Vampire gegen Herakles - Mario Bava & Francesco Prosperi (1961)

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Moderator: jogiwan

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Salvatore Baccaro
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Re: Vampire gegen Herakles - Bava & Prosperi (1961)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Puh, an diesen knallfarbigen Bildern kann ich mich immer wieder aufs Neue berauschen: Das dürfte doch tatsächlich einer der am glorreichsten ausgeleuchteten Bava-Filme sein, oder? Wunderbar ist ebenso Christopher Lees deklamatorischer Anfangsmonolog, das völlig unvermittelte Auftauchen eines Steinmonsters, das die Hesperiden (!) als Sklavinnen hält, und die freimütig-sorglose und Weise, wie die Figuren/Motive aus dem antiken Mythenschatz collagiert werden: Mysotis soll eine Tochter Persephones und Plutos sein?, und seit wann handelt es sich bei Odysseus Sprößling Telemach um einen goofyigen Herakles-Sidekick? Die (minutenlang regelrecht zelebrierte!) Auferstehung der Vampiren-Brut im Finale ist schaurig inszeniert, als sollten ähnliche Lazarus-Momente im Italo-Zombiefilm der 80er vorweggenommen werden, und, hach!, wie die Untoten dann an ihren sichtbaren Fäden durch die Lüfte schweben. Wahres Insel-Material!
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Dick Cockboner
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Re: Vampire gegen Herakles - Bava & Prosperi (1961)

Beitrag von Dick Cockboner »

Salvatore Baccaro hat geschrieben: Do 24. Feb 2022, 17:10 Puh, an diesen knallfarbigen Bildern kann ich mich immer wieder aufs Neue berauschen: Das dürfte doch tatsächlich einer der am glorreichsten ausgeleuchteten Bava-Filme sein, oder? Wunderbar ist ebenso Christopher Lees deklamatorischer Anfangsmonolog, das völlig unvermittelte Auftauchen eines Steinmonsters, das die Hesperiden (!) als Sklavinnen hält, und die freimütig-sorglose und Weise, wie die Figuren/Motive aus dem antiken Mythenschatz collagiert werden: Mysotis soll eine Tochter Persephones und Plutos sein?, und seit wann handelt es sich bei Odysseus Sprößling Telemach um einen goofyigen Herakles-Sidekick? Die (minutenlang regelrecht zelebrierte!) Auferstehung der Vampiren-Brut im Finale ist schaurig inszeniert, als sollten ähnliche Lazarus-Momente im Italo-Zombiefilm der 80er vorweggenommen werden, und, hach!, wie die Untoten dann an ihren sichtbaren Fäden durch die Lüfte schweben. Wahres Insel-Material!
I'm not sure, but I don't care! Ein hervorragender Film, fürwahr! Gut ausgeleuchtete, eingeölte Muskeln machen mich irgendwie wuschig... :wink:
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Salvatore Baccaro
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Re: Vampire gegen Herakles - Mario Bava & Francesco Prosperi (1961)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Besitzt denn jemand von euch die alte DVD-Veröffentlichung dieses Films von Kinowelt? Auf dieser soll sich eine Rezension der verdienten Filmkritikerin Frieda Grafe aus den 60ern befinden, wohl auch als PDF abrufbar. Wenn mir den Text jemand abphotographieren oder screenshotten könnte, wäre ihm der ewige Dank der Götter gewiss...
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jogiwan
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Re: Vampire gegen Herakles - Mario Bava & Francesco Prosperi (1961)

Beitrag von jogiwan »

Salvatore Baccaro hat geschrieben: So 8. Okt 2023, 11:21 Besitzt denn jemand von euch die alte DVD-Veröffentlichung dieses Films von Kinowelt? Auf dieser soll sich eine Rezension der verdienten Filmkritikerin Frieda Grafe aus den 60ern befinden, wohl auch als PDF abrufbar. Wenn mir den Text jemand abphotographieren oder screenshotten könnte, wäre ihm der ewige Dank der Götter gewiss...
sehr gerne - ich hab nur die mitunter etwas abenteuerlich gesetzten Zeilenumbrüche der PDF etwas entschärft:

Ercole al centro della terra

Dies ist eine amüsante Version des alten Malereiproblems, ob Figur oder Farbe der Vorrang gebühre. Der Herkules im Kino der Fünfzigerjahre war die Antwort auf die Frauen mit den hypertrophierten Busen und Hintern. Er war ein Held pro forma. Seine Muskeln sind so unnütz, wie seine Abenteuer ein Hohn auf Tätigkeit und Action-Kino. Die Lust, die Vergangenheit als Spektakel wieder auferstehen zu lassen, sich der Geschichte als Klamottenkiste zu bedienen, gehört zum Kino von Anfang an. Bis heute – von Vittorio Storaro nach Amerika, Vietnam und China exportiert – ist es Italiens Domäne geblieben. Den Ausstattungsfilm charakterisieren Monumentalität, wahrnehmbare Tricks und die Verspottung des Realitätsprinzips durch
die übernatürlichen Kräfte des Kinos.

Für Bava kam hinzu, ein schreiendes Paradox in diesem Genre, dass ihm die Mittel fehlten, um Aufwand zu treiben. So blieb ihm
nichts, als reines Kino zu machen. Dazu bediente er sich bevorzugt bewegter Farbe. Bei Tageslicht besehen und in realen Dekors sind
die Taten der Helden farblos und unsaturiert. Wenn die Technicolornacht hereinbricht, und das geschieht automatisch, wenn der
Stellvertreter der Unterwelt auf Erden auftritt, bekommt die Sache drive.

Die Vampirthematik ist durchaus nicht so an den Haaren in die antike Geschichte hineingezogen, wie Kenner antiker Mythologie
annehmen möchten. Mit ihr kommt Farbe, Blut, als Widersacher der Form ins Spiel. Der aalglatte Lykos, der Herrscher mit verrottetem
Blut in den Adern, schickt die unternehmungslustigen Siegfrieds, die vor Muskeln kaum laufen können, in eine Unterwelt, die ihren Augen
mehr abverlangt als ihren Kräften. Der Übergang vom Reich der Lebenden in das der Toten passiert, indem sich Wasser verfärbt. Ein leicht gekräuseltes blassblaues Meer füllt nach und nach eine ganze Einstellung aus und geht über in eine Flut von Rot. Das Schattenreich ist farbig. Der Abstieg in die Unterwelt führt auf den Grund der Bilder, deren Formen sich auflösen in Nebel und Farbe. Über die Farbe wird die antike Unterwelt in ein Reich des Unbewussten verwandelt. Mehr als die Vorstellungen vom Nachleben der Menschen fasziniert den Regisseur die Genesis von Bildern. Joan Foam war, als er noch Kamera machte für den Antikfilmer Riccardo Freda, eins von Bavas Pseudonymen, ein metaphorisierendes. Die farbigen Dünste, mit denen seine Bilder geschwängert sind,über die die Helden Witze reißen, sind wohltätige Helldunkelschleier über der Ärmlichkeit der Produktion.

Formal sind sie das Zwischenreich, in dem Konturen sich verlieren und die Wahrnehmung der Farben sich vorbereitet. Die Schatten, sagt Goethe in der dritten Abteilung seiner Untersuchungen, die vonden chemischen Farben handelt, sind das Element der Farbe. In vielen alten Traktaten über die Farbe wird gewarnt vor ihrer sinnlichen Verführungskraft. Sie ist unzuverlässig, wechselhaft, ein Oberflächenreiz und Mittel der Verzauberung. In Bavas Auffassung der antiken Erzählungen ist ihr Äußeres, ihr Anblick nicht selten furchterregend. Aber wenn die Helden notgedrungen sich ihr anheimgeben, verwandelt sie sich in das sanfteste aller Medien auf dem Weg zu paradiesischen Gefilden. Man denke jetzt, für einen Augenblick, an Antonionis Rote Wüste und in der Roten Wüste an die rosa Insel im Meer.

Ercole al centro della terra (Vampire gegen Herakles). 1961. Produktion: SPA
Cinematografica, Rom. Farbe: Eastman Color /Technicolor. Regie: Mario Bava.
Darsteller: Reg Park, Leonora Ruffo, Giorgio Ardisson, Franco Giacobini, Christopher Lee.

Frieda Grafe, Ercole al centro della terra,
in: Filmfarben, Ausgewählte Schriften in Einzelbänden,
hrsg. Enno Patalas, 1. Band, Berlin 2002, S. 29-31,
Copyright Verlag Brinkmann & Bose Berlin 2002.
quelle: Kinowelt DVD/PC-Rom-Teil
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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Salvatore Baccaro
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Re: Vampire gegen Herakles - Mario Bava & Francesco Prosperi (1961)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Unfassbar, mein lieber Jogi! Du schießt schneller als Django, Sartana und Ringo zusammen! Vielen Dank!
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