La Celosiá - Isidoro Valcárcel Medina (1972)

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Salvatore Baccaro
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La Celosiá - Isidoro Valcárcel Medina (1972)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Originaltitel: La Celosiá

Produktionsland: Spanien 1972

Regie: Isidoro Valcárcel Medina
LA JALOUSIE von 1957 gilt als eines der bedeutendsten Werke des sogenannten Nouveau Roman. Autor Alain Robbe-Grillet, der sich ab den frühen 60ern mit Drehbüchern für Filme wie Alain Resnais' kryptischem Labyrinthspaziergang L'ANNÉE DERNIERE A MARIENBAD (1961) und eigenen Regiearbeiten wie dem nicht minder kryptischem Istanbul-Trip L'IMMORTELLE (1963) einen Namen als Kino-Avantgardist machen sollte, verzichtet in seiner ständig mit der Doppelbedeutung des französischen Wortes Jalousie - zu deutsch: sowohl die Jalousie eines Fensters als auch die Eifersucht eines Menschen - spielenden Ehedrama auf jedwede Deutung oder Wertung der sowieso recht simplen Handlung. Statt in die Seelenleben seines Ich-Erzählers, einem namenlosen Bananenplantagenbesitzer, einzutauchen, gehen Robbe-Grillets Beschreibungen von Räumen und Objekten nicht über ihre reinen Oberflächen hinaus. Selbst der Protagonist hat mehr von einer in ihre Einzelteile zergliederten Maschine als von einem autonom handelnden Subjekt: von alleine, losgelöst von irgendwelchen emotionalen und/oder kognitiven Impeti, bewegen sich seine Gliedmaßen quasi wie von selbst. Wer allerdings durch diese literarische Praxis Autonomie gewinnt, das ist der Leser eines Textes wie LA JALOUISE, da der sich, dadurch, dass ihm kein konkreter Sinn vorgegeben wird, der die geschilderten Eindrücke irgendwie ordnen und konsumierbar machen würde, sich seinen eigenen, ganz subjektiven Sinn zusammenbasteln muss, sofern er denn unbedingt einen haben möchte. Da LA JALOUSIE, wie man wohl schon ahnt, ein außerordentlich sperriger Roman ist, der alles will, nur nicht unterhalten, stellt sich die Frage, wie viele Leser es dann letztlich tatsächlich sind, die die Strapazen auf sich nehmen, sich einmal durch den Text zu quälen und ihm dann auch noch irgendeine Bedeutung zuzuweisen.

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Immerhin einer, der Robbe-Grillets Roman nicht bloß gelesen haben, sondern sich intensiv mit ihm auseinandergesetzt haben muss, das ist der spanische Künstler Isidoro Valcárcel Medina, bekannt vor allem für seine konzeptuellen und plastischen Werke, und dessen offenbar einziger Film LA CELOSIÁ von 1972 darstellt. In gewisser Weise kann man das etwa hundertsiebenminütige Werk durchaus als Literaturverfilmung bezeichnen. Während die Kamera nichts weiter tut als starr den französischen Originaltext Robbe-Grillets abzufilmen, liest eine Männerstimme, bei der es sich möglicherweise um die Medinas selbst handelt, eine spanische Übersetzung vor - das alles in Echtzeit und nur dadurch unterbrochen, dass manchmal vor der Kameralinse statt bedrucktem Papier splitterfasernacktes liegt, und ab und zu die eine oder andere Grundrisszeichnung, wohl von dem Haus, in dem LA JALOUSIE spielt, eingeblendet wird. Den Vorwurf, sich nicht an seine Vorlage gehalten zu haben, kann man Isidoro Valcárcel Medina wirklich nicht machen, und an Sperrigkeit und Zuschauerunfreundlichkeit nimmt es LA CELOSIÁ spielerisch noch mit dem ihm zugrundeliegenden Roman auf. Was ich mich jedoch frage, einmal abgesehen davon, ob man LA CELOSIÁ vielleicht sogar als frühen Versuch eines kinematographischen Hörbuchs begreifen sollte, ist: war dieses Paradebeispiel eines Films, der demonstrativ mit dem Rücken zu seinem Publikum steht, wirklich ursprünglich dafür gedacht, dass ich ihn mir von Anfang bis Ende in einer einzigen Sichtung anschaue, oder sollte das Ganze nicht doch eher eine installative Arbeit direkt für einen Ausstellungskontext sein? Zwei Dinge jedenfalls weiß ich: mir ist einerseits kaum jemals ein anstrengenderes Werk filmischer Kunst unterkommen als das vorliegende, und andererseits eignet sich LA CELOSIÁ bestens dafür, so lange angestarrt zu werden bis man in einen diffusen Trance-Zustand fällt, als sei man von den monotonen Bildern und der monotonen Off-Stimme regelrecht hypnotisiert worden.
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