einem lediglich augenzwinkernden, humorvollen Zitatenspiel dienen. Scavolini zeigt uns nun zwei Kinder. Kind A ist der junge Tatum, blutbefleckt vor einem Spiegel, in den er ernst, beinahe vorwurfsvoll stiert bevor er die Blicke senkt. Kind B ist C.J., in einem Polizeiauto sitzend, nachdem er Tatum zur Strecke gebracht hat, und recht ausdruckslos aus der Scheibe starrend bis er direkt in die Kamera zu blinzeln scheint und zu lächeln beginnt. Sicher kann man diese Szene auch so inter-pretieren, dass C.J. nun das Erbe seines Vaters, denn um niemand anderes handelte es sich bei Tatum, antritt und alsbald selbst zum Serienkiller werden wird, für mich ergibt sich nach all dem oben Gesagten jedoch eine weitaus sinnigere Interpretation. Es ist Hanekes FUNNY GAMES, an den ich mich bei C.J.s Blinzeln erinnert fühle, an diese überraschende Szene, wenn Arno Frisch sich plötzlich zur Kamera, d.h. zu uns, umwendet und uns zuzwinkert. C.J., so scheint es mir, ist sich in diesem Moment ebenso wie der junge Tatum eindeutig bewusst, dass es sich bei ihm um eine Filmfigur handelt. Beide begreifen, dass sie Werkzeuge sind, Werkzeuge Scavolinis, die dieser fabriziert hat, nur um uns, seine Zuschauer, mit ihnen die Zeit zu vertreiben. Tatums vorwurfsvoller Blick wirkt wie eine Anklage und der von C.J. verschwörerisch, komplizenhaft, so, als wolle er uns mit ihm sagen, dass er bereit sei, noch mehr für uns zu morden, in einem Sequel zum Beispiel oder einer ganzen Slasher-Reihe mit dreizehn, vierzehn Aufgüssen. Damit führt Scavolini mit erschütternder Konsequenz eine Publikumsirritation zu Ende, die, mag sie auch subtiler und gleichsam schwer fassbarer sein als in vergleichbaren Filmen wie CANNIBAL HOLOCAUST oder dem bereits erwähnten FUNNY GAMES, nichtdestotrotz ähnlich erfolgreich darin ist, mich wie ein ertappter Voyeur fühlen zu lassen, wenn der Abspann rollt.
Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 3069
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

Re: Salvatores Skizzen zu einer Studie der absoluten Kontingenz

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Bild
Originaltitel: Au Fond Des Bois

Produktionsland: Frankreich 2010

Regie: Benoît Jacquot

Darsteller: Isild Le Besco, Nahuel Pérez Biscayart, Bernard Roquette, Mathieu Simonet, Jérôme Kircher

Obwohl der 1947 in Paris geborene Regisseur und Drehbuchautor Benoît Jacquot seit Mitte der 70er Jahre ein bereits relativ üppiges Oeuvre aus Spiel- und Dokumentarfilmen vorgelegt hat, hatte ich bis vor Kurzem lediglich zwei seiner Filme gesehen, zum einen LA FILLE SEULE aus dem Jahre 1995, der quasi in Echtzeit Virginie Ledoyen dabei begleitet wie sie in ihrer Rolle als normale, junge Frau namens Valérie ihren ersten Arbeitstag in einem Hotel hinter sich bringt, sowie LES ADIEUX À LA REINE von 2012, der aus der Sicht einer Kammerzofe den physischen wie psychischen Verfall des französischen Königshauses am Vorabend der Revolution schildert. Beide Filme haben mich nicht wenig dadurch begeistert, dass Jacquot es schafft, derart nahe bei seinen Figuren sein, dass selbst ein weitgehend ereignisloser Hotelarbeitsalltag wie in LA FILLE SEULE zu einem großen Spektakel wird, und dass er es andererseits bei den wirklich großen Spektakeln wie der Französischen Revolution in LES ADIEUX À LA REINE schafft, nie die üblichen Fehler von Kostümfilmen zu begehen, sich zu theatralischem Pomp und Prunk aufzublasen, sondern stets die gewählte bescheidene Perspektive einer mehr oder minder unbedarften Kammerzofe konsequent beibehält. In dem 2010 erschienenen AU FOND DES BOIS bin ich nun zum ersten Mal einem Film Jacquots begegnet, der mich derart nachhaltig verstört und aufgewühlt hat, dass ich kurz davor bin, ihn zum Meisterwerk auszurufen.

AU FOND DES BOIS beruht auf wahren Begebenheiten. Das behaupten zwar viele Filme, in diesem Fall scheint es jedoch ausnahmsweise zu stimmen. Offenbar hat Jacquot vor allem Gerichts- und Prozessakten gewälzt, in denen von merkwürdigen Ereignissen im Südfrankeich des Jahres 1895 berichtet wird. Ein unbekannter Fremder trifft in einem verschlafenen Provinznest ein, verliebt sich dort in die Tochter des Arztes, der ihn bei sich aufnimmt, und überzeugt sie, je nach Lesart, mittels Hypnose, Magie oder faulen Taschenspielertricks davon, ihr Elternhaus zu verlassen und ihm als willenlose Gefährtin auf seiner Wanderung durch die Wildnis zu folgen. Dabei beginnt AU FOND DES BOIS wie eine schmutzigere Variante von Truffauts L’ENFANT SAUVAGE. Der Arzt, der laut eigener Aussage zusammen mit seiner Tochter Josephine der einzige Mensch innerhalb der Dorfgemeinschaft ist, der über ein Grundmaß an Bildung und Kultur verfügt, d.h. beispielweise lesen und schreiben kann, nimmt den ziemlich verwahrlosten, humpelnden und sich taubstumm stellenden Timothee in seinem Haushalt auf, um ihn als Studienobjekt zu gebrauchen. An dem jungen Burschen, den er einmal wenig unverblümt als Wilden bezeichnet, sollen, ähnlich wie in Truffauts ebenfalls auf historischen Quellen basierendem Film, medizinische, soziologische und biologische Fragestellungen abgearbeitet werden. Schon beim ersten gemeinsamen Abendessen jedoch spürt man, dass zwischen Timothee und Josephine etwas in der Luft liegt und knistert, das mit Liebe auf den ersten Blick wohl zu possierlich, zu nett umschrieben wäre. Es ist wesentlich animalischer, triebgesteuerter, was die beiden jungen Menschen sofort miteinander verbindet, und wird, soviel kann ich verraten, bis zum Schluss des Films niemals in Bereiche rücken, wo es mit Sprache zu fassen wäre. Es sind kleine Gesten, mit denen Timothee Gewalt über Josephine zu gewinnen scheint. Er streicht mit seinem Finger am Rand eines Trinkglases entlang. Er berührt sie an einer bestimmten Stelle ihrer Wirbelsäule. Schließlich, als ihr Vater auf Krankenvisite im Dorf ist, überfällt er sie in der Küche, vergewaltigt sie. Josephine ist ihm völlig hörig, regelrecht an ihn gebunden, und läuft ihm in den Wald und eine ungewisse Zukunft hinterher. Auf ihrer Reise verdienen sie sich Geld mit Gauklertricks, schlafen mitten im Forst. Josephine ist Timothees Sexspielzeug: er nimmt sie sich, wann er will, wo er will und wie er will. Mehrmals versucht sie zu fliehen, doch etwas lässt sie immer wieder zu ihm zurückkehren. Die Frage, die bleibt: was ist dieses Etwas, das sie an ihren Entführer kettet?

Bild
Bild
Bild

Es sind wahre Besessenheitsszenen, in die AU FOND DES BOIS während seiner ersten Hälfte immer wieder verfällt, und in denen Isild Le Besco eine der hysterischsten schauspielerischen Leistungen absolviert, die ich jemals außerhalb eines Films von Andrzej Zulawski gesehen habe. Tatsächlich wirkt AU FOND DES BOIS über weite Strecken auf mich, als habe Louis Malle beim großartigen Finale seines LACOMBE LUCIEN nicht haltgemacht, sondern sich entschlossen, weitere neunzig Minuten darauf zu verwenden, ein Remake von Zulawskis SZAMANKA nach einem Skript von Werner Herzog zu drehen. Isild Le Besco bewegt sich mechanisch wie ein Automatenmensch, bricht in Schreie aus, reißt die Augen weit auf und wirft an Irrsinn kaum zu übertreffende Blicke in die Kamera, während Nahuel Pérez Biscayart mit verfaulten Zähnen und hämischem Grinsen wie ein koboldhafter Puppenspieler ihre Exzesse dirigiert. Sex und Gewalt dominieren diesen Film zwar definitiv nicht in graphischer Hinsicht, trotzdem greift AU FOND DES BOIS seine Zuschauer regelrecht physisch an, reißt die Grenze nieder, die normalerweise zwischen Betrachter und Spektakel besteht, um die Besessenheit seiner Hauptfigur über die Leinwand hinaus zu transportieren. Die fast schon unheimliche Nähe zu seinen Protagonisten, die ich schon bei LA FILLE SEULE und LES ADIEUX À LA REINE gespürt habe, steigert sich in AU FOND DES BOIS vor allem in den Szenen, in denen Timothee seine Macht über Josephine schonungslos ausspielt, in eine nahezu durchbohrende Intimität, die man als Zuschauer kaum zulassen möchte. AU FOND DES BOIS ist einer dieser Filme, die einen dritten Raum zwischen sich selbst und seinem Publikum etablieren. Man könnte auch, in Bezugnahme auf einen Slogan, mit dem Argentos TENEBRAE einst in Deutschland beworben worden ist, sagen: es ist ein Film wie ein Axthieb – und zwar ein Axthieb, der das gefrorene Eis zwischen Leinwand und Kinopublikum brechen soll.

Bild
Bild
Bild

Dabei ist AU FOND DES BOIS bestimmt von einer Offenheit in der Montage, den Kameraeinstellungen, dem Einsatz der teilweise leicht deplatzierten und leicht überzeichneten Streichermusik, dass prinzipiell jede Lesart möglich ist, mit der der Zuschauer an ihn herantritt. AU FOND DES BOIS gibt nichts vor, lässt alles offen, bezieht keine inhaltlichen, nur ästhetische Statements. AU FOND DES BOIS kann für den einen ein akkurater Historienfilm sein, für den anderen ein feministisches Filmpamphlet, das die Unterdrückung der Frau durch das Patriarchat anprangert. Es ist möglich, in AU FOND DES BOIS einen antifeministischen, das Patriarchat stützenden Film zu sehen, man kann ihn als äußerst grimmige, gegen den Strich gebürstete Liebesgeschichte verstehen, oder gar als düsteres Fantasymärchen, das von einer magiebeseelten Welt erzählt. Jacquot liefert einzig Bilder, keine Erklärungen dazu. Selbst das antiklimatische Ende, das in langen Verhören und Gerichtsverhandlungen mündet, stellt mehr Fragen als dass es Antworten geben würde. Dieser Film behandelt sein Publikum wie jemanden auf Augenhöhe, mündig genug, dort Sinn zu stiften, wo noch keiner ist, und sich selbst einen Weg zu bahnen durch die dichten Wälder Südfrankreichs.

In Deutschland ist AU FOND DES BOIS übrigens unter dem irreführenden, wenig nützlichen Titel DEEP IN THE WOODS – VERSCHLEPPT UND GESCHÄNDET auf einer DVD erhältlich, die ich trotzdem jedem ans Herz lege, sofern es für sprachlos machenden Frauen-Performances in Zulawski-Filmen wie LA FEMME PUBLIQUE, POSSESSION oder SZAMANKA, die wunderschön-märchenhafte, stille, andächtige aber auch bedrohlich-blutige Kinematographie und Ästhetik von Louis Malles BLACK MOON, den hypnotischen, schlafwandlerischen Zauber von Werner Herzogs HERZ AUS GLAS und generell für die Schönheit und Düsternis südfranzösischer Wälder schlägt. Was für ein grandioser Film!
Antworten