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Made in Britain - Alan Clarke (1982)

Verfasst: So 24. Jul 2022, 03:55
von Maulwurf
 
Made in Britain
Made in Britain
Großbritannien 1982
Regie: Alan Clarke
Tim Roth, Terry Richards, Bill Stewart, Eric Richard, Geoffrey Hutchings, Sean Chapman, John Bleasdale, Noel Diacomo, Maurice Quick, Sharon Courtney, Steve Sweeney, Kim Benson

Made in Britain.jpg
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Skinhead Trevor ist auf dem Weg nach unten. Nach ganz unten. Und er ist so voller Hass auf das System, auf die Welt, auf andere Menschen und auf sich selbst, dass es ihm egal ist wo er landet. Hauptsache keine Regeln befolgen und sich nicht anpassen müssen. Wir folgen Trevor einen Tag und eine Nacht durch eine Jobvermittlung, wir sehen zu wie er Steine wirft auf Wohnungen von Einwanderern, wie er im Jugendwohnheim rebelliert, und wie er letzten Endes auf einer Polizeiwache landet und damit die Richtung für sein gesamtes kommendes Leben stellt.

Sagt sein Blick im letzten Standbild, dass er begriffen hat, dass er für diesen Rest seines Lebens Regeln befolgen und sich anpassen muss? Wenn dem so ist, dann sagt sein Blick auch, dass er plötzlich begriffen hat, dass es jetzt zu spät ist etwas zu ändern. Der Rest seines Lebens, und Trevor ist erst 15, wird aus Zucht und Ordnung bestehen, aus Härte, aus Schlägen und aus eiskalter und unbedingter Zurückweisung. Und ob er daran zerbrechen wird, das weiß niemand. Er am allerwenigsten.

Der Titel MADE IN BRITAIN deutet aber noch auf etwas anderes hin, nämlich auf die Ursachen von Trevor. Die 70er-Jahre waren in Großbritannien eine Zeit, bestehend aus extrem hoher Arbeitslosigkeit, Gewalt in den Straßen, und dem alltäglichen Kampf um das Überleben. In einer Dokumentation über Manchester wurde mal der Terminus verwendet, dass es Mitte der 70er aussah wie nach einem Krieg. Die Häuser waren Ruinen, das beherrschende Element der Städte waren Straßen, und auf allem lag eine dicke Schicht Dreck. Wer in so einer Umgebung aufwächst, die dann meist auch von Kriminalität und Gewalt geprägt wird, der hat schlussendlich gute Chancen so zu werden wie Trevor - Voller Verachtung für sich, für alle, für das System, für die gesamte Welt. Aggression und Hass als die einzigen wesentlichen Merkmale eines Menschen, geformt durch eine Umwelt, die einzig diese Eigenschaften hervorbringen kann. Made in Britain bedeutet in diesem Kontext also letzten Endes nichts anders als Born to loose – Wer von hier kommt hat keine Chance.

MADE IN BRITAIN ist ernüchterndes Cinema Verité über eine Gesellschaft, die aus Wut und Hass besteht, und die denjenigen, die dem Zwang zur Anpassung ablehnend gegenüberstehen, ein unüberwindbares und ausgeklügeltes System der Ausgrenzung entgegensetzen. Stark und brutal in seiner nüchternen Darstellung ist der Film ein erschreckender und intensiver Blick auf eine Welt, die aus purer Verneinung besteht. Auf beiden Seiten!

7/10

Re: Made in Britain - Alan Clarke (1982)

Verfasst: So 24. Jul 2022, 14:31
von sid.vicious
Das ZDF hatte den dereinst ausgestrahlt. Und der Zeitpunkt liegt zwischen 1982 und maximal 1984. ZAGARBATA wurde übrigens auch vom ZDF angekündigt und ist kurz vor der Ausstrahlung (ich meine, sogar zweimal) abgesagt worden.

MADE IN BRITAIN ist purer Nihilismus. Der Film wirkt sehr authentisch.

Re: Made in Britain - Alan Clarke (1982)

Verfasst: Di 2. Aug 2022, 22:42
von FarfallaInsanguinata
Made in Britain wurde tatsächlich zweimal im ZDF ausgestrahlt, 1985 und als Wiederholung 1986. Die deutsche Synchronisation ist gewissenhaft und hochwertig ausgefallen, wie das bei den Öffis damals üblich war.

War interessant für mich, die Einschätzung von einem Außenstehenden zu lesen, Maulwurf. Ich weiß ja aus deinen bisherigen Posts, dass du durchaus 80er-Punk und -Wave sozialisiert bist. Für mich, als mich der Skinhead-Kultur zugehörig fühlend, kommt das leider ganz anders rüber.

Ich fange mit dem positiven an:
1. Tim Roth ist ein guter Schauspieler, der entsprechend eine tolle Performance abliefert. Vorher kannte ich ihn nicht, habe aber natürlich später weitere Filme mit ihm gesehen.
2. Der kompromisslose Nihilismus, den Trevor vermittelt, der ja durchaus bis zur Selbstaufgabe reicht, das wäre eher meine Interpretation der letzten Bilder, ist tatsächlich beeindruckend.

Aber:
Mit der Skinhead-Szene 1982 in GB hat das alles so gut wie nichts zu tun. Eher denke ich, die Autoren hatten schlicht ein Vehikel gesucht, um ihre Aussage "Verlorene Generation" zu transportieren und die Wahl fiel dabei ziemlich zufällig auf uns. Dass sie nicht wirklich Ahnung haben, merken Eingeweihte an diversen Details. Das fängt schon bei der Musik-Auswahl an, die Punk-Band "The Exploited" als Untermalung für einen Film über Skinheads ---> Panne! Ich fürchte, die Macher haben unreflektiert Klischees aus der Yellow-Press aufgegriffen.
Im UK kam das Werk szeneintern jedenfalls ausgesprochen schlecht weg. Es gibt auf dem 1983er-Sampler-Klassiker "Son of Oi!" sogar ein Poem, was den Film in Grund und Boden verdammt.
Was in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen werden darf, der Film manifestiert mal wieder das Klischee von Skinheads als Rassisten. Die gab es natürlich tatsächlich, ist aber dennoch ein weiterer Schritt in Richtung "Brandmal". Frage einen Normalbürger zu seinen Assoziationen zum Begriff "Skinhead"! Erste Antwort: "Nazi", ist bis heute so.

Persönliches Fazit:
aus neutraler Sicht 6/10
aus Skinhead-Sicht 3/10

P.S. Ich weiß gar nicht, ob die DVD eine deutsche Tonspur hat. Für Interessierte würde ich einen ZDF-TV-Mitschnitt auf VHS zur Verfügung stellen, müsste dann selbst digitalisiert werden. :smile:

Re: Made in Britain - Alan Clarke (1982)

Verfasst: Mi 3. Aug 2022, 09:07
von buxtebrawler
FarfallaInsanguinata hat geschrieben: Di 2. Aug 2022, 22:42 P.S. Ich weiß gar nicht, ob die DVD eine deutsche Tonspur hat. Für Interessierte würde ich einen ZDF-TV-Mitschnitt auf VHS zur Verfügung stellen, müsste dann selbst digitalisiert werden. :smile:
Die Sunny-Bastard-DVD hat eine deutsche Tonspur.
Der Film an sich ist ein zweischneidiges Schwert. Stimme dir da zu.