Maulwurfs Hör-Bar

Moderator: jogiwan

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sid.vicious
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von sid.vicious »

Maulwurf hat geschrieben: Mi 24. Jul 2024, 18:11 Can
Delay 1968

LP - 1981

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Im Nürnberger Süden gab es über sehr viele Jahre hinweg eine Disco, wo ich in meiner Schweinerock-Zeit erste Hälfte 90er gerne und oft abhing. Die Musik war sehr gemischt und vielfältig, ich kann mich erinnern zu FEHLFARBEN getanzt zu haben genauso wie zu ZZ TOP, an ENIGMA kann ich mich aber ebenfalls erinnern. Keine Genre-Disco sondern gute Mucke für alle die gerne tanzen wollten. Zwei Stücke gab es die ich nicht kannte, die sehr regelmäßig liefen, und wo ich irgendwann mal den DJ gefragt habe was das denn sei. Das eine war Alex Harvey :mrgreen: , das andere CAN.

Also musste das CAN-Album mit diesem Stück her. Damals, vor 30 Jahren, klang das irgendwie ... befremdlich. Gut, interessant, aber halt komplett anders. Gestern Abend habe ich viele Bauklötze gestaunt, was mir die Musikstudenten aus dem Jahr 1968 für einen wilden Punk entgegenhämmern. Der Sound ist roh und direkt, geht nach vorne und ist dabei so intensiv und dicht wie ich es seit den STOOGES kaum noch gehört habe. Die Gitarren schrammeln schräg und einfach, das Schlagzeug hämmert sich ganz einfach durch die Mitte durch, und man glaubt fast, dass man bei einer Schülerpunkband im Übungsraum steht. Malcom Mooney, der Sänger, scheint durchgehend auf irgendeinem richtig wilden Trip zu sein, der niemals aufhört, und ihn einmal quer durch die Galaxis treibt. Und den Zuhörer gleich mit, wobei hier die Galaxis irgendwo zwischen Ku'Damm und Carnaby Street liegen könnte.

Mitreißend. Intensiv. Wild. Anstrengend. Gigantisch! Und überhaupt nicht das, was man mit dem Begriff 1968 gemeinhin verbindet ...


Can - Man named Joe
"Delay" kenne ich noch nicht, aber das Zeug ist ja in der "Monster Movie-Zeit" entstanden und dieser Stoff klingt deutlich nach Punk - Malcom Mooneys Gesang hin und wieder nach CRASS.

Ich besitze die ersten fünf Alben von CAN - "Monster Movie" ist mein Liebling.
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Maulwurf
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Maulwurf »

sid.vicious hat geschrieben: Do 25. Jul 2024, 10:05 Malcom Mooneys Gesang hin und wieder nach CRASS.

Ich besitze die ersten fünf Alben von CAN - "Monster Movie" ist mein Liebling.
OK, ich sehe schon, da muss mehr Stoff her ... :thup:
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
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Maulwurf
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Maulwurf »

Canaan
Walk into my open womb

Doppel-CD - 1998 - Reissue 2003

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Musik für melancholische Menschen. CANAAN sind eine italienische Band, die aus den Resten der Doom-Mitbegründer RAS ALGETHI entstanden sind. So weit, so gut. Doom kennt man, ist düster, ist brachial, und klingt irgendwann alles mal recht ähnlich (vielleicht kann ich dieses Vorurteil im Lauf der Zeit aus der Welt schaffen :mrgreen: ). CANAAN entwickelten den Doom weiter, brachten Elemente des Dark Wave dazu, verbanden die einzelnen Stücke einer CD mit düsteren Ambient-Soundscapes, und heraus kam ein Album, das eine unglaublich schöne und düstere Stimmung erzeugt, dabei in seiner Gleichförmigkeit unglaublich melancholisch wirkt, und dabei doch wiederum erstaunlich abwechslungsreich ist. Musik um im schummrigen Licht einer abgeranzten Kneipe über das Wesen der Dunkelheit zu meditieren. Nur der Gesang ist noch nicht so sattelfest, das wird sich auf den nächsten Alben aber schnell ändern.

Wer die frühen CURE mag, vor allem die Zeit von Faith, der darf hier auch gerne mal ein Ohr riskieren. Die nächsten Alben entwickeln sich dann in eine andere Richtung und bleiben extrem spannend. Hier sind die Melodien noch nicht so catchy wie sie es später werden, aber Walk into my open wound ist für melancholische Menschen sehr wohl eine kleine Offenbarung ...


Canaan - A new beginning


Canaan - Angel nail

Die beiden Stücke kommen auf der CD in dieser Reihenfolge hintereinander - Das Ambient-Insert und der Düster-Rock. Dies um zu demonstrieren, wie die Band Stimmung erzeugt.
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Maulwurf
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Maulwurf »

Canaan
Brand new Babylon

CD - 2000

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Manchmal denke ich mir beim Hören, das so JOY DIVISION im Jahr 2000 vielleicht geklungen hätten. Der solide Bass, die schönen, zerbrechlichen Melodieführungen der Gitarre, das in Detailfragen so gern diffizile Schlagzeug, und natürlich vor allem dieser melancholische Gesang. Der Gesang eines Mannes, der auf dieser Welt schon zu viel gesehen hat, und mittlerweile nur noch müde ist. Wobei die beiden italienischsprachigen Stücke fast poppig daherkommen (ob das an der Sprache liegt?) und kleine Lichtpunkte in dieser umfassenden Düsternis sind.

Auch hier werden viele Stücke wieder von ambientartigen Strukturen verbunden, wenn auch nicht mehr so exzessiv wie beim Vorgängeralbum. Um so eindrucksvoller wirken die Stücke, die oft rockig daherkommen und zu den Drones wunderbare Kontrapunkte ergeben. Auch der Gesang ist mittlerweile ein tragender Bestandteil der Kunst geworden, wenngleich die beiden instrumentalen Stücke beileibe nicht die Schlechtesten sind. Brand new Babylon ist musikalisch und inhaltlich eine Einheit, eine melancholisch-rockige Einheit aus Dark Wave, Ambient und dunklem Rock. Da ist es schwer einzelne Elemente herauszuheben, das Album ist in seiner Gesamtheit einfach genial ... :sabber:


Canaan - Of lost desires
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FarfallaInsanguinata
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von FarfallaInsanguinata »

Maulwurf hat geschrieben: Sa 27. Jul 2024, 13:14
sid.vicious hat geschrieben: Do 25. Jul 2024, 10:05 Malcom Mooneys Gesang hin und wieder nach CRASS.

Ich besitze die ersten fünf Alben von CAN - "Monster Movie" ist mein Liebling.
OK, ich sehe schon, da muss mehr Stoff her ... :thup:
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R-653389-1174231430.jpg (127.61 KiB) 338 mal betrachtet
Unbedingt das "Soundtracks"-Album anschaffen, allein die geniale Musik aus Deadlock ist Pflicht!
Diktatur der Toleranz

Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
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sid.vicious
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von sid.vicious »

Maulwurf hat geschrieben: Sa 27. Jul 2024, 13:14
sid.vicious hat geschrieben: Do 25. Jul 2024, 10:05 Malcom Mooneys Gesang hin und wieder nach CRASS.

Ich besitze die ersten fünf Alben von CAN - "Monster Movie" ist mein Liebling.
OK, ich sehe schon, da muss mehr Stoff her ... :thup:
Wenn du beispielsweise die Studio-Platten von PIL bis 1981 magst, dann führt an CAN kein Weg vorbei!

PIL klingen da deutlich nach CAN. Rotten hat , als er noch cool war (also bis maximal Mitte der 1980er), "Tago Mago" als eines seiner Lieblingsalben bezeichnet.
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Maulwurf
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Maulwurf »

Canaan
A calling to weakness

CD - 2002

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Öffnet man das Digipack von A calling to weakness, sieht man als erstes die Worte:

Hold me                                                                        Will you?

Was für eine Einsamkeit und Verweiflung aus diesen einfachen Worten spricht. Die Angst vor dem Verlassensein. Die Angst davor, alleine etwas durchstehen zu müssen. Die Angst, nicht mehr wahrgenommen zu werden. CANAAN geben auf dem Album diesen Gefühlen Ausdruck. Eine unglaubliche Melancholie strömt aus den Lautsprechern, in Noten gegossene Tränen, eingefroren in zum Weinen schönen Melodien. Die eigenen Wurzeln im Doom Metal werden wieder etwas stärker betont als auf dem Vorgängeralbum, aber gleichzeitig ist man auch so nahe an JOY DIVISIONs Closer wie es kaum denkbar ist. Und dann kommt mit Submission dieses kleine Stückchen Musik. Männer die gemeinsam singen. Im Gesang ihrer Schwermut und ihrer Unterdrückung Ausdruck geben, gefolgt von dem zu Tränen rührenden Mercury, der Erzählung eines grausamen Freitodes. Stay with me, die with me ...

Und noch einmal überwältigt diese einstmalige Metal Band, wenn sie mit dem letzten Stück, A last lullaby, die untergegangene Stetl-Kultur des europäischen Ostens durchblitzen lassen: Ein wohlklingender Altbariton (glaube ich jedenfalls), der auf jiddisch ein Schlaflied singt. Danach ist dese CD zu Ende, und der Zuhörer muss feststellen, dass diese Musik ihn warm und wohlig umhüllt hat. Wie ein Schutz vor der kalten und harten Welt konnte er sich in diese Töne flüchten und von etwas träumen, was wie ein Mittelding aus der Liebe einer Mutter und dem sinnlichen Versprechen des Todes erscheint.

A calling to weakness ist großartige und traurige Musik, tief und ernst, die größer ist als so vieles was man tagaus tagein hört. A calling to weakness ist ergreifend! Und wunderwunderschön ...


Canaan - Everything you say


Cannan - Submission
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Maulwurf
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Maulwurf »

Cannibal Holocaust
Riz Ortolani

CD - 1995

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Wenn man den Informationen aus dem Booklet folgt, ist der Soundtrack zu CANNIBAL HOLOCAUST bis 1995 tatsächlich niemals erschienen. Was merkwürdig ist, schließlich bezieht der Film einen guten Teil seiner Stimmung aus der intensiven Musik von Riz Ortolani. Das Titelthema, mit dem wir über den Dschungel fliegen (vor allem am Ende, nach all den Grausamkeiten und den niederschmetternden Bildern, ein echter Brainwasher). Die intensive Musik zu Szenen wie der rituellen Tötung der jungen Frau am Ufer ... Musik, die sich tief in die Gehörgänge einbrennt, und die beim Hören die Bilder des Films unweigerlich nach oben bringt. Ob das nun im positiven oder im negativen Sinne ist muss jeder für sich beurteilen, aber die Bilder sind einfach wieder da.
Auf der anderen Seite enthält die CD dann auch Stücke wie Cameraman's recreation oder Relaxing in the savana, die eher an Kindereien von der De Angelis-Brüder erinnern, und die mir merkwürdig fremd vorkommen. Sowohl von der Erinnerung an den Film her, wie auch als Bestandteil der CD.

Sei es wie es ist, ich bin froh diesen Soundtrack in der Sammlung zu haben, auch wenn ich ihn jetzt nicht jeden Tag hören könnte. Aber genauso wie der Film ist die Musik einfach herausragend. Anders. Besonders.


Riz Ortolani - Savage rite


Riz Ortolani - Cameramen's recreation
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buxtebrawler
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von buxtebrawler »

Maulwurf hat geschrieben: Sa 3. Aug 2024, 13:20 Cannibal Holocaust
Riz Ortolani
Für mich Ortolanis bester und ganz allgemein einer meiner Lieblings-Soundtracks.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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Maulwurf
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Maulwurf »

buxtebrawler hat geschrieben: Mo 5. Aug 2024, 09:01
Maulwurf hat geschrieben: Sa 3. Aug 2024, 13:20 Cannibal Holocaust
Riz Ortolani
Für mich Ortolanis bester und ganz allgemein einer meiner Lieblings-Soundtracks.
Jetzt habe ich endlich mal nachgeschaut, was der Mann alles so vertont hat. Mein lieber Herr Gesangsverein, Ortolanis Oeuvre ist das Nonplusultra des italienischen Genrefilms. Aber ich stimme Dir zu, CANNIBAL HOLOCAUST ist sein Meisterwerk. Über einen gleichen Platz von DER TOD RITT DIENSTAGS kann man diskutieren :mrgreen:
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