Besessen – Das Loch in der Wand
Bezeten – Het gat in de muur
Deutschland / Niederlande 1969
Regie: Pim de la Parra
Alexandra Stewart, Dieter Geissler, Tom van Beek, Marijke Boonstra, Vibeke Lokkeberg, Donald Jones, Fons Rademakers,
Michael Krebs, Adrian Brine, Ingeborg Uyt den Boogaard, Hasmig Terveen, Elisabeth Versluys
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OFDB
Ein Bild fällt herunter, und wo der Nagel war ist jetzt ein Loch in der Wand. Nils schaut durch dieses Loch in die Nachbarwohnung, und was er sieht elektrisiert ihn. Eine nackte Frau im Bett, möglicherweise leblos. Und ein Mann, der sich nicht um den Körper kümmert und die Frau? den Körper? stattdessen ohrfeigt. Nils lässt sich Nachschlüssel für die Nachbarwohnung machen und dringt in die Wohnung ein. Dort findet er eine Frau die an die Dusche gefesselt ist. Bei einem späteren Besuch liegt dann eine Frau gefesselt in der Badewanne, während eine andere bewusstlos im Bett liegt. Nils scheint auf der Spur eines Verbrechens zu sein, während parallel Nils‘ Freundin Marina sich in ihrem Job als Journalistin um den Fall eines ermordeten amerikanischen Soldaten kümmert, dessen mutmaßliche Mörderin jetzt wieder frei ist, und die seitdem untergetaucht ist. Ob zwischen den Ereignissen Zusammenhänge bestehen?
![Bild](https://thumbs4.imagebam.com/ed/62/d9/MEN23WV_t.jpg)
In den frühen 70ern lief im deutschen Fernsehen die australische Fernsehserie SOS CHARTERBOOT. Prinzipiell eigentlich erstmal eine recht spannende Abenteuerserie, störte unsere Familie damals recht schnell, dass der Held die Probleme in erster Linie dadurch anzog, weil er seine Nase in Dinge steckte die ihn nichts angingen. Er also eigentlich ein ruhiges Leben hätte führen können, wenn er nicht so unverschämt neugierig gewesen wäre.
BESESSEN stellt mich vor das gleiche Problem wie diese Serie vor vielen Jahren. Nils Janssen stellt sich vor das Loch in der Wand und starrt in die Nachbarwohnung. Aber nicht genug damit, lässt er sich tatsächlich einen Schlüssel machen und geht in diese Wohnung hinein. Stöbert darin herum, fühlt sich ganz wie zuhause, und wundert sich, was es da so alles gibt. Aha, eine Tasche unter dem Bett, was mag da drin sein? Und was könnte wohl in dieser Schublade sein?
Was für ein impertinentes Arschloch! Der Mann ist - besessen. Ein Kontrollfreak, was er von seiner Mutter geerbt zu haben scheint, die wir zu Beginn des Films kurz kennenlernen, und die auch keinen besseren Eindruck macht. Nils‘ Freundin möchte gerne schmusen, während er fernsieht und dann urplötzlich aufspringt und durch das Loch schaut, nur weil seine Synapsen gerade mal einen möglichen Kontrollverlust melden. Ein Voyeur, der sein eigenes Leben damit verbringt, anderen beim Leben zuzuschauen . Und wenn ihn dann mal der Rappel packt, dann springt er in voller Kleidung unter die Dusche um mit seiner Freundin herumzutollen, lässt sie dann aber von einer Sekunde auf die andere stehen, wiederum um durch das Loch zu schauen. Eine Filmfigur so ganz aus dem alltäglichen Leben …
An sich ist BESESSEN ja ein spannender Film, ein Thriller mit einer zugegeben sehr spröden, und für seine Entstehungszeit typischen, Formensprache, der aber gut inszeniert ist und mit reichlich Spannung gesegnet ist. Aber diese Hauptfigur ist so ein extremer Unsympath, dass das den Film, zumindest bei mir, einiges an Sympathie kostet. Ich meine, was wäre denn, wenn der Nachbar ein BDSM-Freund wäre, und die Damen sich alle freiwillig fesseln lassen würden?
![Bild](https://thumbs4.imagebam.com/95/de/74/MEN23UV_t.jpg)
Tun sie aber nicht, Nils ist tatsächlich einem Verbrechen auf der Spur, und spannend ist das wie gesagt allemal. Die Filmsprache der ausgehenden 60er-Jahre ist halt für heutige Verhältnisse bisweilen oft gewöhnungsbedürftig. Wenig Musik, und wenn, dann oft sehr an Jazz orientiert bis hin zur Kakophonie, und damit Nils‘ Innenleben klar interpretierend. Wenig Dialoge, und die dann auch nicht immer direkt zusammenhängend. Charaktere, deren Verhalten sprunghaft erscheint, und die sich ihrem Treiben hingeben, ohne Rücksicht auf ihre Mitmenschen zu nehmen. Viele Szenen sind sehr artifiziell angelegt, haben aber immer den Anspruch, das wirkliche Leben abzubilden. Auf Anhieb würde mir Helmut Förnbachers SOMMERSPROSSEN von 1968 einfallen, der ähnlich strukturiert ist, und genauso viel Einfühlungsvermögen in seine bildliche und narrative Sprache benötigt. Ist dieses Einfühlungsvermögen da, dann entfaltet sich vor dem staunenden Zuschauer ein Panoptikum von Gefühlen und Aktionen, ein Kunstwerk mit einem starkem Bezug zur Realität, eine wilde und intensive Story, dessen Charaktere Achterbahn fahren und den Betrachter ohne zu Zögern mitnehmen auf ihre wilde Reise, so er es zulässt. Bleibt einem der Zugang zu dieser speziellen Art, Geschichten zu erzählen, aber verschlossen, dann scheint ein sprödes und fast langweilig zu nennendes Programm abzuspulen, das die genaue Antithese ist zu den CGI-Dauerbombardierungen der heutigen Zeit, und das im Auge des Zuschauers Unterhaltung zu verwechseln scheint mit überkandideltem Anspruch.
Was ja auch alles entweder ganz toll intellektuell oder alternativ hochtrabend und angeberisch klingen mag. Wenn da nicht dieser „Held“ wäre, der durch seine Obsession das ganze Drama überhaupt erst in die Gänge bringt. Und ohne Rücksicht auf Verluste auch durchzieht. Irgendwo ist es ja schon faszinierend, was der Typ alles auf die Beine stellt, nur um herauszubekommen, wer in der Nachbarwohnung was macht, und welche Einrichtungsgegenstände dort wo verteilt sind. Ein Nachbar wie ihn jeder gerne hat …
Und in der Kombination aus dieser trockenen Inszenierung und der ausgesprochen unsympathischen Handlungsweise der Hauptfigur fällt es zumindest mir relativ schwer, Zugang zu BESESSEN – DAS LOCH IN DER WAND zu finden. Schlecht ist der Film nicht, aber es braucht halt einen besonderen Zugang, der, man verzeihe mir die Analogie, die Größe eines Loches in einer Wand hat. Was nicht wirklich groß ist …
6/10