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horror1966 hat geschrieben:Mit Erziehungskino hat der Film meiner Meinung nach herzlich wenig zu tun,
Stimmt. Allerdings hat mich der Film nicht wirklich gepackt, ohne dass ich wirklich sagen könnte, woran das liegt. Die darstellerischen Leistungen fand ich gut, so richtig plausibel fand ich Marisas Sinneswandel jedoch nicht.
Unabhängig vom Film frage ich mich ja eh, weshalb nun ausgerechnet so gewaltgeile Volldeppen, die so eben unfallfrei bis 10 zählen können, auf diesen Nazischeiß abfahren, (und Sandro ist ja voll der arische Name...) zumal gerade Sachsen-Anhalt ja bekanntlich völlig von Ausländern überlaufen ist. Gerade diese Typen wären doch schon spätestens 1934 im KZ gelandet. Aber gut, Gehirnleistung darf man von denen natürlich nicht erwarten.
bei nazis darfste halt nicht von denken oder logik ausgehen...
ich schrieb damals nach der Sichtung:
"Starke junge angepisste Frau (Marisa) ist eine Nazifrau, aggressiv und voller Haß.
Ihr Freund Sandro kommt in den Knast, sie hat den Hals dick und fährt zwei junge Afghanen an.
Später trifft sie den einen wieder und aus einer Mischung aus Schuld (sie denkt, den anderen umgebracht zu haben), Angst, dass er sie verpfeifen könnte und eine Art von Interesse hilft sie ihm.
Als Sandro aus dem Knast kommt, nimmt die Story rasant an Fahrt auf.
Paralell dazu wird die Geschichte der klugen 15jährigen Svenja erzählt, die in mit ihrem anspruchsvollen autoritären Schwiegervater nicht klar kommt, und aus Abenteuergedanken und Neugier über einen Gärtner in die Naziclique kommt.
Die Storys der beiden Frauen werden hübsch paralell gestellt und verbunden.
Zwischen argen Klischee (das spielt zB in der Nähe Bitterfelds) und der Ahnung, dass das authentisch sein könnte, bewegt sich das Millieu. Bei der Rollencharakterisierung fallen diese Klischees aber hauptsächlich weg, da auch die Beweggründe ihrer Handlungen nicht so singulär erklärt werden, das die Motivation zumindest multiple Gründe hat, die zum Glück auch nicht alle auserzählt werden, sondern eher angedeutet.
Zwei sehr gute Hauptdarstellerinnen, auch die ganze Nebenfiguren, Sandro, der alte österreichische Nazi, der Freund Svenjas, für den das eher so eine Art Livsstyle ist, werden gut gespielt. Aber leider wurden die redenden Statisten sehr schlecht gespielt, das war extrem unecht, als wenn man gerade Leute von der Strasse holte und die eben den Text aufsagen ließ.
Musik ausgesprochen gut, auch gut, das extra hierfür Nazi-Songs geschrieben wurden.
Das Ende wurde in einer hübschen Kreisform erzählt. Nur das der Text vom Anfang wiederholt wurde, irritierte.
Der Film lohnt allein schon wegen Alina Levshins (die fiel mir schon bei "Im Angesicht des Verbrechens" sehr positiv auf) Leistung, der Rest ist ok bis gut. "
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
„Das ist ‘ne politische Aussage, und dafür kann man gar nicht jung genug sein!“
Das Neonazi-Drama „Kriegerin“ ist die zweite Regiearbeit des deutschen Filmemachers David Wnendt, der auch das Drehbuch verfasste. Diese Abschlussarbeit seiner Filmhochschulausbildung wurde beim Filmfest München im Jahre 2011 uraufgeführt, im Januar 2012 folgte der bundesweite Kinostart. Dem Drehbuch vorausgegangen waren laut Wnendt intensive Recherchen in der Neonazi-Szene, insbesondere in Bezug auf weibliche Mitglieder. Für seinen Film beansprucht er Authentizität.
Die 20-jährige Marisa (Alina Levshin, „Im Angesicht des Verbrechens“) lebt irgendwo in der ostdeutschen Provinz, arbeitet als Kassiererin in der Kaufhalle und gehört einer Gruppe Neonazis an. Sie hasst alles und jeden, was oder wer nicht in die NS-Ideologie passt, und Gewalt gehört zu ihrem Alltag. Liiert ist sie mit Sandro (Gerdy Zint, „Shahada“), ebenfalls ein militanter Neonazi, der gerade eine Haftstrafe absitzen muss. Als Marisa und ihre Clique an einem Badesee auf die afghanischen Asylbewerber Jamil (Najebullah Ahmadi) und Rasul (Sayed Ahmad) treffen, beleidigen sie diese rassistisch. Ein Konflikt entbrennt, der darin eskaliert, dass Marisa die Afghanen in einen Autounfall verwickelt und Jamil dabei schwer verletzt. Kurze Zeit später taucht Rasul bei Marisa im Laden auf, schildert seine Situation und bittet um Nahrung. Marisa erkennt, wie sehr sich Rasuls Lage durch ihren Anschlag auf ihn und Jamil verschlimmert hat, und versorgt ihn heimlich mit Essen sowie einem Platz zum Schlafen. Rasul plant, zu seiner Familie nach Schweden weiterzureisen, weiß jedoch nicht, wie er das ohne Jamils Hilfe anstellen soll. Marisa, die durch die direkte Konfrontation mit Rasuls Lebenswelt langsam, aber sicher zu ihrer Menschlichkeit zurückfindet, versucht, ihn in seinem Vorhaben zu unterstützen. Ihre Clique, der sich gerade die 15-jährige Svenja (Jella Haase, „Lollipop Monster“) anschließt, darf davon jedoch nichts erfahren. Das Mädchen aus bürgerlichem Hause will ihr als spießig empfundenes Umfeld abschütteln und vor ihrem Stiefvater und dessen Erziehungsmethoden flüchten. Marisa kommen immer stärkere Zweifel an der NS-Ideologie, ihrem bisherigen Weltbild und Lebenswandel sowie ihrem chauvinistischen Freund Sandro, während Svenja immer tiefer in die Neonazi-Szene eintaucht…
Wnendts Film ist weniger Milieu- denn psychologische Charakterstudie, ohne dabei jede Erkenntnis oder Aussage lehrfilmartig auszuformulieren. Stattdessen lässt er Bilder sowie die Mimik seiner großartigen Hauptdarstellerin sprechen, der indes Jella Haase kaum nachsteht. Wnendt lässt Marisa zu Beginn aus dem Off ihre Gedanken äußern und integriert Authentizität suggerierende Handkameraaufnahmen von Gewaltexzessen der Neonazi-Clique ebenso in die Bilderwelten seines Kameramanns wie Sexszenen, in denen Marisa oben ohne zu sehen ist. Rückblenden zeigen, wie Marisas Großvater ihr Nazi-Humbug ins Hirn pflanzte, als sie noch ein Kind (Hanna Binke, „Ostwind“) war, und sie damit prägte. In der Gegenwart wird die jugendliche Neonazi-Clique von Altnazis politisch indoktriniert und geschult, um die Ideologie auch bei denjenigen zu festigen, deren Hass bisher eher diffus ist oder die eher unpolitische Mitläufer(innen) sind, die schlicht nach einer starken, im Prinzip jedoch austauschbaren Clique suchen. Auf diese Weise werden Emotionen und juvenile Irrungen ideologisch aufgeladen und kanalisiert. Das ist gut beobachtet und wiedergegeben. So wird erst gemeinsam der NS-Propagandafilm „Der ewige Jude“ geguckt und anschließend die Wohnung bei einer wilden Party auseinandergenommen.
Meist herrscht jedoch gedrückte Stimmung. Nach dem Vorspann wird erst gegen Ende wieder Gebrauch von Filmmusik gemacht; bis dahin kommt lediglich handlungsimmanente Musik fiktionaler Neonazi-Rockbands vor, die Filmmusiker Johannes Repka eigens für diesen Film schrieb und einspielen ließ. Der Umgang der Figuren miteinander ist sehr rau, wirkt abgestumpft und verroht – sowohl in der Clique und Szene als auch familiär. Eine dementsprechend große Rolle spielen Familienkonflikte, Svenjas Abstieg in die Neonazi-Szene beginnt mit einer puren Rebellion gegen ihr Elternhaus. Tatsächlich begünstigt fehlender familiärer Zusammenhalt, dass sich Jugendliche Ersatzfamilien in Form von Cliquen und Szenen suchen, was häufig positive Konsequenzen nach sich zieht, aber eben auch zum völligen Desaster geraten kann, gerät man ausgerechnet an Neonazis oder entscheidet sich gar bewusst für sie. Familienprobleme sind als Ursache indes keinesfalls als Ursache generalisierbar, was Wnendt auch vermeidet. Unabhängig davon fällt es oftmals schwer, die Motivation hinter Lebenswandel und Handeln der Figuren nachzuvollziehen – offenbar fiel Wnendt dazu selbst nicht immer allzu viel ein. So bleiben irritierende Leerstellen.
Dass sich ausländerfeindliche Ressentiments schnell relativieren können, sobald man selbst einmal mit Ausländer(inne)n konfrontiert wird und sie als Mitmenschen kennenlernt, und Fremdenfeindlichkeit ausgerechnet in Gegenden mit ohnehin geringem Migrant(inn)enanteil grassiert, ist eine Tatsache, die der Beziehung, die Marisa zu Rasul entwickelt, zugrunde liegen dürfte. Weshalb Wnendt jedoch ein derart eigenartiges Bild eines afghanischen Flüchtlings zeichnet, bleibt unklar. Es reiht sich in die sich einem weniger erschließenden Momente des Films ein. Und gänzlich überflüssige dramaturgische Allgemeinplätze wie das erst in letzter Sekunde anspringende Auto hätte man besser ausgespart, zumal spätestens damit der Authentizitätsanspruch untergraben wird.
Stark ist „Kriegerin“ hingegen, wenn er die sich in bestimmten Punkten ähnelnden, jedoch unterschiedlich verlaufenden Biografien Marias und Svenjas gegenüberstellt, wenn der Abkapselungsprozess Marisas von der Szene parallel dazu verläuft, wie Svenja immer tiefer in sie abtaucht. Dazu zählen auch die Augenblicke, in denen Marisa nach und nach, zunächst ganz vorsichtig, Einblicke hinter ihre harte Fassade gewährt, andere Emotionen als Hass und Wut zulässt, und in denen Levshin der inneren Zerrissenheit ihrer Rolle, deren Weltbild nachhaltig infrage gestellt wird, Ausdruck zu verleihen versteht. Überhaupt ist es ein Gewinn, dass Wnendt mit „Kriegerin“ eine weibliche Perspektive aufgreift, nachdem artverwandte Filme wie „Romper Stomper“, „American History X“ oder auch der missglückte „Oi! Warning“ stets männliche Figuren in den Mittelpunkt stellten. Über das ausdrucksstarke, auf seine Weise ästhetische, aber auch stark melodramatisierende Ende lässt sich jedoch streiten.
Wnendts Anliegen war es mit Sicherheit nicht, allgemeingültige Aussagen über die Gründe fürs Einschlagen rechtsextremistischer bis terroristischer Laufbahnen zu treffen, weshalb auf dieser falschen Annahme beruhende Kritik zurecht an ihm abprallen dürfte. „Kriegerin“ verharmlost zu keiner Sekunde und deutet die schwierigen Umstände eines Ausstiegs aus der Szene an. Bei seiner Fokussierung auf einen überschaubaren Figurenkreis und deren individuelle Geschichten wären jedoch etwas tiefergehende Einblicke in die verquere Neonazi-Logik wünschenswert. Und eine verpasste Chance ist es einmal mehr, mehrere Neonazis im Skinhead-Look – wie eben auch Marisa – zu zeigen, ohne auch mit nur einer Silbe darauf einzugehen, dass die Skinhead-Subkultur eigentlich eine ganz andere ist und es sich bei deren rechtsextremistischen Auswüchsen um perverse Entstellungen handelt, von den eigentlichen Skins verächtlich Boneheads genannt. Nichtsdestotrotz überwiegt auch aufgrund seiner spannenden Narration der positive Eindruck eines Films, der fast vollständig auf den Schultern seiner beiden Hauptdarstellerinnen lastet.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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