ugo-piazza hat geschrieben:Ich muss aber dem italo mal für seinen Veranstaltungshinweis danken, denn dieser Termin wäre gewiss an mir vorbeigerauscht. Der Theatersaal erinnerte mich an einen klassischen Kinosaal (es war wohl auch früher ein Kino), die Sessel gemütlich, die Beinfreiheit großzügig. Die Leinwand hätte größer sein dürfen.
Von mir auch Danke für den Hinweis! Und das Theater war wirklich ein kleines Schmuckkästchen. Meine Frau und ich haben den Ausflug ja direkt genutzt, vorher ein bisschen durch Lübecks Altstadt zu flanieren und sind dabei nicht nur an den Stammkinos der CineStar-Kette, sondern auch am Erotikkino vorbei.
Verkaufsoffener Sonntag und "Lübeck singt" sorgten für volle Gassen, leider scheinen die Haupteinkaufsmeilen nur noch aus Ketten zu bestehen, kaum mal ein "inhabergeführter" Laden, fast ausschließlich EInheitsbrei. Dafür schien das tolle Wetter die örtlichen Tauben zur Dauerbalz animiert zu haben, so liefen immer wieder aufgeplusterte Vögel hinter den anderen her. Da der FIlmstart näher rückte, haben wir in einer der kleinen Seitengassen noch im "Flammkuchenhaus" den Hunger gestillt und dann weiter zum "Volks- und Komödientheater Geisler", welches Ende 2002 wohl von Tommy Geisler übernommen, umgebaut und neu eröffnet worden ist. Geisler ist dort in allen Funktionen tätig: Inhaber, Intendant, Regisseur, Schauspieler - und gestern hat er sich auch direkt um die Vorführung gekümmert. Dazu einige freundliche, ältere Damen als Bedienung, jede Menge Fotos und Bilder von kleineren und größeren Berühmtheiten. Sehr schick eingerichtet das Ganze.
Zur Vorstellung hatten sich dann 12 Personen eingefunden, vom "Fast-Erste-Reihe"-Sitzer bis zu einem Silberlocken-Trio gab es noch ein etwas älteres Paar, dass jede Sekunde nutzte, um Zeitung zu lesen.
Dr. Monkula und ugo-piazza saßen - schätze ich mal - in der gleichen Reihe wie wir (The Riffs-Shirt?). Nach mehrmaligem Ding-Dang-Dong, gingen dann die Lichter aus, der Vorhang zur Seite und das Programm los.
ugo-piazza hat geschrieben:Vorweg gab es eine FOX tönende Wochenschau aus der Zeit direkt nach dem Mauerbau, einen rotstichigen Heintje-Trailer mit Heinz Reincke als Rennfahrer und einen mir bisher unbekannten Langnese-Spot, nach dem tatsächlich eine alte Oma Eis loswerden wollte.
Ja, welch Freudenfest die Wochenschau doch war! "Hier die bösen Kommunisten-Soldaten und die perversen Diktatoren, die sich kinderfreundlich geben! Und hier die größten Helden aller Zeiten, die GIs, die Briten mit ihren Panzern und jubelnde Menschenmassen, die einfach nur in Freiheit leben wollen!" - krass, wie sich diese Sachen (in der Berichterstattung) bis heute kaum geändert haben. Bewegend aber auf jeden Fall die berühmten Bilder des flüchtenden Soldaten. Nach dem Blick auf "Berlin" dann noch die Weltschau mit einem die Alpen überfliegenden Ballon und einer großen Kletterrunde, abgerundet von einer Turmspringershow. Anschließend wurde bei "Mein bester Freund" Gang 5 eingelegt, Heintje trällerte als würde sein Rennfahrer-Papi sonst nicht ins Ziel kommen und als Kirsche auf der Torte noch die Gastdarsteller "der Star aus Anatevka" und kein geringeres Ensemble als der Don Kosaken-Chor!
Der Langnese-Spot erschien mir auch unbekannt, aber ich glaube, dass es davon mehrere Versionen gibt, denn gefühlt waren ein, zwei Szenen doch bekannt. Die ältere Eisverkäufer-Dame hatte dann natürlich das Glück, dass meien Frau da war und konnte dementsprechend Umsatz generieren.
italostrikesback hat geschrieben:Und wie wirkt der Film heutzutage als 35mm Vorführung?
Und dann ging es los. Wie schon erwähnt, war Alaska in ein gedämpftes Sonnenbrand-Rot getaucht, die Laufstreifen rannten um ihr Leben - gerade bei Aktwechseln ganz herrlich unterlegt vom Knistern auf der Tonspur - und das Geschehen nahm seinen Lauf. "Doug Mc. Clure", so stellten die Credits ihn uns vor, als der bärtige Trapper Don Rutland, der offenbar aus den Wäldern der grenzenlosen Güte kommt, bekommt es nicht nur mit einer der besten Kinderrollen aller Zeiten zu tun - der kleine Billie darf gefühlt die erste Hälfte des Films bedeutungsschwager liegend durchs Delirium, auf der Tonebene durch schwerstes Stöhnen verdeutlicht
- sondern auch mit richtig bösen Buben, zu denen auch Klaus Löwitsch gehört! Daneben noch schöne (Sheriffstochter Kristina Nel ließ mich die ganze Zeit an Katharine Ross denken, sehr hübsche Dame!) wie skurrile Charaktere: Natürlich Roberto "der verhinderte Muhammad Ali" Blanco, der seine tödliche Rechte in einem strahlend-weißen Gips verbirgt (selbst bei dieser mitgenommenen Kopie war der noch weiß!
), und später Rutland unterstützt, aber noch übertroffen wird von Heinz Reinckes Capt'n Brandy. Größte Szene? Reincke auf einem Tisch seiner Bar, eine Buddel in der Hand auf Ex, während die anwesenden Trunkenbolde, den Tisch gleich einer stürmischen Seefahrt ordentlich durchschütteln. Doch dieser "Hurrikan" kann einem echten Seebären nichts anhaben und Brandy leert selbstverständlich die Flasche, nur um sich zwei Sekunden später per Pirouette direkt vor der Treppe zum kurzen Nickerchen zu verabschieden.
Abgerundet wurde das Ensemble noch durch einen "Ich kann nur 'Ich weiß nicht' sagen"-Trapper.
Als Drehorte hat man einige lauschige Plätzchen gefunden, speziell der eine Wasserfall war ein Hingucker. Dazu einige zünftige Schlägereien - persönliches Highlight bei der Kneipenkeilerei: einer der "Bösen" hat schon gar keine Kraft mehr und Rutland gibt ihm auch nur noch einen Klaps auf die Schulter, damit er umkippt, Schusswechsel und sogar Dynamit! Tierfreunde dürften auch auf ihre Kosten kommen, denn von Huskies, die Rutlands Schlitten ziehen, über einen Schäferhund bis hin zur "Ich versteck mich unter der Hotelbettdecke und lege ein Ei"-Henne
hat man auch an animalische Unterhaltung gedacht. EDIT: Ach fast vergessen, es gibt ja auch noch den Adler(?), der teilweise zusammen mit der hand des Falkners im Bild ist. Charmant, natürlich nicht einwandfrei, aber doch authentisch. /EDIT
Der Film ist aus meiner Sicht sicher nicht der große Wurf, die Vorführung mit dem ganzen Drumherum hat aber sehr viel Freude bereitet. Wer also nächsten Sonntag noch Zeit findet, um nach Lübeck zu kommen, sollte sich die Chance nicht entgehen lassen.
EDIT: Sehr schön auch der kurze Dialog mit einer der älteren Damen des Hauses, die nach der Vorstellung noch gefragt hat, wie es denn gefallen hätte und die äußerst überrascht war, als ich meinte, dass Roberto Blanco und Klaus Löwitsch mitspielten. "Ach, ist das denn ein deutscher Film?"
Knuffig. /EDIT