Exciting Love Girls - Andrea Bianchi (1983)

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Salvatore Baccaro
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Exciting Love Girls - Andrea Bianchi (1983)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: Giochi Carnali

Produktionsland: Italien 1983

Regie: Andrea Bianchi

Darsteller: Sirpa Lane, Franco Parisi, Domenico Anastasi, Alessandra Vazzoler, Florence Aubry

Aus gegebenem Anlass… ein völlig in Vergessenheit geratenes Werk des Andrea Bianchi, gedreht im Jahre 1983, das heißt wenige Jahre nach seinem Meisterwerk LE NOTTI DI TERRORE – Preisfrage: hat dieser Film mit dem verheißungsvollen Namen GIOCHI CARNALI zu Recht oder zu Unrecht bislang in keiner filmhistorischen Fachpublikation Erwähnung gefunden?

Oh Gott, was habe ich mir da nur eingebrockt?, ist mein erster Eindruck bei der überlangen, explizit pornographischen Szene, mit der Signore Bianchi uns in seiner von misogynen Lustphantasien dominierten Welt willkommen heißt. Eine Frau wird von zwei Männern bedroht. In bester NEW-YORK-RIPPER-Manier spielen sie mit einem Rasiermesser vor ihrem Gesicht herum. Was sie wollen, ist, dass sie ihnen die Hosenschlitze öffnet, ihre Penisse hervorzieht und an ihnen zu lutschen beginnt, und da sie Männer sind, bekommen sie, was sie wollen. Dazu ertönt einer dieser gediegenen, in Anbetracht der bebilderten physischen und psychischen Gewalt allerdings eher deplatzierten 80er-Porno-Scores, bei denen sich Jazz, Funk und Easy Listening die Klinke in die nicht vorhandenen Hände drücken, und allein aus diesem hätte man Samples für mindestens fünfzig klassische Hip-Hop-Alben zusammenstellen können. Wer die beiden bösen Buben sind, die das arme Mädchen zu
Beginn mit ihrem Sperma benetzt haben, erfahren wir anschließend ohne viel Federlesen. Es handelt sich um ein ungleiches Paar von Notzüchtlern, die in ihrer Freizeit nichts Besseres zu tun haben als mit dem Auto durch die Vororte Roms zu jagen und aufzugabeln, was ihnen an Strichmädchen oder Tramperinnen vors Visier gerät. Das Folgende verläuft nach einfachen Spielregeln: wer sich fügt, wird „nur“ gegen seinen Willen zu sexuellen Handlungen gezwungen, wer sich nicht fügt, wird außerdem aufs Übelste misshandelt und findet sich anschließend in der Notaufnahme wieder. Manchmal läuft jedoch, trotzdem der Plan so simpel ist, nichts nach ihm. Als unsere Helden eine vermeintliche Weibsperson vom Strich gezogen haben, der man eigentlich schon von Weitem ansieht, dass es sich bei ihr um einen Transvestiten oder Transsexuellen handelt, wundern sie sich in ihrer Dummheit nicht darüber, dass die Gute kein Wort spricht, sondern gehen sofort zur
Sache. Erst nachdem der Fahrer dort etwas ertastet hat, wo gemäß Frauenanatomie nichts sein sollte, werfen sie den verkleideten Herrn aus dem Fahrzeug, viel zu verdutzt, um ihn zu verprügeln, spucken anschließend angeekelt den Speichel, den sie mit ihm tauschten, aus den Mündern und wischen sich angewidert die Hände an den Hosenbeinen ab.

Dennoch, dieser Vorfall hat innerhalb der Filmlogik durchaus seinen Sinn gehabt, liefert er den Lüstlingen doch eine zumindest in kreativer Hinsicht ausgesprochen großartige Idee. Fortan nämlich treten die Beiden bei ihren Raubzügen als Ehepaar auf. Einer von ihnen hat sich einen Fummel zugelegt, sich die Lippen rot bemalt, sich die Wangen bepudert und spricht für den Rest des Films mit schlecht verstellter Stimme. Im wirklichen Leben würde wirklich niemand ihn für eine wirkliche Frau halten, im Paralleluniversum von GIOCHI CARNALI indes meldet keine einzige Seele Zweifel daran an. Tatsächlich sind unsere Helden erfolgreich wie nie beim Beutefang. Ein Mädchen nach dem andern geht ihnen ins Netz. Ihre Opfer teilen sie sich dabei in zwei Kategorien. Die einen scheinen nur darauf gewartet zu haben, von Typen wie diesen wie Frischfleisch begrapscht zu werden und stöhnen noch, dass sie endlich abspritzen sollen, wenn das Sperma in den inflationär
eingesetzten Hardcore-Inserts, von denen ich keine Ahnung habe, ob Bianchi selbst für sie verantwortlich zeichnet oder ob er sie nicht, was mir fast plausibler erscheint, aus anderen Filmen zusammenstibitzt hat, nicht schnell genug zum Fließen kommt. Die anderen sind unwillig, versuchen sich zur Wehr zu setzen, und werden, wie gesagt, von den durchaus sympathisch, wenn nicht gar clownesk dargestellten Böcken gegen ihren Willen zum Objekt degradiert. Eine Vertreterin der zweiten Kategorie landet auf der Intensivstation, die die Ärztin Daniara betreut. Gespielt wird sie von Sirpa Lane, deren letzte Filmrolle dies sein sollte, nachdem sie zuvor schon für Ausnahmeregisseure wie Walerian Borowczyk, Joe D’Amato oder Mario Caiano wahlweise mit Bestien hat kopulieren, ihre nackte Haut an sandweißem Strand hat präsentieren und Nazis mit in ihrer Vagina versteckten Rasierklingen hat kastrieren dürfen. In GIOCHI CARNALI ist sie zunächst dafür
zuständig, den Film geschwätzig wie einen von Rohmer werden zu lassen, mit dem Unterschied, dass die Debatten, die sie mit ihrem Lebensgefährten führt, ausschließlich relativ oberflächlich und substanzlos und eintönig um Gender-Diskurse und Geschlechterfragen kreisen bis sie dann endlich einmal, wie sollte es nur anders sein?, auf einer Landstraße, wo ihr Wagen liegenbleibt, mit den beiden Rabauken konfrontiert wird. Die haben uns bis dahin ihre Familien vorgestellt. Szenen wie die, in der einer der Männer von seiner Mutter gemaßregelt wird, und der andere seiner übergewichtigen Frau Liebesdienste im Ehebett leisten und sich zudem mit seinem Onkel, einem buchstäblichen Lustgreis, herumärgern muss, sind von Bianchi, daran besteht kein Zweifel, witzig-spritzig meint, dass man nur den Kopf darüber schütteln kann.

Übrigens: bis zu dem Zeitpunkt, an dem man Sirpa Lane in ein abgelegenes Haus gelockt hat, wo man sie zu vergewaltigen gedenkt, sind bereits achtzig Minuten von insgesamt einhundertzehn vergangen. Wer nun aber hofft, der Film würde endlich in das kommen, was man gemeinhin die Gänge nennt, für den hält er nur einen weiteren langatmigen Kreuzgang bereit. Sirpa Lane masturbiert erstmal ausgiebig nach einer erfrischenden Dusche, unsere Helden plappern viel ohne etwas zu sagen, und die eigentliche Untat wird vergleichsweise harmlos bebildert. Im Finale kippt der Film indes dann doch noch einmal in das Genre des Rape-N-Revenge um. Sirpa Lane darf ihre Rache haben und, da ich niemanden um den Genuss der einzig wirklich überraschenden, nachhaltig im Gedächtnis bleibenden, irgendwie „interessanten“ Szene bringen möchte, nur so viel: mancher Cocktail mundet noch mehr, wenn man ihn statt mit Eiswürfeln mit anderen Ingredienzien würzt.

Mein Fazit kann, man merkt es schon, nur niederschmetternd sein. Schon lange habe ich mich bei einem Film nicht mehr derart gelangweilt wie bei GIOCHI CARNALI. Dieses Machwerk, dessen Drehbuch von Piero Regnoli stammt, der die Dinger in seiner Hochphase offenbar im Dutzend billiger runtergeschrieben hat, ist abwechselnd albern – vor allem die witzig gemeinten Familienszenen, gegen die ein Film wie BIANCANEVE & CO. des Bianchi-Marios wie ein Gag-Feuerwerk wirkt, das man nur zu besonderen Anlässen abbrennen darf -, absolut frauenverachtend – dass die Hauptdarstellerin, eine Feministin allererster Güte, am Ende ihre Rache erhält, kaschiert die allgemeine Tendenz des Films, Frauen als leicht verfügbare, willenlose Ware zum ausgiebigen Zelebrieren scheußlichster Altherrenphantasien darzustellen, nicht mal notdürftig -, völlig unerotisch – sowohl das softe Herumgefummel wie auch die endlosen, monotonen Hardcore-Spielchen sind dermaßen
uninspiriert heruntergekurbelt, dass ich mir sicher bin, für jemanden, der unbedingt seine Hoden erleichtern möchte, hat jede zweit- oder drittklassige Peep-Show Stimulierenderes zu bieten -, und prinzipiell ziemlich bescheuert – allein die Transvestitennummer, die der Film durchzieht, ohne mit der Wimper zu zucken, ist derart neben der Spur, dass sie fast schon wieder Sinn macht. Erneut muss ich die Frage stellen, die sich mir bei vielen solcher Produktionen aufdrängt: für wen oder was ist diese Chose denn überhaupt auf Zelluloid gebannt worden? Findet das moralferne Treiben der beiden männlichen Helden wirklich auch nur ein einziger Mensch auf dem gesamten Globus auch nur im Entferntesten sexuell erregend? Sind die Ansprüche der meisten Konsumenten im Zustand der Geilheit derart niedrig, dass sie sich nicht an der völlig unprofessionellen Machart stören, bei der man meint, Dilettanten, die in ihrem Leben niemals einen einzigen Film zu
Gesicht bekommen haben, seien für Kamera, Schnitt, Postproduktion verpflichtet worden? Und wieso muss dieser schmierige, schmuddelige, schweinische Trip in die Abgründe der (männlichen) Psyche so unfassbar lang sein?

Es gibt Filme, die wirken wie kalte Duschen: erfrischend, belebend, inspirierend, man möchte sofort beginnen, es ihnen gleichzutun. Es gibt Filme, die wirken wie ein klebriger Film, der sich einem über Haut und Hirn legt und dort so lange liegenbleibt bis man ihn mit äußeren und inneren Duschen vollkommen fortgespült hat. GIOCHI CARNALI, der leider beweist, dass LE NOTTI DI TERRORE, immerhin einer der wichtigsten surrealen Filme überhaupt, im Oeuvre Bianchis scheinbar eine rein singuläre Erscheinung gewesen ist, hat auf mich eindeutig und ausschließlich letzteren Effekt gehabt. Wir raten ab!
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