Originaltitel: Sesso Profondo
Produktionsland: Italien 1980
Regie: Marino Girolami
Darsteller: Eveline Barrett, Al Cliver, Marcella Petrelli, Donald O'Brien, Venantino Venantini
Im Mittelpunkt von SESSO PROFONDO steht eine junge Frau namens Jennifer, die seit Kurzem Tracy mit Nachnamen heißt, denn sie hat den Erfolgsschriftsteller Roman Tracy geehelicht. Zu Beginn des Films befinden die beiden sich auf Hochzeitsreise. Man sitzt in einem gutbesuchten Flugzeug und scheut sich nicht, der gegenseitigen Zuneigung unmissverständlichen Ausdruck zu verleihen, sprich: Jennifer schält den Penis ihres Liebsten aus der Jeans und verpasst ihm unter den, allerdings weitgehend desinteressierten, Augen der übrigen Passagiere einen Hand Job. Kaum jedoch am Ziel der Flitterwochen, St. Domingo, angekommen, herrscht im Ehebett gähnende Öde. Jennifer schafft es einfach nicht mehr, sich zu erregen. Roman schlägt das auf die Stimmung. Er vergnügt sich mit der Haushälterin, die Jennifer zuvor noch gelobt hat, dass sie genauso gut koche wie sie aussehe, und die sie nun, heimlich, mit traurigem Blick dabei beobachten muss wie sie ihrem Angetrauten das gibt, wozu sie nicht mehr in der Lage ist. Jennifer möchte ihrer Frigidität auf den Grund kommen und konsultiert einen Psychoanalytiker. Der ist ein Meister seines Fachs, den eine flüchtige Hypnosesitzung später hat er schon das Geheimnis seiner Patienten gelüftet. Ein Kindheitsereignis trägt die Schuld an Jennifers Misere. Damals soll ein Cousin ein Spielzeugflugzeug geschenkt bekommen haben, auf das die kleine Jennifer derart eifersüchtig gewesen ist, dass ihr Cousin sie schließlich zu trösten versuchte, indem er ihren jungen Körper streichelte und ihr das begehrte Objekt mit dem Cockpit voran in die Vagina einführte. Durch den heißen Sex in der Maschine gen Dominikanische Republik sei, so der Psychoanalytiker, Jennifers Unterbewusstsein an diesen frühen sexuellen Kontakt erinnert worden und weigere sich nun, sie anderswo geil zu werden als eben in einem vom Boden abgehobenen Flugzeug. Was liegt nun also näher, als dass Jennifer, den Affären Romans sowieso überdrüssig, beschließt, Stewardess zu werden? Eine lange Ausbildung steht ihr bevor, die sich vor allem zu einer Erkundungsreise ihrer eigene Sexualität entwickelt, denn nicht nur Roman möchte sie gerne wieder für sich gewinnen, ebenso sind ihre ständig mannstollen Kolleginnen scharf auf sie und natürlich ihr Ausbilder, der nichts anbrennen lässt, was nur einen leichten Funken gefangen hat.
Nein, der Titel SESSO PROFONDO verspricht tatsächlich nicht zu viel. Primärziel dieses Films ist es, neben seiner hauchdünnen, hanebüchenen Geschichte, vor allen Dingen eine Sexszene an die nächste zu heften, ohne dass zu irgendeinem Zeitpunkt der Eindruck erweckt werden würde, es ginge Girolami und seinem Team um wesentlich mehr als das. Die Story könnte, zumal, wenn man das Lokalkolorit von St. Domingo hinzurechnet, durchaus von Joe D’Amato auf einen Bierdeckel notiert worden sein. Sie gibt sich ernst, tragisch, manchmal sogar melodramatisch, und verwehrt sich gegen jegliche komödiantischen Anflüge. Wenn ich mich recht entsinne, gibt es genau eine Szene, die witzig gemeint ist, und durch ihre alberne Art ziemlich aus dem sonst ziemlich strengen Rahmen fällt. Was die technischen Aspekte betrifft, ist SESSO PROFONDO höchstens unterer Standard. Salvatis Talent, ansprechende Bilder zu komponieren, das er unter anderem später bei den Splatter-Fulcis unter Beweis stellen sollte, kommt exakt gar nicht zum Ausdruck, die Musik von Herrn Rizzati hat meine Nerven nicht wirklich geschont, und dass Hauptdarstellerin Eveline Barrett offenbar weder zuvor noch danach jemals wieder in einem Film, ob nun Porno oder nicht, in Erscheinung getreten ist, wundert mich eigentlich kein bisschen.
Da SESSO PROFONDO im Prinzip einzig auf das Bebildern von Geschlechtsakten aus ist, widme ich diesen nunmehr einen ganzen Absatz. Meine Vermutung ist folgende: Girolami hat SESSO PROFONDO ursprünglich als Softsexfilm heruntergekurbelt, später ist er mit mehreren Hardcore-Szenen bestückt worden, die man entweder extra hierfür nachgedreht hat oder die aus anderen Kontexten zusammengeklaubt worden sind. Wie ich darauf komme? Nun, eine typische Kopulation in SESSO PROFONDO läuft wie folgt ab: ein Mann und eine Frau, sagen wir: Al Cliver und Eveline Barrett, fühlen sich zueinander hingezogen, beginnen zu knutschen und sich aufeinander zu legen. Die Kleidungsstücke werden oft anbehalten, nicht bloß bei den Männern, auch bei den Frauen. Man wälzt sich, Stöhnen ertönt, schlimme Pornomucke umrahmt das Ganze. Zwischengeschnitten sind immer wieder close ups auf Genitalien. Ein Frauenmund bläst auf einem Männerschwanz. Ein Penis wird in eine Vagina geschoben. Samen tropft auf einen Frauenhintern. Niemals sehen wir die Darsteller, wie zum Beispiel eben Cliver und Barrett, gemeinsam mit diesen Genitalien im Bild, sprich: es ist offensichtlich so, dass es sich bei ihnen nicht um die ihren handelt. Besonders deutlich wird, was ich meine, in einer seltsamen Szene, in der Jennifer von einer anderen Stewardess verführt werden soll, die vermutet, ihre mangelnde Lust beruhe auf einer unterdrückten homoerotischen Komponente. Steif wie ein Brett liegt Jennifer da, immun gegen alle lesbischen Liebkosungen. Ihre Kollegin wirft sich schließlich schnaubend auf die Seite. Zusammenhanglos wird nun zur Großaufnahme einer Vagina bei der Selbstbefriedigung geschnitten bevor die Handlung, nach einem weiteren Schnitt, einfach weitergeht. Wer genau da nun masturbiert hat, ob Jennifer oder ihre erfolglose Verführerin, bleibt ungeklärt. Alles in allem muss ich dem Sexappeal von SESSO PROFONDO bescheinigen, dass er schlicht nicht vorhanden ist. Schmuddelig, billig, unerotisch werden, wie gesagt, schlecht Geschlechtsakte vortäuschende Schauspieler mit Genitaliengroßaufnahmen zusammengewürfelt, ohne dass das Endergebnis mehr befriedigen würde als die nun wirklich aufs absolute Minimum heruntergefahrenen Triebinstinkte von jemandem, der sexuell derart ausgehungert ist, dass ihn selbst ein Andrea-Bianchi-Porno in Verzücken versetzt. Nein, für mich ist diese Art von Filmen nichts, und ich fühle mich unwohl dabei, und kann mich nur darüber wundern, dass er hierfür einen Markt gab oder gibt, und dass so etwas tatsächlich jemanden anturnt oder angeturnt haben soll.
Wenn SESSO PROFONDO wenigstens so bizarr wäre wie beispielweise ein PORNO HOLOCAUST. Aber nein, Girolami wählt, wie bereits erwähnt, einen sehr biederen Weg, um seinem Publikum diese überaus haarsträubende Chose zu verkaufen, bei der kaum etwas wirkt, als würde es miteinander zusammenpassen. Gerade das angebliche Hauptthema, nämlich Jennifers Abheben in Lüfte und Lüste, spielt eine irgendwie reichlich nebensächliche, letztlich austauschbare Rolle. Wenn man in Betracht zieht, wie viel Zeit der Film mit den Ereignissen in St. Domingo, die kaum etwas mit der eigentlichen Handlung zu tun haben, totschlägt oder damit, Jennifer immer wieder voyeuristisch irgendwelchen Bekannten dabei zuschauen zu lassen wie sie der Fleischeslust frönen, wird schnell klar, wo die Stoßrichtung dieser minderwertigen Ergusshilfe liegt: Jennifers Traum vom Fliegen ist pures Mittel zum Zweck, etwas, mit dem man die Lücken im Drehbuch ausstopfen kann, ein ungewöhnlicher Aufhänger für gewöhnliche Sexszenen, die man so oder so ähnlich in jedem italienischen Porno der frühen 80er zu sehen bekommen kann – sofern man das denn unbedingt will.
Immerhin eine einzige Szene hat meine Stimmung ein wenig aufgehellt, und das nicht nur wegen Donald O’Brien, der darin Al Clivers Verleger Slider darstellt. Beide Ehepaare, die Sliders und die Tracys, befinden sich auf einer Jacht, dösen in der Sonne, tun nichts als Nichtstun. Da trifft der Stachel der Wollust Frau Slider, die die Gunst der Stunde, nämlich das Schlafen ihres Ehemanns und Jennifers, nutzt, um sich an Roman heranzumachen. Der steigt, ausgehungert durch Jennifers mangelnde Sexbereitschaft, in der Unterdeckkajüte in doppelter Hinsicht darauf ein, sodass man oben an Deck heisere Schreie hören kann. Slider beruhigt die dadurch wachgewordenen Jennifer. Er kenne das schon, sagt er. Seine Frau werde immer seekrank, selbst bei einer Spazierfahrt wie dieser. Sie übergebe sich bloß, das sei alles. Ob der Scherz nun intendiert war oder nicht: ich musste lachen über ihn. Ansonsten breite ich das Mäntelchen des Schweigens über SESSO PROFONDO und mache es wie der Katholische Filmdienst: ich rate ab!