The Mother Of Tears - Dario Argento
Moderator: jogiwan
Re: The Mother Of Tears - Dario Argento
Cover des Schubers der ungekürzten Fassung aus Österreich
The Mother of Tears (Italien 2007, Originaltitel: La terza madre)
Die verspätete Mutter
Bei Ausgrabungen findet man einen alten Sarg, an dem eine Truhe mit rätselhaftem Inhalt befestigt ist. Die ansehnliche Schatulle wird an ein Museum in Rom geschickt, der Wissenschaftler Michael Pierce (Adam James) soll den Fund untersuchen. Da Pierce momentan nicht im Hause weilt, öffnen Sarah Mandy (Asia Argento) und eine Kollegin den hölzernen Behälter. In der Kiste findet man so seltsame wie faszinierende Artefakte vor. Doch als Sarah flugs ein Buch als Übersetzunghilfe für alte Schriftzeichen aus der Bibliothek holt, wird sie bei ihrer Rückkehr Zeugin eines grauenvollen Szenarios. Ihre Kollegin wird von fürchterlichen Gestalten regelrecht zerfleischt, nur knapp kann sich Sarah dem schrecklichen Treiben per Flucht entziehen. Die Polizei schenkt den Ausführungen der jungen Frau keinen Glauben, zu befremdlich und phantastisch mutet ihre Aussage an. Bald wird Rom von einem Strudel aus Gewalt und Terror ergriffen, Mater Lacrimarum kehrt zurück! Wer kann die Mutter der Tränen aufhalten? Noch ahnt Sarah nichts davon, dass sie über magische Kräfte verfügt...
Lange, lange habe ich die Sichtung von "La terza madre" vor mir hergeschoben. Doch in der vergangenen Nacht konnte ich mein Verlangen nicht länger im Zaum halten, endlich wanderte die DVD in den Player. Die Mutter der Tränen tritt ein übergrosses, geradezu gigantisches Erbe an. Dario Argento startete seine legendäre "Mütter-Trilogie" bekanntlich bereits 1977 mit "Suspiria", 1980 folge der zweite Teil namens "Inferno". Beide Werke gelten längst als Klassiker des Horrorkinos, haben in all den Jahren nichts von ihrem Reiz, ihrer Wirkung eingebüßt. Kann sich der lang erwartete Abschluss der Trilogie mit seinen Vorgängern messen, zumindest halbwegs an diese Meisterwerke anknüpfen? Die Antwort ist so wenig überraschend wie gleichermaßen ernüchternd. Nein, an "Suspiria" und "Inferno" reicht "La terza madre" nicht heran, zu keiner Zeit, in keiner Disziplin!
Doch macht der Vergleich tatsächlich Sinn? Ist dieser Vergleich -nach all den Jahren, die zwischen den Filmen liegen- überhaupt angemessen, erlaubt und ansatzweise fair? Ja und nein! Wie meinen? Ja, denn immerhin soll dieser Film eine Trilogie vollenden. Nein, denn in den fast drei Jahrzehnten, die bekanntlich seit "Inferno" verstrichen sind, hat sich das "Filmemachen" sehr stark verändert. Von dem Rausch aus Farben und Klängen, der hypnotisch und eindringlich über den Zuschauers kam, sich in jeder Pore, jeder Zelle bemächtigte, bis in die hintersten Winkel des Bewusstseins kroch, ist in der "Tränen-Mama" nicht mehr viel übrig geblieben. Nein, ein weiterer Klassiker ist Dario Argento nicht gelungen. Ja, der Film macht trotzdem Freude, auch wenn er weitaus gewöhnlicher ausgeführt ist, nur noch selten das Genie des Meisters erkennbar wird.
Teils wurde die angeblich ausufernde Gewalt in "The Mother of Tears" angeprangert, mit der Argento vom Mangel an Substanz ablenken will. Aber seinen wir ehrlich, übertreibt Argento es tatsächlich, ertränkt er seinen Film in einem Regen aus Blut und Gedärm? Sicher nicht, obschon es die eine oder andere rustikale Szene zu sehen gibt. Argento begibt sich nicht auf das übliche "Folter-Slasher-Niveau", nutzt die Momente des Mettguts nicht als sinnfreien Selbstzweck, sondern versucht (IMHO überwiegend durchaus gelungen) damit die Atmosphäre zu verstärken. Dennoch muten die ruppigen Szenen nicht so stimmig an, wie man es aus anderen Filmen des Italieners kennt. So kommt z.B. "Suspiria" auch nicht ohne blutige, sadistische Momente aus, aber dort sind sie wie gemalt ausgeführt, kommen trotz ihrer offensiven Art schaurig-schön daher. Nicht die blutigen Szenen sind es, die "Mother of Tears" gewöhnlich erscheinen lassen. Es ist vielmehr die weitgehende Abwesenheit besonderer Momente, der Mangel an "Argento-Feeling". Wo sind die unfassbar genialen Kamerafahrten, wo ist das unglaubliche Gespür für Atmosphäre, Architektur, Farben und Formen? Es ist nicht verloren, doch blüht nur zaghaft im Hintergrund, blitzt immer nur kurzzeitig auf.
Wie ist es um die Damen und Herren vor der Kamera bestellt? Die Hauptrolle wird von Asia Argento gespielt, die Tochter des Regisseur arbeitete schon zuvor mit ihrem Vater zusammen. Asia spaltet oft die Gemüter, ich mag ihre direkte Art, ihre stets (mehr oder weniger stark ausgeprägte) nuttige Billigkeit, in der sich bei genauer Betrachtung eine erstaunliche Tiefe erkennen lässt. Die Darstellung der in einen Taumel des Grauens stürzenden Sarah gelingt Asia Argento gut, ich habe nichts an ihrer Darbietung zu bemängeln. Valeria Cavalli bringt die magisch begabte Sarah auf den richtigen Weg. Sie verleiht ihrer Rolle der Seherin Marta Colussi ein natürliche Wärme, gepaart mit der unaufdringlichen Attraktivität einer reifen Dame. Daria Nicolodi taucht als Geistererscheinung auf, spricht ihrer Tochter Mut zu. Eine sinn- und reizvolle Besetzung, da Dario Nicolodi bekanntlich auch im wahren Leben die Mutter von Asia Argento ist. Eine gewisse Moran Atias sehen wir als Mater Lacrimarum. Leider sind ihre schauspielerischen Qualitäten nicht der Rede wert, aber immerhin erfreut sie uns mit schmackhaften Einblicken (zu den Auftritten der "Tränen-Mutti" später noch ein paar Worte). Adam James gibt den zunehmend in Bedrängnis geratenden Wissenschaftler zufriedenstellend, kann aber keine Glanzpunkte setzen. Immerhin schlägt er sich besser als die sehr blassen Herren Cristian Solimeno und Robert Madison, die als Polizisten machtlos der unfassbaren Gefahr gegenüberstehen. Richtig gut ist der kurze Auftritt von Philippe Leroy, der als Alchimist einen sehr ambivalenten und reizvollen Part spielen darf. Udo Kier soll nicht unerwähnt bleiben, seine Szenen sorgen für Gekeife, Gegeifer und ein Blutbad. Insgesamt kann man dem Ensemble ein gutes Zeugnis ausstellen, auch wenn nicht alle Mitwirkenden rundum zu überzeugen vermögen.
An dieser Stelle muss ich erneut auf die optische und inszenatorische Qualität des Films eingehen. Zunächst war ich wenig angetan von den Szenen, in denen Mater Lacrimarum höchstselbst auftaucht. Besonders im Finale scheint Argento nicht mehr in der Spur zu sein. Aber ist dem tatsächlich so? Betrachte ich Mater Lacrimarums "finale Messe" mit Wohlwollen, fühle ich mich unweigerlich an ein Theaterstück erinnert, mutet die Inszenierung gar wie eine Verneigung vor dem Theater an. Einem Könner wie Dario Argento möchte ich daher unterstellen, dass er ganz bewusst diese Ausrichtung gewählt hat. Wirkliches Geschwächel stellt sich ein, wenn digitale Effekte in den Vordergrund treten. Von anderem Kaliber sind die Makeup-Arbeiten des bewährten Sergio Stivaletti. Argento hätte gut daran getan sich stärker auf "CGI-freie" FX zu konzentrieren, wäre besser mit Modellen, Masken und Prothesen gefahren (Immer wenn altbewährte Techniken zum Einsatz kommen, fügen sich die Effekte ansprechend in den Film ein). Die Musik steuerte Claudio Simonetti bei, der schon seit einer gefühlten Ewigkeit mit (und ohne) Goblin für Dario Argento tätig ist. Simonetti verlässt sich auf erprobte Zutaten, insgesamt tönt der Score aber zurückhaltender -und etwas beliebiger- als manch andere Arbeit des Musikers.
Was bleibt nach der ersten Sichtung von "La terza madre"? Ein Tal der Tränen? Eine überraschender Volltreffer? Nein, ein unterhaltsamer und angenehmer Horrorbeitrag, der zwar als Abschluss der Trilogie nur eingeschränkt funktioniert, aber weit von einem Desaster entfernt ist. Schon allein für sein Durchhaltevermögen verdient Dario Argento unseren Respekt!
Für den deutschen Markt wurde der Film leider gekürzt, Abhilfe schafft z.B. die Scheibe aus Österreich. Die Qualität der DVD geht in Ordnung, das Making of bietet zwar nur den üblichen Sülz, lohnt für den Argento-Fan aber trotzdem. Neben der Amaray-Version im Schuber, wurde die Disc auch in einer limitierten grossen Hartbox angeboten.
Uff, nun also die unselige Wertung per Zahlenraster. Werte ich den Film als eigenständiges Werk, ziehe ich gern solide 7/10 (gut). Es ist nur Nebelstocherei, doch hätte Dario Argento "La terza madre" bereits vor 25 Jahren realisiert, wäre der Regisseur vermutlich in der Lage gewesen, die Trilogie mit einem dritten Meisterwerk zu vervollständigen.
Lieblingszitat:
"Ich muss kämpfen, ich muss kämpfen!"
"Beruhigen Sie sich. Bitte! Nehmen Sie ihre Tropfen."
Zuletzt geändert von Blap am Do 28. Apr 2011, 17:07, insgesamt 1-mal geändert.
Das Blap™ behandelt Filme wie Frauen
Re: The Mother Of Tears - Dario Argento
Blap hat geschrieben:"Beruhigen Sie sich. Bitte! Nehmen Sie ihre Tropfen."[/i]
Der Text zum Film ist Klasse Blap und trifft es zu 100% , stellenweise ist er recht gut und auf einmal passiert etwas wo man sich die Frage stellen muss ob Argento seine Tropfen zu hoch dosiert hat oder ob Sie ganz vergessen wurden .
Wer tanzen will, muss die Musik bezahlen!
Re: The Mother Of Tears - Dario Argento
Fragt mich nicht warum, aber ich hatte gestern einfach Lust, mir "Mother of Tears" nochmal zu geben, nachdem ich den ja bisher immer eher negativ beurteilt habe. Liegt es an - wie von Diabolik geschrieben - am miesen Nachfolger? Hat mich der Sommer oder mein Alter milde gestimmt? Oder liegt es einfach an der Vielzahl von miesen, aktuellen Horrorfilmen, die ich in der letzten Zeit gesehen hab....? Keine Ahnung, aber so schlimm fand ich den gestern gar nicht mehr. Sicherlich gibt es einige Momente, bei denen man sich an den Kopf greifen möchte und Asia und ich werden keine Freunde mehr - andererseits hat "Mother of Tears" auch durchaus seine guten Momente und langweilig wird es auch nie. Mid-Budget-Trash, der doch irgendwie holprig aber irgendwie sympathisch daherkommt. 6-7/10Diabolik! hat geschrieben:Man weiß MOTHER OF TEARS erst zu schätzen, wenn man diese unfassbare Gurke GIALLO gesehen hat...
it´s fun to stay at the YMCA!!!
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Re: The Mother Of Tears - Dario Argento
Das ist er also, der Abschluss der Mütter-Trilogie des italienischen Kult-Regisseurs Dario Argento, der 1977 mit „Suspiria“ und 1980 mit „Inferno“ die ersten beiden Teile vorlegte und damit faszinierende, bildgewaltige, unverkennbar eigenständige Horrorfilme schuf. Mehr als ein Vierteljahrhundert ist seitdem ins Land gezogen. Ist diese italienisch-US-amerikanische Koproduktion aus dem Jahre 2007 ein würdiger Abschluss? Nur sehr bedingt…
Nach Ausgrabungen in der Nähe Roms wird durch Öffnen einer uralten Urne Mater Lacrimarum, der Mutter der Tränen (Moran Atias), der Weg zurück in die Gegenwart geebnet, was mit Tod und Verderben (nicht nur) auf den Straßen Roms einhergeht. Die US-Kunststudentin Sarah (Asia Argento, „Dance of the Demons 2“, „The Stendhal Syndrome“) nimmt den Kampf gegen die Hexe und ihre Gefolgschaft auf, nachdem sie erfährt, dass sie selbst Nachkommin einer guten Hexe ist – derjenigen, die seinerzeit Mater Suspirianum so sehr schwächte, dass ihr schließlich in „Suspiria“ der Garaus gemacht werden konnte.
Waren „Suspiria“ und „Inferno“ hauptsächlich auf die jeweiligen Gebäude in Freiburg und New York beschränkt, beschreitet man mit „Mother of Tears“ andere Wege: Die Spielwiese der Tränenmutti ist ganz Rom, wo sie und ihre Helferinnen für Selbstmorde, Gewalt und Chaos sorgen. Die Intention dahinter war vermutlich, aus dem Trilogieabschluss etwas wahrhaft Apokalpytisches zu machen, die von der Hexe ausgehende Gefahr zu steigern. Dumm nur, dass – aufgrund eines radikal zusammengekürzten Budgets, wie man sich erzählt – von dieser Idee kaum etwas in einer Weise umgesetzt wurde, die diesen Anspruch wirkungsvoll untermauern würde. Die kurzen Einspieler vom Treiben auf den Straßen jedenfalls erzeugen noch lange keine Endzeitstimmung und die Darstellung der Hexengefolgschaft als freche Gothpunk-Mädels, die pöbelnd durch die Straßen ziehen, strotzt nur so vor Klischees und verfehlt ihren Effekt komplett. Die Tränenmutti selbst bekommt man schon verdammt früh zu sehen. Sie scheint einer Fetischszene zu entspringen und ist zudem recht attraktiv gebaut, also kein Vergleich zu den geheimnisumwitterten Gestalten aus Argentos vorausgegangenen „Mater-Filmen“, die man erst gegen Ende zu Gesicht bekam. Das nennt man wohl Entmystifizierung.
Überhaupt versucht „Mother of Tears“ zu quasi keinem Zeitpunkt, etwas von der unvergleichlichen Stimmung der Vorgänger in die Gegenwart herüberzuretten. Moderne Optik, kaum Argento-typische visuelle Charakteristika wie ausgedehnte Kamerafahrten oder bavaeske Farbdramaturgie, generell kaum Zeit für die Entfaltung einer mystischen, unheilschwangeren Atmosphäre. „Mother of Tears“, ist schrill und laut. Und das wiederum gar nicht mal so verkehrt: Wie bereits in anderen Argentos jüngeren Datums wird auch hier gerne auf Splatter und Gore gesetzt, integriert in die Handlung statt selbstzweckhafter Blutorgie und im Falle der handgemachten Spezialeffekte hervorragend realisiert. Leider konnte man sich aber nicht dazu durchringen, komplett auf CGI-Effekte zu verzichten, worunter der Film doch beträchtlich leidet. Statt übertriebene Gewaltszenen wie die Pfählung eines Opfers mithilfe von CGI auf die Spitze zu treiben, wären sie effektiver ausgefallen, hätte man auf den Computereinsatz verzichtet. Die Erscheinungen von Sarahs Mutter aus dem Geisterreich wirken zudem sehr fantasyartig und damit in diesem Film fehl am Platz. Dass man Asia Argentos tatsächliche Mutter verwandte, hat hingegen schon wieder etwas. Computeranimationen wie ausgewölbte Türen oder Wände erinnern mich spontan an Peter Jacksons Horrorkomödie „The Frighteners“, wo sie gut, vor allem aber besser als in einem Argento aufgehoben waren. Claudio Simonettis Soundtrack hingegen ist von der ersten Sekunde an angenehm düster und rundum gelungen. Stilistisch also eine durchwachsene, vor allem aber – insbesondere im direkten Vergleich mit den anderen beiden Trilogie-Teilen – hochgradig ungewohnte Angelegenheit.
Asia Argentos Schauspiel ist ok, wenn sie in diesem Film auch nicht gerade ein Augenschmaus ist. Ihre Hauptrolle meistert sie aber souverän, für die Schauwerte ist die böse Hexenbrut zuständig, deren Blankziehen die Ausrichtung des Films auf oberflächlichen Unterhaltungswert unterstreicht. Udo Kier wird in einer zu kleinen Nebenrolle verschenkt. Herausragendes, sonderlich Erinnerungswürdiges leistet ansonsten niemand aus der Darstellerriege. Waren insbesondere in „Inferno“ die Darsteller ohnehin der Optik respektive den Kulissen des Films eindeutig untergeordnet, ist dies hier nicht der Fall, doch versucht man, immer wieder den Bezug zu „Suspiria“ und „Inferno“ herzustellen und als eine Art Überbau zu installieren. Ja, das sorgt hier und da für wohlige Erinnerungen, die aber nur allzu schnell in Wehmut umschlagen, wenn beispielsweise die geheimnisumwitterten Aufzeichnungen des Hexenhaus-Architekten ein unfassbar lächerlich einfach zu lösendes „Rätsel“ offenbaren und schnell deutlich wird, dass auch all die Verweise die kongeniale Mystik der Vorgänger nicht erreichen können. Letztlich führen Sarahs Recherchen mithilfe ihrer Geistermutter in Katakomben, die ein zwar durch ihre Kulissen durchaus endlich einmal bildgewaltiges, inhaltlich aber enttäuschend unspektakuläres Finale den Raum bieten.
Schafft man es aber, ohne irgendeine über herkömmlichen Horror hinausgehende Erwartungshaltung an „Mother of Tears“ heranzugehen, klingt das alles viel Negativer, als es eigentlich ist. Argentos Film ist zwar eine atmosphärische Nullnummer, ansonsten aber flotter, unterhaltsamer Okkult-Hexenhorror, der oft an nichtitalienische Subgenreklassiker erinnert und durch seine Verquickung mit krudem Splatter und in Gestalt ungruseligen Popcorn-Kinos dann irgendwie doch etwas Besonderes ist. Aber wer schafft es schon, ein letztes Trilogiedrittel losgelöst von den anderen beiden zu betrachten?
Nach Ausgrabungen in der Nähe Roms wird durch Öffnen einer uralten Urne Mater Lacrimarum, der Mutter der Tränen (Moran Atias), der Weg zurück in die Gegenwart geebnet, was mit Tod und Verderben (nicht nur) auf den Straßen Roms einhergeht. Die US-Kunststudentin Sarah (Asia Argento, „Dance of the Demons 2“, „The Stendhal Syndrome“) nimmt den Kampf gegen die Hexe und ihre Gefolgschaft auf, nachdem sie erfährt, dass sie selbst Nachkommin einer guten Hexe ist – derjenigen, die seinerzeit Mater Suspirianum so sehr schwächte, dass ihr schließlich in „Suspiria“ der Garaus gemacht werden konnte.
Waren „Suspiria“ und „Inferno“ hauptsächlich auf die jeweiligen Gebäude in Freiburg und New York beschränkt, beschreitet man mit „Mother of Tears“ andere Wege: Die Spielwiese der Tränenmutti ist ganz Rom, wo sie und ihre Helferinnen für Selbstmorde, Gewalt und Chaos sorgen. Die Intention dahinter war vermutlich, aus dem Trilogieabschluss etwas wahrhaft Apokalpytisches zu machen, die von der Hexe ausgehende Gefahr zu steigern. Dumm nur, dass – aufgrund eines radikal zusammengekürzten Budgets, wie man sich erzählt – von dieser Idee kaum etwas in einer Weise umgesetzt wurde, die diesen Anspruch wirkungsvoll untermauern würde. Die kurzen Einspieler vom Treiben auf den Straßen jedenfalls erzeugen noch lange keine Endzeitstimmung und die Darstellung der Hexengefolgschaft als freche Gothpunk-Mädels, die pöbelnd durch die Straßen ziehen, strotzt nur so vor Klischees und verfehlt ihren Effekt komplett. Die Tränenmutti selbst bekommt man schon verdammt früh zu sehen. Sie scheint einer Fetischszene zu entspringen und ist zudem recht attraktiv gebaut, also kein Vergleich zu den geheimnisumwitterten Gestalten aus Argentos vorausgegangenen „Mater-Filmen“, die man erst gegen Ende zu Gesicht bekam. Das nennt man wohl Entmystifizierung.
Überhaupt versucht „Mother of Tears“ zu quasi keinem Zeitpunkt, etwas von der unvergleichlichen Stimmung der Vorgänger in die Gegenwart herüberzuretten. Moderne Optik, kaum Argento-typische visuelle Charakteristika wie ausgedehnte Kamerafahrten oder bavaeske Farbdramaturgie, generell kaum Zeit für die Entfaltung einer mystischen, unheilschwangeren Atmosphäre. „Mother of Tears“, ist schrill und laut. Und das wiederum gar nicht mal so verkehrt: Wie bereits in anderen Argentos jüngeren Datums wird auch hier gerne auf Splatter und Gore gesetzt, integriert in die Handlung statt selbstzweckhafter Blutorgie und im Falle der handgemachten Spezialeffekte hervorragend realisiert. Leider konnte man sich aber nicht dazu durchringen, komplett auf CGI-Effekte zu verzichten, worunter der Film doch beträchtlich leidet. Statt übertriebene Gewaltszenen wie die Pfählung eines Opfers mithilfe von CGI auf die Spitze zu treiben, wären sie effektiver ausgefallen, hätte man auf den Computereinsatz verzichtet. Die Erscheinungen von Sarahs Mutter aus dem Geisterreich wirken zudem sehr fantasyartig und damit in diesem Film fehl am Platz. Dass man Asia Argentos tatsächliche Mutter verwandte, hat hingegen schon wieder etwas. Computeranimationen wie ausgewölbte Türen oder Wände erinnern mich spontan an Peter Jacksons Horrorkomödie „The Frighteners“, wo sie gut, vor allem aber besser als in einem Argento aufgehoben waren. Claudio Simonettis Soundtrack hingegen ist von der ersten Sekunde an angenehm düster und rundum gelungen. Stilistisch also eine durchwachsene, vor allem aber – insbesondere im direkten Vergleich mit den anderen beiden Trilogie-Teilen – hochgradig ungewohnte Angelegenheit.
Asia Argentos Schauspiel ist ok, wenn sie in diesem Film auch nicht gerade ein Augenschmaus ist. Ihre Hauptrolle meistert sie aber souverän, für die Schauwerte ist die böse Hexenbrut zuständig, deren Blankziehen die Ausrichtung des Films auf oberflächlichen Unterhaltungswert unterstreicht. Udo Kier wird in einer zu kleinen Nebenrolle verschenkt. Herausragendes, sonderlich Erinnerungswürdiges leistet ansonsten niemand aus der Darstellerriege. Waren insbesondere in „Inferno“ die Darsteller ohnehin der Optik respektive den Kulissen des Films eindeutig untergeordnet, ist dies hier nicht der Fall, doch versucht man, immer wieder den Bezug zu „Suspiria“ und „Inferno“ herzustellen und als eine Art Überbau zu installieren. Ja, das sorgt hier und da für wohlige Erinnerungen, die aber nur allzu schnell in Wehmut umschlagen, wenn beispielsweise die geheimnisumwitterten Aufzeichnungen des Hexenhaus-Architekten ein unfassbar lächerlich einfach zu lösendes „Rätsel“ offenbaren und schnell deutlich wird, dass auch all die Verweise die kongeniale Mystik der Vorgänger nicht erreichen können. Letztlich führen Sarahs Recherchen mithilfe ihrer Geistermutter in Katakomben, die ein zwar durch ihre Kulissen durchaus endlich einmal bildgewaltiges, inhaltlich aber enttäuschend unspektakuläres Finale den Raum bieten.
Schafft man es aber, ohne irgendeine über herkömmlichen Horror hinausgehende Erwartungshaltung an „Mother of Tears“ heranzugehen, klingt das alles viel Negativer, als es eigentlich ist. Argentos Film ist zwar eine atmosphärische Nullnummer, ansonsten aber flotter, unterhaltsamer Okkult-Hexenhorror, der oft an nichtitalienische Subgenreklassiker erinnert und durch seine Verquickung mit krudem Splatter und in Gestalt ungruseligen Popcorn-Kinos dann irgendwie doch etwas Besonderes ist. Aber wer schafft es schon, ein letztes Trilogiedrittel losgelöst von den anderen beiden zu betrachten?
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
Re: The Mother Of Tears - Dario Argento
Ich frage mich wirklich, wie ich es schaffen kann, eine einigermaßen vernünftige Kritik über MOTHER OF TEARS hinzukriegen. Es fällt schwer … denn ich bin eigentlich maßlos enttäuscht. Wäre dieser Film ein „normaler“ Horror-Streifen … gut, okay, kann man gucken. Aber hier handelt es sich um einen Argento – noch dazu um den abschließenden Teil seiner Mütter-Trilogie! Es handelt sich um den Nachfolger zu dem grandiosen SUSPIRIA und dem geilen HORROR INFERNAL! Und dann liefert Argento einen Film ab, mit dem er sich sein eigenes Denkmal in kleine Stücke haut!
Fangen wir mit den positiven Aspekten an : MOTHER OF TEARS entwickelt die Story der ersten beiden Teile logisch und nachvollziehbar weiter. Wie schon aus den beiden Vorgängern gewohnt, wird die Geschichte der Mütter sowohl der Hauptperson wie dann auch dem Zuschauer erklärt.
Der Streifen hält sich nicht mit langem Vorgeplänkel auf, sondern geht gleich in die Vollen. Und so hat man schon nach 5 Minuten die erste Szene hinter sich gebracht, bei der Zartbesaitete wohl sofort die gekachelten Örtlichkeiten aufsuchen. Für die Fans der härteren Gangart hat Argento sowieso einige „leckere“ Szenen auf Lager, hier kommt man also – wenn man denn darauf steht – auf seine Kosten.
Auch die Atmosphäre ist durchaus ansprechend, besonders immer dann, wenn der Meister seine Handlung in die dunklen Abendstunden verlegt. Das Wiedersehen mit einigen alten Bekannten lässt einen auch für kurze Zeit in Erinnerungen schwelgen … neben dem unverwüstlichen Udo Kier hat auch Daria Nicolodi (die ja auch in „Horror Infernal“ mitspielte) eine kleine Rolle. Ebenso wie in „Scarlet Diva“ spielt sie auch hier wieder die Mutter von Asia Argento. Und zuletzt taucht mit Philippe Leroy ein wirklich alter Bekannter auf (der Mann ist mittlerweile 78 ), hatte dieser doch anno 1973 mit Kinski zusammen in „Die gnadenlose Hand des Gesetzes“ eine tolle Leistung hingelegt.
Von der Auswahl der Schauspieler her kann man sich also beim abschließenden Teil der Trilogie nicht beschweren. Atmo und Härtegrad stimmen auch … aber das war es dann leider auch schon, was man an positiven Punkten nennen kann.
Und nun die Kritikpunkte : Im Gegensatz zu seinen ersten beiden Mütter-Teilen hat sich Argento diesmal dazu entschieden, die Handlung seines Streifens nicht hauptsächlich im Haus der Mutter spielen zu lassen. Erst in den letzten 10 Minuten wird die Handlung dorthin verlegt. Und gerade die unheimliche und oftmals auch skurille Atmosphäre der Häuser bildeten bei SUSPIRIA und HORROR INFERNAL den passenden, gruseligen Rahmen. In MOTHER OF TEARS irrt die Hauptakteurin Sarah Mandy (Asia Argento) vornehmlich durch die Straßen Roms … wahrscheinlich auf der verzweifelten Suche nach dem Flair der alten Filme.
Mit dem Fehlen der sonst gewohnten Location fehlt dann natürlich auch der zweite Punkt, der die beiden Vorgänger so auszeichnete: Das irrationale Farbenspiel. Argento verstand es damals, durch grelle Farben in Verbindung mit Licht und Schatten eine Atmosphäre zu schaffen, die einem Bild von Dali ähnlich war. Absolut surreal und verwirrend bewegten sich seine Figuren durch eine Szenerie, die nicht irdisch erschien. Mit dem Betreten der Mütter-Häuser hatte man das Gefühl, dass alles was draußen war, nicht mehr da war. MOTHER OF TEARS ist da hingegen ein stinknormaler Horrorfilm mit den üblichen Locations, der Aufbau des Streifens in dieser Hinsicht daher am ehesten vergleichbar mit Argento’s SLEEPLESS (der Meinung nach aber wesentlich besser war).
Hat man diese Minuspunkte verdaut, zieht einem der Soundtrack dann endgültig die Latschen aus. Was hatten SUSPIRIA dank „Goblin“ und HORROR INFERNAL dank Keith Emerson doch geile Soundtracks! Und was bietet einem dann MOTHER OF TEARS? Einen spannungsarmen, emotionslosen und den Film zu keinem Zeitpunkt unterstützenden Musikwischwasch der übelsten Sorte. Claudio Simonetti hätte gut daran getan, sich an den Vorgängern zu orientieren … aber das hätte Argento selbst ja auch mal beherzigen sollen. Da ist der Abspann-Song vom „Cradle of Filth“-Kreischheini Dani Filth noch das Highlight des Films.
Und - so leid es mir tut, da ich ein absoluter Fan von ihr bin : Asia Argento liefert hier eine ihrer schwächsten Darstellungen überhaupt ab. Asia hat ja besonders in den letzten Jahren - nicht zuletzt durch ihre in Eigenregie erstellten Filme und Rollen - gezeigt, dass sie von der kreischenden Horrortante bis hin zur hässlich machenden Charakterrolle alles spielen kann. Doch was sie hier abliefert passt sich der allgemeinen Qualität des Films problemlos an. Da ist nichts von dem zu sehen, was Fräulein Argento sonst auszeichnet.
Kann sich noch jemand an die Mütter aus den ersten beiden Teilen erinnern ? Die waren doch wirklich gruselig und furchterregend, besonders wenn ich an das runzelige Etwas aus SUSPIRIA denke. Grrr, da krieg ich jetzt noch Gänsehaut. Und was bietet uns Herr Argento diesmal? Eine silikongepushte, nackte Tussi, die eine ebenso leichtbekleidete Meute in den Katakomben ihres Häuschen befehligt. Diese Meute zieht während des Streifens johlend und grölend durch die Straßen Roms und ist ungefähr so gruselig wie eine Gruppe 12jähriger auf dem örtlichen Schulhof. Außer ihrer gepimpten Oberweite hat „Mutter“ dann auch nix zu bieten und würde wohl selbst für einen 80jährigen Tattergreis keinen Gegner darstellen.
Wem das alles noch nicht reicht, der hat nach dem „grandiosen“ Finale den Kaffee dann wirklich auf.Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, bekommt der leicht gernervte Zuschauer dann noch eine Finalszene geboten, die man eher bei Louis de Funes als bei Dario Argento erwartet hätte.
Fazit : MOTHER OF TEARS ist durchgängig spannungsarm und hat nichts – außer der Grundstory – mit den beiden Vorgängern zu tun. Zudem ist der Streifen auch noch deutlich schwächer als so manche Arbeit Argentos in den letzten Jahren. Filme wie „Do you like Hitchcock?“ oder „Sleepless“ waren nicht nur besser inszeniert, sondern auch um einiges spannender. MOTHER OF TEARS ist trotz der oben genannten Pluspunkte in Sachen Atmo und Härte ein unwürdiger Abschluss der Mütter-Trilogie. Unter normalen Gesichtspunkten könnte man hier von einem guten Horrorfilm sprechen … wüsste man nicht, dass es ein Argento ist und seine Kult-Trilogie abschließen soll.
Nicht zuletzt durch seine guten Arbeiten im Rahmen der „Masters of Horror“-Reihe („Jenifer“ & „Pelts“) musste man hier von Dario Argento wesentlich mehr erwarten. Auch wenn man kein zweites SUSPIRIA erhoffen konnte, so wäre das Niveau der oben genannten neueren Argento-Filme das Mindeste gewesen, was man als Messlatte hätte anlegen müssen. Als eingefleischter Dario- und Asia Argento-Verehrer ist die folgende Punktevergabe ungefähr genauso ernüchternd wie ein oder zwei Punkte für einen „normalen“ Horror-Rohrkrepierer :
6 / 10
Fangen wir mit den positiven Aspekten an : MOTHER OF TEARS entwickelt die Story der ersten beiden Teile logisch und nachvollziehbar weiter. Wie schon aus den beiden Vorgängern gewohnt, wird die Geschichte der Mütter sowohl der Hauptperson wie dann auch dem Zuschauer erklärt.
Der Streifen hält sich nicht mit langem Vorgeplänkel auf, sondern geht gleich in die Vollen. Und so hat man schon nach 5 Minuten die erste Szene hinter sich gebracht, bei der Zartbesaitete wohl sofort die gekachelten Örtlichkeiten aufsuchen. Für die Fans der härteren Gangart hat Argento sowieso einige „leckere“ Szenen auf Lager, hier kommt man also – wenn man denn darauf steht – auf seine Kosten.
Auch die Atmosphäre ist durchaus ansprechend, besonders immer dann, wenn der Meister seine Handlung in die dunklen Abendstunden verlegt. Das Wiedersehen mit einigen alten Bekannten lässt einen auch für kurze Zeit in Erinnerungen schwelgen … neben dem unverwüstlichen Udo Kier hat auch Daria Nicolodi (die ja auch in „Horror Infernal“ mitspielte) eine kleine Rolle. Ebenso wie in „Scarlet Diva“ spielt sie auch hier wieder die Mutter von Asia Argento. Und zuletzt taucht mit Philippe Leroy ein wirklich alter Bekannter auf (der Mann ist mittlerweile 78 ), hatte dieser doch anno 1973 mit Kinski zusammen in „Die gnadenlose Hand des Gesetzes“ eine tolle Leistung hingelegt.
Von der Auswahl der Schauspieler her kann man sich also beim abschließenden Teil der Trilogie nicht beschweren. Atmo und Härtegrad stimmen auch … aber das war es dann leider auch schon, was man an positiven Punkten nennen kann.
Und nun die Kritikpunkte : Im Gegensatz zu seinen ersten beiden Mütter-Teilen hat sich Argento diesmal dazu entschieden, die Handlung seines Streifens nicht hauptsächlich im Haus der Mutter spielen zu lassen. Erst in den letzten 10 Minuten wird die Handlung dorthin verlegt. Und gerade die unheimliche und oftmals auch skurille Atmosphäre der Häuser bildeten bei SUSPIRIA und HORROR INFERNAL den passenden, gruseligen Rahmen. In MOTHER OF TEARS irrt die Hauptakteurin Sarah Mandy (Asia Argento) vornehmlich durch die Straßen Roms … wahrscheinlich auf der verzweifelten Suche nach dem Flair der alten Filme.
Mit dem Fehlen der sonst gewohnten Location fehlt dann natürlich auch der zweite Punkt, der die beiden Vorgänger so auszeichnete: Das irrationale Farbenspiel. Argento verstand es damals, durch grelle Farben in Verbindung mit Licht und Schatten eine Atmosphäre zu schaffen, die einem Bild von Dali ähnlich war. Absolut surreal und verwirrend bewegten sich seine Figuren durch eine Szenerie, die nicht irdisch erschien. Mit dem Betreten der Mütter-Häuser hatte man das Gefühl, dass alles was draußen war, nicht mehr da war. MOTHER OF TEARS ist da hingegen ein stinknormaler Horrorfilm mit den üblichen Locations, der Aufbau des Streifens in dieser Hinsicht daher am ehesten vergleichbar mit Argento’s SLEEPLESS (der Meinung nach aber wesentlich besser war).
Hat man diese Minuspunkte verdaut, zieht einem der Soundtrack dann endgültig die Latschen aus. Was hatten SUSPIRIA dank „Goblin“ und HORROR INFERNAL dank Keith Emerson doch geile Soundtracks! Und was bietet einem dann MOTHER OF TEARS? Einen spannungsarmen, emotionslosen und den Film zu keinem Zeitpunkt unterstützenden Musikwischwasch der übelsten Sorte. Claudio Simonetti hätte gut daran getan, sich an den Vorgängern zu orientieren … aber das hätte Argento selbst ja auch mal beherzigen sollen. Da ist der Abspann-Song vom „Cradle of Filth“-Kreischheini Dani Filth noch das Highlight des Films.
Und - so leid es mir tut, da ich ein absoluter Fan von ihr bin : Asia Argento liefert hier eine ihrer schwächsten Darstellungen überhaupt ab. Asia hat ja besonders in den letzten Jahren - nicht zuletzt durch ihre in Eigenregie erstellten Filme und Rollen - gezeigt, dass sie von der kreischenden Horrortante bis hin zur hässlich machenden Charakterrolle alles spielen kann. Doch was sie hier abliefert passt sich der allgemeinen Qualität des Films problemlos an. Da ist nichts von dem zu sehen, was Fräulein Argento sonst auszeichnet.
Kann sich noch jemand an die Mütter aus den ersten beiden Teilen erinnern ? Die waren doch wirklich gruselig und furchterregend, besonders wenn ich an das runzelige Etwas aus SUSPIRIA denke. Grrr, da krieg ich jetzt noch Gänsehaut. Und was bietet uns Herr Argento diesmal? Eine silikongepushte, nackte Tussi, die eine ebenso leichtbekleidete Meute in den Katakomben ihres Häuschen befehligt. Diese Meute zieht während des Streifens johlend und grölend durch die Straßen Roms und ist ungefähr so gruselig wie eine Gruppe 12jähriger auf dem örtlichen Schulhof. Außer ihrer gepimpten Oberweite hat „Mutter“ dann auch nix zu bieten und würde wohl selbst für einen 80jährigen Tattergreis keinen Gegner darstellen.
Wem das alles noch nicht reicht, der hat nach dem „grandiosen“ Finale den Kaffee dann wirklich auf.
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Fazit : MOTHER OF TEARS ist durchgängig spannungsarm und hat nichts – außer der Grundstory – mit den beiden Vorgängern zu tun. Zudem ist der Streifen auch noch deutlich schwächer als so manche Arbeit Argentos in den letzten Jahren. Filme wie „Do you like Hitchcock?“ oder „Sleepless“ waren nicht nur besser inszeniert, sondern auch um einiges spannender. MOTHER OF TEARS ist trotz der oben genannten Pluspunkte in Sachen Atmo und Härte ein unwürdiger Abschluss der Mütter-Trilogie. Unter normalen Gesichtspunkten könnte man hier von einem guten Horrorfilm sprechen … wüsste man nicht, dass es ein Argento ist und seine Kult-Trilogie abschließen soll.
Nicht zuletzt durch seine guten Arbeiten im Rahmen der „Masters of Horror“-Reihe („Jenifer“ & „Pelts“) musste man hier von Dario Argento wesentlich mehr erwarten. Auch wenn man kein zweites SUSPIRIA erhoffen konnte, so wäre das Niveau der oben genannten neueren Argento-Filme das Mindeste gewesen, was man als Messlatte hätte anlegen müssen. Als eingefleischter Dario- und Asia Argento-Verehrer ist die folgende Punktevergabe ungefähr genauso ernüchternd wie ein oder zwei Punkte für einen „normalen“ Horror-Rohrkrepierer :
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Re: The Mother Of Tears - Dario Argento
Freu!
MOTHER OF TEARS (Blu-Ray) - Uncut - Schuber (O-Card)
Erscheint am 29.11.2013 (auch als DVD erhältlich)
im Exklusivvertrieb von NSM in Zusammenarbeit mit Koch Media
hier bestellbar
http://shop.dtm.at/product_info.php?products_id=53476
* 16-seitiges Booklet von Kai Naumann und Dr. Marcus Stiglegger
* Making of (ca. 33 Minuten)
* Dario Argento beim Cinestrange-Festival in Dresden (ca. 31 Minuten)
* Originaltrailer
* Bildergalerie
Ihr Schlaf war ewig. Ihr Erwachen ist umso grausamer. Auf einem Friedhof werden die Gebeine der „Mater Lacrimarum“, der Mutter der Tränen, gefunden. Als eine von drei mythischen Hexen hat sie die Macht, die Welt ins Unglück zu stürzen. Während eine junge Archäologin die Artefakte aus dem Grab untersucht, strömen dunkle Kräfte nach Rom. Gewalttaten und Selbstmorde nehmen zu. Chaos regiert. Im Untergrund der ewigen Stadt hat sich die Mutter ein Nest gebaut. Dort bereitet sie das Ende der Welt vor. Die dritte Mutter ist erwacht. Und niemand kann sie aufhalten.
Dreißig Jahre nach SUSPIRIA beschließt Horror-Meisterregisseur Dario Argento seine „Mutter“-Trilogie. LA TERZA MADRE ist ein treibender, altmodischer Horrorfilm voll verschwenderischem Ornament, abgründigen Bildern, Blut und Brüsten, mit erschaffen von langjährigen Wegbegleitern des Regisseurs. ASIA ARGENTO, DARIA NICOLODI und UDO KIER verirren sich erneut im Fetischuniversum von Dario Argento. Maskenbildner-Legende SERGIO STIVALETTI steuert die Effekte bei und Prog-Rocker CLAUDIO SIMONETTI komponiert die Filmmusik. Die Hochkultur tanzt mit dem Vulgären durch die Finsternis: LA TERZA MADRE ist die Essenz des Genrekinos.
Originaltitel: La Terza madre
MOTHER OF TEARS (Blu-Ray) - Uncut - Schuber (O-Card)
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Ihr Schlaf war ewig. Ihr Erwachen ist umso grausamer. Auf einem Friedhof werden die Gebeine der „Mater Lacrimarum“, der Mutter der Tränen, gefunden. Als eine von drei mythischen Hexen hat sie die Macht, die Welt ins Unglück zu stürzen. Während eine junge Archäologin die Artefakte aus dem Grab untersucht, strömen dunkle Kräfte nach Rom. Gewalttaten und Selbstmorde nehmen zu. Chaos regiert. Im Untergrund der ewigen Stadt hat sich die Mutter ein Nest gebaut. Dort bereitet sie das Ende der Welt vor. Die dritte Mutter ist erwacht. Und niemand kann sie aufhalten.
Dreißig Jahre nach SUSPIRIA beschließt Horror-Meisterregisseur Dario Argento seine „Mutter“-Trilogie. LA TERZA MADRE ist ein treibender, altmodischer Horrorfilm voll verschwenderischem Ornament, abgründigen Bildern, Blut und Brüsten, mit erschaffen von langjährigen Wegbegleitern des Regisseurs. ASIA ARGENTO, DARIA NICOLODI und UDO KIER verirren sich erneut im Fetischuniversum von Dario Argento. Maskenbildner-Legende SERGIO STIVALETTI steuert die Effekte bei und Prog-Rocker CLAUDIO SIMONETTI komponiert die Filmmusik. Die Hochkultur tanzt mit dem Vulgären durch die Finsternis: LA TERZA MADRE ist die Essenz des Genrekinos.
Originaltitel: La Terza madre
- Salvatore Baccaro
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Re: The Mother Of Tears - Dario Argento
Meiner Meinung nach kann man das künstlerische Schaffen Dario Argentos relativ leicht in mehreren, linear aufeinanderfolgenden Zyklen fassen. Diese Zyklen, vor allem, wenn sie, was im Gesamtoeuvre sinnigerweise dreimal geschieht, in Form einer Trilogie auftreten, stellen für mich nicht unbedingt inhaltlich, sondern vielmehr ästhetisch zusammengehörige Einheiten dar, in denen oftmals eine Entwicklung feststellbar ist, mit deren Abschluss die jeweilige Trias einen mehr oder minder logischen Endpunkt findet.
In seinen ersten drei Spielfilmen, die in Kennerkreisen so betitelte „Tier-Trilogie“, da in jedem von ihnen ein Tier eine wichtige Rolle spielt, sei es nun als entscheidendes Hilfsmittel zur Aufklärung eines Verbrechens wie in L’UCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO, wo besagter schwarzgefiederter und äußerst exotischer Vogel, dessen Namen ich mir wohl nie werde merken können, die Ermittler durch seinen charakteristischen Ruf, auf einem Tonbanddokument festgehalten, auf die richtige Fährte zur Ergreifung eines irren Frauenschlächters führt, oder als metaphorische Verschlüsselung, die das schier unentwirrbare Rätsel, das ein Kriminalfall den ihn zu lösen Gedenken aufgibt, sinnbildlich umschreiben, wie in IL GATTO A NOVE CODE, wo die bestialischen Mordtaten, die Rom erschüttern, eben wie ein Mieze erscheinen, die über so viele Schwänze wie mögliche Ermittlungsergebnisse verfügt, erhebt sich Argento zwar selten ästhetisch oder inhaltlich über das, was ansonsten in den frühen 70ern das originär italienische Genre des Giallo konstituiert hat, verletzt beispielweise nie gewisse Konventionsmuster oder genreimmanente Regeln, verfeinert die von ihm vorgefundenen Schemata indes so kunstvoll, dass sein schwarzgefiederter Vogel, seine neunschwänzige Katze und die vier auf grauem Samt ruhenden Fliegen freilich mit zum Besten gehören, was der italienische Thriller dieser Zeit zu bieten hat – vor allem aber gilt, dass Argento sich von L’UCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO, der in gewisser Weise eine Blaupause für viele später folgende Werke darstellt, eine noch rudimentäre Baustelle an Ideen, von denen die meisten im Laufe der Zeit erneut aufgegriffen, weiterentwickelt oder einfach nur gebetsmühlenartig wiederholt werden sollen, über IL GATTO A NOVE CODE bis zu 4 MOSCHE DI VELLUTO GRIGIO immer weiter in die Gefilde komplexerer Narration vortastete, um seine Gialli mit bunten Sträußen skurriler Figuren und, ganz im Geiste Hitchcocks, Subtexten voller psychoanalytischer Erklärungsmuster zu füllen.
Nach dem oftmals übersehenen und im Gesamtoeuvre auch ziemlich isoliert dastehenden LEL CINQUE GIORNATE, mit dem Argento nach drei Genre-Filmen einmal etwas Neues ausprobieren wollte und dem man daher am besten wohl als reines Experimentierfeld verstehen sollte, beginnt der nächste dreieinige Zyklus, und zwar der, wofür bestimmt nicht nur ich Argento für alle Zeiten dankbar sein werde, im Jahre 1975 mit dem Paukenschlag PROFONDO ROSSO, der nichts Geringeres als den wohlgemerkt vollends geglückten Versuch darstellt, das Genre des Giallo mit allen Mitteln der Filmkunst zu etwas zu erheben, das im Grunde einzig und allein als alptraumhafter Rausch klassifiziert werden kann. Sicher, Argento hat sich von der Narration noch nicht ganz gelöst, und in der Originalfassung gibt es einige heute eher albern wirkende Geschlechterkämpfe zwischen Daria Nicolodi und David Hemmings auszutragen, dennoch kommt man nicht umhin, zu konstatieren, dass die bloße Handlung in PROFONDO ROSSO von der grenzüberschreitenden Optik ganz klar zur Unterordnung gezwungen wird. Mit PROFONDO ROSSO hat Argento zum ersten Mal einen Film geschaffen, der allein über seine Bilder zu uns spricht, und der, würde man ihn jemandem vorsetzten, der das Italienische mit keinem Wort beherrscht, diesen dennoch, allein durch die Macht seiner Bilder, sofern er mir denn nur ein bisschen ähnelt, in ein sprachloses Staunen versetzen würde, bei dem sich Fragen nach dem konkreten, von den Bildern transportierten Inhalt erübrigen. Tatsächlich wimmelt auch PRFONDO ROSSO von Momenten, in denen die menschliche Logik sich an den Kopf greifen müsste, besäße sie einen, einige Motivationen der Charaktere sind kaum nachvollziehbar und viel zu oft greift das Schicksal ein, um den Hobby-Detektiv Hemmings in seinen privaten Nachforschungen nicht stagnieren zu lassen, all diese Vorwürfe betreffen den Film aber nur insoweit, indem man Kategorien auf ihn anwendet, die eigentlich nicht für ihn gedacht sind. Es ist kein Film, der eine spannende, schaurige Geschichte erzählen möchte, er ist die Spannung, das Schauern höchstpersönlich in Bildern verewigt, die länger nachhallen als der Schuss jeder Räuberpistole – und will das auch gar nicht sein, was allein der Umstand unterstreicht, wie wichtig Argento die seinem künstlerischen Medium innewohnenden Qualitäten sind, wie viel Wert er darauf legt, psychische Situationen und Stimmungen mittels optisch sichtbarer Artefakte, Kamerafahrten, ungewöhnlichen Perspektiven zu vermitteln, wie stark seine Tendenz ist, viel mehr durch reines Bildmaterial auszudrücken als mittels eines allzu geschwätzigen Drehbuchs. Dass diese Tendenz sich über SUSPIRIA bis hin zu INFERNO nur noch steigern wird, weiß wohl jeder, der hier mitliest. Gerade INFERNO ist ein Film an der Grenze zur Abstraktion, dessen Handlung, sofern man die episodischen Fädchen, die die unfassbare Bilderflut notdürftig zusammenhalten, denn überhaupt noch so bezeichnen möchte, keinen gängigen narrativen Vorgaben mehr zu gehorchen scheint, sondern die, sprunghaft, überraschend, psychologisch zweifelhaft, dichter bei dem sitzt, was einen manche Nacht schweißgebadet zum Aufschrecken bringt. Sowohl PROFONDO ROSSO als auch SUSPIRIA und INFERNO sind Filme, die über sich selbst hinaus in alle erdenklichen Richtungen transzendieren. Dabei fallen sie indes aber nicht aus dem Genre-Kontext, in dem Argento sie platziert hat. Sollte das vorrangige Ziel von Horrorfilmen das Hervorrufen eines gewissen Horrors sein, so kann ich, was meine Person betrifft, dies allen drei Werken uneingeschränkt in einem Maße bescheinigen, das seinesgleichen sucht. Sei es nun die Szene in der leerstehenden Villa in PROFONDO ROSSO, wenn David Hemmings hinter einer Wandvertäfelung eine blutrünstige Kinderzeichnung entdeckt, oder der mich in tausend Alpträumen verfolgende erste Auftritt von Mater Suspiriorum in SUSPIRIA, wenn diese sich ächzend und keuchend hinter wallenden Vorhängen, die alles sind, was die Ballettschülerinnen vor ihr schützen, zum Schlafe niederlegt, oder das vollends surreale, unter der Mitwirkung von Mario Bava inszenierte Tauchabenteuer zu Beginn von INFERNO – das alles sind erhabene Kino-Momente, die tief in unserer Psyche verwurzelte Urängste hervorkitzeln, weil sie uns nicht damit aufhalten, um das Leben eines bestimmten fiktiven Charakters bangen zu müssen, sondern uns Figuren vorsetzen, die letztlich ohne Geschichte, ohne Biographie einzig und allein dafür da sind, uns als nahezu nackte Projektionsfläche zu dienen, auf die wir alle die schwarzen oder ängstlich roten Flecken unserer eigenen Seelen wie ein Farbgewitter auf eine weiße Leinwand schleudern dürfen. Fulci, den ich gerade in seinen besten Werken für einen unverblümten Epigonen Argentos halte, der zwar nie dessen Kunstfertigkeit erreichte, allerdings, angereichert mit einigem an Trash und viel selbstzweckhafter Gewalt, zumindest zeitweise ähnlich irritierend-fiebrige Werke zustande brachte, soll im Zusammenhang mit seinem mutmaßlichen Meisterwerk L’ALDILÀ ja von der bewussten Entscheidung gesprochen haben, einer etwaigen Filmhandlung, schlüssig, logisch, nachvollziehbar, die kälteste aller Schulter hinzuhalten, um einen „absoluten Film“ zu kreieren, einen, der lediglich über seine Bilder funktioniere und der sich ansonsten wenig bis gar nicht darum schere, eine sinnvolle Narration zu übermitteln. In gewisser Weise hat Fulci damit das Charakteristikum ausgesprochen, das dem Schaffen Argentos zwischen 1975 und 1980 zugrunde liegt, und das sein eigenes Werk der frühen 80er, wenn auch mehrere Qualitätsstufen tiefer angesiedelt, ebenso im Kern passend auf den Punkt bringt. Wo PROFONDO ROSSO zumindest noch so tut, als habe er etwas zu erzählen, und SUSPIRIA seine atemberaubenden Farbspiele immerhin noch mit so etwas wie einem modernen Gruselmärchen unterlegt, da stellt INFERNO einen Scheidepunkt dar, von dem aus es für Argento wohl nur zwei weitere Wege gegeben haben kann: entweder einzutauchen in das, was man in früheren Zeiten Avantgarde genannt hätte, oder sich zurück auf alte Tugenden zu besinnen, um nicht vollends den Kontakt zum filmischen Erzählen zu verlieren.
Diesen Kontakt stellt Argento 1982 mit TENEBRE wieder in einer Weise her, die einen jähen Bruch zum unmittelbaren Vorgänger bedeutet, verbirgt sich hinter dem Titel, der zunächst vermuten lässt, es könne sich um den finalen Teil der mit SUSPIRIA begonnen und in INFERNO fortgeführten sogenannten „Mütter-Trilogie“ handeln, die sich um drei Häuser, eins in Freiburg, eins in New York, eins in Rom, und um deren grausige Bewohnerinnen rankt, ein Triumvirat uralter Hexenwesen, die für die Menschheit ausschließlich Tod und Verderben bereithalten, entpuppt das Werk sich stattdessen als unterkühlter, blaustichiger Slasher-Giallo-Hybrid in Bauhaus-Optik, vermehrt auf ein halbwegs plausibles Drehbuch setzend, dem gegenüber die überbordende Ästhetik der vorherigen Arbeiten eine nicht untergeordnete, aber zumindest doch gleichwertige Rolle einnimmt, aus der sie nur selten einmal, am großartigsten wohl in der endlosen Kamerafahrt an einem Wohnhaus entlang, ausbricht, d.h. nicht narrativ determiniert ist. Argentos Zerrissenheit zwischen suggestivem Bild und konkret aussprechendem Bildinhalt verdeutlich meisterhaft PHENOMENA von 1985, wo er, laut meiner Interpretation, die Kunsttheorie bzw. Kunstästhetik der deutschen Romantiker so sehr in einen vorgeblichen Genre-Film einsickern lässt, dass dieser an manchen Stellen geradezu in nicht zusammenpassende Bestandteile auseinanderzufallen droht. OPERA, zwei Jahre später, ist dann wiederum ein reichlich motivationsloser Trip von einer Schreckszene zur nächsten, bei dem die Handlung, obwohl vorhanden, so viele Löcher aufweist, dass der Umstand wehmütig stimmt, wie wenig Argento sich hier schon auf seine vormaligen Tugenden besinnt und seine Optik, obwohl im Kontext betrachtet noch immer ziemlich elegant und zuweilen, man denke an die Rabenkamerafahrt inmitten einer Verdi-Inszenierung, gar atemberaubend, bereits sukzessive einem ikonischen Mainstream ohne großartige Ecken und Kanten angleicht.
Nach dieser neuerlichen Trilogie, die viel mit Tasten und Sondieren zu tun hat, bricht für mich, nach dem Episodenfilmausflug in Form der gemeinsam mit Romero dargebrachten Poe-Huldigung TWO EVIL EYES, mit AURA im Jahre 1993 dann die Ära in Argentos Opus ein, die bis heute fortdauert und im Grunde von zwei Bestrebungen des Regisseurs bestimmt ist: einmal, aus seinem eigenen Schatten zu treten und Innovation zu beweisen, selbst auf die Gefahr hin, so manchem Die-Hard-Fan der alten Tage damit vor den Kopf zu stoßen, und dann, die Innovation komplett beiseitezulassen und unverblümt Ideen aus jenen Filmen bis OPERA zu recyclen, die ihm überhaupt erst solche Die-Hard-Fans eingebracht haben. Beispiele, dass beides durchaus gelingen kann, wären zum einen LA SINDROME DI STENDHAL von 1996, wo Argento dichter als jemals an seinen Figuren dran ist und dieses Vorhaben mit überraschender emotionaler Tiefe meistert, und NONHOSONNO von 2001, einer Art Selbsthommage, in der so ziemlich alles vorkommt, was der geneigte Argento-Jünger aus vorherigen Filmen lieben und schätzen gelernt hat, dabei aber spannend genug in Szene gesetzt ist, dass er nicht zu einer langweiligen Nummernrevue wiedergekäuter Einfälle verkommt. Allerdings, und leider viel zu oft, scheiterte Argento seit nunmehr knapp zwanzig Jahren auch immer wieder in beiden Herangehensweisen an die Konstruktion eines würdigen Alterswerkes. Sein IL FANTASMA DELL’OPERA mag stellvertretend dafür stehen, dass Innovation nicht immer etwas Gutes sein muss, und LA TERZA MADRE, mit dem 2007 endlich, mit über zwanzigjähriger Verspätung, die dritte Mutter ihren eigenen Film bekommt, nachdem sie in INFERNO schon kurz vorbeischauen durfte, mag für meine These herhalten, dass es auch nur selten dienlich ist, bei sich selbst zu klauen, vor allem, wenn das Ergebnis, vor allem verglichen mit NONHOSONNO, nicht mal unbedingt den Eindruck einer geglückten Selbsthommage hinterlässt.
Dabei muss jeder, der sich bei LA TERZA MADRE über die wenig sinnreiche Story mokiert, sich den Vorwurf gefallen lassen, die beiden ersten Teile der Trilogie oder generell die klassischen Filme Argentos entweder nicht zu kennen oder nicht aufmerksam verfolgt zu haben. Sich vor allem an der Struktur von OPERA orientierend, nur eben mit dem Unterschied, dass die Identität eines oder mehrerer durch Rom ziehender Mordgesellen von nicht vorhandenem Interesse ist, hat Argento im Grunde nichts anderes gemacht als man es von ihm erwarten darf: er setzt eine Hauptfigur, deren psychologische Tiefe ich nicht wirklich sehen kann, diversen mehr oder weniger befremdlichen oder beklemmenden Situationen aus, erklärt Charaktermotivationen nur unzureichend oder gar nicht, verlässt sich vielmehr auf die seltsame Kombinatorik, mit der er die verschiedenen obskuren Ideen, ganz im Sinne der Surrealisten, miteinander verknüpft. Originell ist hierbei wenig – am besten hat mir persönlich noch das Äffchen gefallen, das, vermute ich mal, ein verkleideter Dämon oder ein Sendbote des Teufels sein soll, und von dem Argentos Töchterchen Asia in einer launigen Szene durch ein leeres Museum gehetzt wird, was indes vor allem damit zu tun haben mag, dass ich ein großer Bewunderer von Äffchen bin, die dem Teufel als Sendboten zur Verfügung stehen, am schlimmsten, sprich: lächerlichsten, habe ich die Vorstellung empfunden, die Argento sich offenbar von modernen Hexen macht, die nämlich, im Gegensatz vor allem zu dem keuchenden Mütterlein in SUSPIRIA, das mir regelmäßig die Nackenhaare zu Berge stehen lässt, nichts weiter sind als peinlich agierende, Passanten anpöbelnde, 80er-Gothic-Make-Up tragende Gören, deren Overacting mehr amüsiert als schockiert -, stattdessen verwertet Argento reichlich kreatives Eigenmaterial wie beispielweise in der allerersten Mordszene, die wohl so etwas darstellen soll wie der ins Extrem-Splatter-Milieu verfrachtete Eröffnungsmord in SUSPIRIA, tausendfach grausamer und tausendfach plakativer, oder die Vaginal-Pfählung einer Lesbierin, wie man sie aus dem unglaublich geschmacklosen und unglaublich unterhaltsamen Mario-Landi-Heuler PATRCIK VIVE ANCORA! kennt. Überhaupt muss man feststellen, dass Argento in LA TERZA MADRE die Gewaltschrauben so heftig anzieht wie nie zuvor. Da werden Priester regelrecht zerhackt, Frauen mit ihren eigenen Gedärmen erdrosselt und Säuglinge an Brückenpfeilern zerschlagen, das alles indes rein gar nicht mit den Untaten in den Filmen bis OPERA zu vergleichen, deren Gräuel ins Ästhetisch-Ätherische potenziert und in Rahmungen gestellt wurden, die die von Gemälden sein könnten, deren Anwesenheit über dem eigenen Schlafzimmerbett wohl niemanden stören dürfte. Nein, was in LA TERZA MADRE zerfetzt, zerrissen und zermahlen wird, das wirkt vor allem eins: reichlich eklig und reichlich unrealistisch, und damit so nahe bei Fulcis ausartenden Gewaltexzessen, denen ich ebenso keine wirklich ästhetische Komponente zusprechen kann, wie Argento nie zuvor gewesen ist.
Wobei der Punkt eben der ist, dass ein Film wie LA TERZA MADRE mit seiner Optik steht und fällt. Hätte Argento nur hauchdünn seine früheren Farbräusche aufblitzen lassen, hätte das Werk dadurch nur gewinnen können. Stattdessen ist die Geschichte, die zumindest ansatzweise versucht, Brücken zu den Vorgängen zu schlagen, vielfach aber ziemlich austauschbare Plots und Subplots bereit hält, sodass sie letztlich nicht viel anders wirkt als die eines beliebigen modernen Durchschnitts-Okkult-Horror-Streifen mit direct-to-video-Vermarktung, in Bilder getaucht, bei denen ich persönlich mich eher an einen herkömmlichen Fernsehkrimi erinnert gefühlt habe. Klar, die langen, ruhigen Dialogszenen, die das blutige Treiben immer wieder unterbrechen, sind wohltuend antiquiert und haben eine nicht zu leugnende Eleganz, und einige innovative Ideen, das sei nochmals wiederholt, haben mir bestens gefallen, so z.B. der Versuch, an einer Stelle einige Flashbacks mittels Comic-Zeichnungen zu verbildlichen, und ebenfalls nicht schlecht ist die Kamerafahrt geraten, mit der unsere Heldin kurz vor dem Finale durch das dritte Hexenhaus begleitet wird, alles in allem kann LA TERZA MADRE die vollmundigen Versprechen seiner Vorgänger jedoch genauso wenig einlösen wie, auf sich allein gestellt, einen befriedigenden Horrorfilm der oberen Güteklasse abliefern. Für jemanden, der einst irreale Märchenwelten zu schaffen vermochte, d.h. die Wirklichkeit in Bereiche entrückte, die ihre Studiokulissenherkunft mit keinem Wort verrieten, ist es dann doch recht beschämend, finde ich, auf CGI-Effekte zurückzugreifen, die zwar das Gleiche bewirken sollen, letztlich aber aufs genaue Gegenteil hinauslaufen, nämlich überdeutlich unterstreichen, dass sie von jemandem nicht mal sonderlich professionell am Rechner zusammengebastelt worden sind und somit die angeblich angestrebte Illusion konsequent torpedieren, wobei in Bezug darauf, dass dem Zuschauer als dritte Mutter eine mit Silikonbrüsten bewehrte Dirne präsentiert wird, die sich zusammen mit ihren nicht weniger pornoartigen Gefährtinnen in Sex- und Gewaltorgien suhlt, schon fast von der gezielten Demontage eine Mythos gesprochen werden kann, die nicht mal dadurch, dass Argento das Ganze selbstironisch gemeint haben könnte, wie man gerne von seinem neusten Streich DRACULA 3D behauptet hat, auch nur ein bisschen an Wert gewinnt.
LA TERZA MADRE begeht indes, mal abgesehen davon, dass er weder inhaltlich noch visuell sonderlich inspirierend daherkommt, meiner Meinung nach, einen weiteren entscheidenden Fehler, der ihm gerade im Kontext von SUSPIRIA und INFERNO letztlich das Genick bricht. Was die beiden Vorgänger für mich nämlich mit am meisten auszeichnet, ist der Umstand, dass die in ihnen farbprächtig beschworenen Hexenhäuser, so etwas wie Emanationen der in ihnen hausenden Ungeheuer, verlängerte Körperteile des unter ihren Dächern schlafenden Bösen, die, einem lebenden Organismen gleich, eine eigene Existenz zu führen scheinen, stets Dreh- und Angelpunkt des jeweiligen Films darstellen. Die Ballettschule in SUSPIRIA sowie das Wohnhaus in INFERNO sind beides klassische, im wahrsten Sinne des Wortes beseelte Spukorte, an denen die Grenze zwischen der realen und der phantastischen Welt so brüchig ist, dass, hat man erst einmal die Schwelle überschritten, sich hilflos in ihnen verloren findet. Anders verfährt Argento in LA TERZA MADRE. Hier taucht das Hexenhaus der dritten Mutter erst ganz am Schluss auf und hat dann auch nicht viel zu bieten außer dem einen oder anderen finsteren Korridor und einem wohl von PHENOMENA übriggebliebenen Schlammbad der widerlichsten Sorte. Bis dahin hetzt das Drehbuch seine Heldin quer durch das moderne Rom, das freilich nicht ansatzweise den verwunschenen Gebäuden Freiburgs und New Yorks die Stirn bieten kann, zumal die angeblich in ihm stattfindende Apokalypse aus nicht viel mehr als ein paar Schlägereien, Kindsmorden und Explosionen besteht, demnach unterm Strich eher mau ausfällt.
Müsste ich SUSPIRIA und INFERNO mit einem Wort zusammenfassen, würde ich mit Sicherheit MAGIE in großen Lettern wählen. Beide Filme handeln nicht nur von Hexereien, sie sind selbst Hexereien, die ihr Publikum verhexen und verzaubern, und Argento damit ein moderner Méliès, der noch heute kein bisschen angegraute Zaubertricks en masse aus seinem Hut fädelt, um sein Publikum zu Kindern werden zu lassen, die sich zitternd unter Bettdecken vergraben, wenn sie meinen, dass eine der drei Mutterhexen sich ihren Zimmerchen nähert. Bei LA TERZA MADRE brauchen wir indes keine Bettdecken mehr, um uns zu verstecken. Wir sind älter geworden, abgeklärter, so wie Argento, der seine Zaubertricks verlernt zu haben scheint, uns lediglich wehmütig an sie erinnert, während wir zusehen müssen wie ihm der Hut vom Kopf rutscht, zerspringt und unfreiwillig das Geheimfach offenbart, das unseren verblendeten, entzückten Augen bisher entgangen ist. Es tut weh, aber: die Magie ist in alle Winde verstreut.
In seinen ersten drei Spielfilmen, die in Kennerkreisen so betitelte „Tier-Trilogie“, da in jedem von ihnen ein Tier eine wichtige Rolle spielt, sei es nun als entscheidendes Hilfsmittel zur Aufklärung eines Verbrechens wie in L’UCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO, wo besagter schwarzgefiederter und äußerst exotischer Vogel, dessen Namen ich mir wohl nie werde merken können, die Ermittler durch seinen charakteristischen Ruf, auf einem Tonbanddokument festgehalten, auf die richtige Fährte zur Ergreifung eines irren Frauenschlächters führt, oder als metaphorische Verschlüsselung, die das schier unentwirrbare Rätsel, das ein Kriminalfall den ihn zu lösen Gedenken aufgibt, sinnbildlich umschreiben, wie in IL GATTO A NOVE CODE, wo die bestialischen Mordtaten, die Rom erschüttern, eben wie ein Mieze erscheinen, die über so viele Schwänze wie mögliche Ermittlungsergebnisse verfügt, erhebt sich Argento zwar selten ästhetisch oder inhaltlich über das, was ansonsten in den frühen 70ern das originär italienische Genre des Giallo konstituiert hat, verletzt beispielweise nie gewisse Konventionsmuster oder genreimmanente Regeln, verfeinert die von ihm vorgefundenen Schemata indes so kunstvoll, dass sein schwarzgefiederter Vogel, seine neunschwänzige Katze und die vier auf grauem Samt ruhenden Fliegen freilich mit zum Besten gehören, was der italienische Thriller dieser Zeit zu bieten hat – vor allem aber gilt, dass Argento sich von L’UCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO, der in gewisser Weise eine Blaupause für viele später folgende Werke darstellt, eine noch rudimentäre Baustelle an Ideen, von denen die meisten im Laufe der Zeit erneut aufgegriffen, weiterentwickelt oder einfach nur gebetsmühlenartig wiederholt werden sollen, über IL GATTO A NOVE CODE bis zu 4 MOSCHE DI VELLUTO GRIGIO immer weiter in die Gefilde komplexerer Narration vortastete, um seine Gialli mit bunten Sträußen skurriler Figuren und, ganz im Geiste Hitchcocks, Subtexten voller psychoanalytischer Erklärungsmuster zu füllen.
Nach dem oftmals übersehenen und im Gesamtoeuvre auch ziemlich isoliert dastehenden LEL CINQUE GIORNATE, mit dem Argento nach drei Genre-Filmen einmal etwas Neues ausprobieren wollte und dem man daher am besten wohl als reines Experimentierfeld verstehen sollte, beginnt der nächste dreieinige Zyklus, und zwar der, wofür bestimmt nicht nur ich Argento für alle Zeiten dankbar sein werde, im Jahre 1975 mit dem Paukenschlag PROFONDO ROSSO, der nichts Geringeres als den wohlgemerkt vollends geglückten Versuch darstellt, das Genre des Giallo mit allen Mitteln der Filmkunst zu etwas zu erheben, das im Grunde einzig und allein als alptraumhafter Rausch klassifiziert werden kann. Sicher, Argento hat sich von der Narration noch nicht ganz gelöst, und in der Originalfassung gibt es einige heute eher albern wirkende Geschlechterkämpfe zwischen Daria Nicolodi und David Hemmings auszutragen, dennoch kommt man nicht umhin, zu konstatieren, dass die bloße Handlung in PROFONDO ROSSO von der grenzüberschreitenden Optik ganz klar zur Unterordnung gezwungen wird. Mit PROFONDO ROSSO hat Argento zum ersten Mal einen Film geschaffen, der allein über seine Bilder zu uns spricht, und der, würde man ihn jemandem vorsetzten, der das Italienische mit keinem Wort beherrscht, diesen dennoch, allein durch die Macht seiner Bilder, sofern er mir denn nur ein bisschen ähnelt, in ein sprachloses Staunen versetzen würde, bei dem sich Fragen nach dem konkreten, von den Bildern transportierten Inhalt erübrigen. Tatsächlich wimmelt auch PRFONDO ROSSO von Momenten, in denen die menschliche Logik sich an den Kopf greifen müsste, besäße sie einen, einige Motivationen der Charaktere sind kaum nachvollziehbar und viel zu oft greift das Schicksal ein, um den Hobby-Detektiv Hemmings in seinen privaten Nachforschungen nicht stagnieren zu lassen, all diese Vorwürfe betreffen den Film aber nur insoweit, indem man Kategorien auf ihn anwendet, die eigentlich nicht für ihn gedacht sind. Es ist kein Film, der eine spannende, schaurige Geschichte erzählen möchte, er ist die Spannung, das Schauern höchstpersönlich in Bildern verewigt, die länger nachhallen als der Schuss jeder Räuberpistole – und will das auch gar nicht sein, was allein der Umstand unterstreicht, wie wichtig Argento die seinem künstlerischen Medium innewohnenden Qualitäten sind, wie viel Wert er darauf legt, psychische Situationen und Stimmungen mittels optisch sichtbarer Artefakte, Kamerafahrten, ungewöhnlichen Perspektiven zu vermitteln, wie stark seine Tendenz ist, viel mehr durch reines Bildmaterial auszudrücken als mittels eines allzu geschwätzigen Drehbuchs. Dass diese Tendenz sich über SUSPIRIA bis hin zu INFERNO nur noch steigern wird, weiß wohl jeder, der hier mitliest. Gerade INFERNO ist ein Film an der Grenze zur Abstraktion, dessen Handlung, sofern man die episodischen Fädchen, die die unfassbare Bilderflut notdürftig zusammenhalten, denn überhaupt noch so bezeichnen möchte, keinen gängigen narrativen Vorgaben mehr zu gehorchen scheint, sondern die, sprunghaft, überraschend, psychologisch zweifelhaft, dichter bei dem sitzt, was einen manche Nacht schweißgebadet zum Aufschrecken bringt. Sowohl PROFONDO ROSSO als auch SUSPIRIA und INFERNO sind Filme, die über sich selbst hinaus in alle erdenklichen Richtungen transzendieren. Dabei fallen sie indes aber nicht aus dem Genre-Kontext, in dem Argento sie platziert hat. Sollte das vorrangige Ziel von Horrorfilmen das Hervorrufen eines gewissen Horrors sein, so kann ich, was meine Person betrifft, dies allen drei Werken uneingeschränkt in einem Maße bescheinigen, das seinesgleichen sucht. Sei es nun die Szene in der leerstehenden Villa in PROFONDO ROSSO, wenn David Hemmings hinter einer Wandvertäfelung eine blutrünstige Kinderzeichnung entdeckt, oder der mich in tausend Alpträumen verfolgende erste Auftritt von Mater Suspiriorum in SUSPIRIA, wenn diese sich ächzend und keuchend hinter wallenden Vorhängen, die alles sind, was die Ballettschülerinnen vor ihr schützen, zum Schlafe niederlegt, oder das vollends surreale, unter der Mitwirkung von Mario Bava inszenierte Tauchabenteuer zu Beginn von INFERNO – das alles sind erhabene Kino-Momente, die tief in unserer Psyche verwurzelte Urängste hervorkitzeln, weil sie uns nicht damit aufhalten, um das Leben eines bestimmten fiktiven Charakters bangen zu müssen, sondern uns Figuren vorsetzen, die letztlich ohne Geschichte, ohne Biographie einzig und allein dafür da sind, uns als nahezu nackte Projektionsfläche zu dienen, auf die wir alle die schwarzen oder ängstlich roten Flecken unserer eigenen Seelen wie ein Farbgewitter auf eine weiße Leinwand schleudern dürfen. Fulci, den ich gerade in seinen besten Werken für einen unverblümten Epigonen Argentos halte, der zwar nie dessen Kunstfertigkeit erreichte, allerdings, angereichert mit einigem an Trash und viel selbstzweckhafter Gewalt, zumindest zeitweise ähnlich irritierend-fiebrige Werke zustande brachte, soll im Zusammenhang mit seinem mutmaßlichen Meisterwerk L’ALDILÀ ja von der bewussten Entscheidung gesprochen haben, einer etwaigen Filmhandlung, schlüssig, logisch, nachvollziehbar, die kälteste aller Schulter hinzuhalten, um einen „absoluten Film“ zu kreieren, einen, der lediglich über seine Bilder funktioniere und der sich ansonsten wenig bis gar nicht darum schere, eine sinnvolle Narration zu übermitteln. In gewisser Weise hat Fulci damit das Charakteristikum ausgesprochen, das dem Schaffen Argentos zwischen 1975 und 1980 zugrunde liegt, und das sein eigenes Werk der frühen 80er, wenn auch mehrere Qualitätsstufen tiefer angesiedelt, ebenso im Kern passend auf den Punkt bringt. Wo PROFONDO ROSSO zumindest noch so tut, als habe er etwas zu erzählen, und SUSPIRIA seine atemberaubenden Farbspiele immerhin noch mit so etwas wie einem modernen Gruselmärchen unterlegt, da stellt INFERNO einen Scheidepunkt dar, von dem aus es für Argento wohl nur zwei weitere Wege gegeben haben kann: entweder einzutauchen in das, was man in früheren Zeiten Avantgarde genannt hätte, oder sich zurück auf alte Tugenden zu besinnen, um nicht vollends den Kontakt zum filmischen Erzählen zu verlieren.
Diesen Kontakt stellt Argento 1982 mit TENEBRE wieder in einer Weise her, die einen jähen Bruch zum unmittelbaren Vorgänger bedeutet, verbirgt sich hinter dem Titel, der zunächst vermuten lässt, es könne sich um den finalen Teil der mit SUSPIRIA begonnen und in INFERNO fortgeführten sogenannten „Mütter-Trilogie“ handeln, die sich um drei Häuser, eins in Freiburg, eins in New York, eins in Rom, und um deren grausige Bewohnerinnen rankt, ein Triumvirat uralter Hexenwesen, die für die Menschheit ausschließlich Tod und Verderben bereithalten, entpuppt das Werk sich stattdessen als unterkühlter, blaustichiger Slasher-Giallo-Hybrid in Bauhaus-Optik, vermehrt auf ein halbwegs plausibles Drehbuch setzend, dem gegenüber die überbordende Ästhetik der vorherigen Arbeiten eine nicht untergeordnete, aber zumindest doch gleichwertige Rolle einnimmt, aus der sie nur selten einmal, am großartigsten wohl in der endlosen Kamerafahrt an einem Wohnhaus entlang, ausbricht, d.h. nicht narrativ determiniert ist. Argentos Zerrissenheit zwischen suggestivem Bild und konkret aussprechendem Bildinhalt verdeutlich meisterhaft PHENOMENA von 1985, wo er, laut meiner Interpretation, die Kunsttheorie bzw. Kunstästhetik der deutschen Romantiker so sehr in einen vorgeblichen Genre-Film einsickern lässt, dass dieser an manchen Stellen geradezu in nicht zusammenpassende Bestandteile auseinanderzufallen droht. OPERA, zwei Jahre später, ist dann wiederum ein reichlich motivationsloser Trip von einer Schreckszene zur nächsten, bei dem die Handlung, obwohl vorhanden, so viele Löcher aufweist, dass der Umstand wehmütig stimmt, wie wenig Argento sich hier schon auf seine vormaligen Tugenden besinnt und seine Optik, obwohl im Kontext betrachtet noch immer ziemlich elegant und zuweilen, man denke an die Rabenkamerafahrt inmitten einer Verdi-Inszenierung, gar atemberaubend, bereits sukzessive einem ikonischen Mainstream ohne großartige Ecken und Kanten angleicht.
Nach dieser neuerlichen Trilogie, die viel mit Tasten und Sondieren zu tun hat, bricht für mich, nach dem Episodenfilmausflug in Form der gemeinsam mit Romero dargebrachten Poe-Huldigung TWO EVIL EYES, mit AURA im Jahre 1993 dann die Ära in Argentos Opus ein, die bis heute fortdauert und im Grunde von zwei Bestrebungen des Regisseurs bestimmt ist: einmal, aus seinem eigenen Schatten zu treten und Innovation zu beweisen, selbst auf die Gefahr hin, so manchem Die-Hard-Fan der alten Tage damit vor den Kopf zu stoßen, und dann, die Innovation komplett beiseitezulassen und unverblümt Ideen aus jenen Filmen bis OPERA zu recyclen, die ihm überhaupt erst solche Die-Hard-Fans eingebracht haben. Beispiele, dass beides durchaus gelingen kann, wären zum einen LA SINDROME DI STENDHAL von 1996, wo Argento dichter als jemals an seinen Figuren dran ist und dieses Vorhaben mit überraschender emotionaler Tiefe meistert, und NONHOSONNO von 2001, einer Art Selbsthommage, in der so ziemlich alles vorkommt, was der geneigte Argento-Jünger aus vorherigen Filmen lieben und schätzen gelernt hat, dabei aber spannend genug in Szene gesetzt ist, dass er nicht zu einer langweiligen Nummernrevue wiedergekäuter Einfälle verkommt. Allerdings, und leider viel zu oft, scheiterte Argento seit nunmehr knapp zwanzig Jahren auch immer wieder in beiden Herangehensweisen an die Konstruktion eines würdigen Alterswerkes. Sein IL FANTASMA DELL’OPERA mag stellvertretend dafür stehen, dass Innovation nicht immer etwas Gutes sein muss, und LA TERZA MADRE, mit dem 2007 endlich, mit über zwanzigjähriger Verspätung, die dritte Mutter ihren eigenen Film bekommt, nachdem sie in INFERNO schon kurz vorbeischauen durfte, mag für meine These herhalten, dass es auch nur selten dienlich ist, bei sich selbst zu klauen, vor allem, wenn das Ergebnis, vor allem verglichen mit NONHOSONNO, nicht mal unbedingt den Eindruck einer geglückten Selbsthommage hinterlässt.
Dabei muss jeder, der sich bei LA TERZA MADRE über die wenig sinnreiche Story mokiert, sich den Vorwurf gefallen lassen, die beiden ersten Teile der Trilogie oder generell die klassischen Filme Argentos entweder nicht zu kennen oder nicht aufmerksam verfolgt zu haben. Sich vor allem an der Struktur von OPERA orientierend, nur eben mit dem Unterschied, dass die Identität eines oder mehrerer durch Rom ziehender Mordgesellen von nicht vorhandenem Interesse ist, hat Argento im Grunde nichts anderes gemacht als man es von ihm erwarten darf: er setzt eine Hauptfigur, deren psychologische Tiefe ich nicht wirklich sehen kann, diversen mehr oder weniger befremdlichen oder beklemmenden Situationen aus, erklärt Charaktermotivationen nur unzureichend oder gar nicht, verlässt sich vielmehr auf die seltsame Kombinatorik, mit der er die verschiedenen obskuren Ideen, ganz im Sinne der Surrealisten, miteinander verknüpft. Originell ist hierbei wenig – am besten hat mir persönlich noch das Äffchen gefallen, das, vermute ich mal, ein verkleideter Dämon oder ein Sendbote des Teufels sein soll, und von dem Argentos Töchterchen Asia in einer launigen Szene durch ein leeres Museum gehetzt wird, was indes vor allem damit zu tun haben mag, dass ich ein großer Bewunderer von Äffchen bin, die dem Teufel als Sendboten zur Verfügung stehen, am schlimmsten, sprich: lächerlichsten, habe ich die Vorstellung empfunden, die Argento sich offenbar von modernen Hexen macht, die nämlich, im Gegensatz vor allem zu dem keuchenden Mütterlein in SUSPIRIA, das mir regelmäßig die Nackenhaare zu Berge stehen lässt, nichts weiter sind als peinlich agierende, Passanten anpöbelnde, 80er-Gothic-Make-Up tragende Gören, deren Overacting mehr amüsiert als schockiert -, stattdessen verwertet Argento reichlich kreatives Eigenmaterial wie beispielweise in der allerersten Mordszene, die wohl so etwas darstellen soll wie der ins Extrem-Splatter-Milieu verfrachtete Eröffnungsmord in SUSPIRIA, tausendfach grausamer und tausendfach plakativer, oder die Vaginal-Pfählung einer Lesbierin, wie man sie aus dem unglaublich geschmacklosen und unglaublich unterhaltsamen Mario-Landi-Heuler PATRCIK VIVE ANCORA! kennt. Überhaupt muss man feststellen, dass Argento in LA TERZA MADRE die Gewaltschrauben so heftig anzieht wie nie zuvor. Da werden Priester regelrecht zerhackt, Frauen mit ihren eigenen Gedärmen erdrosselt und Säuglinge an Brückenpfeilern zerschlagen, das alles indes rein gar nicht mit den Untaten in den Filmen bis OPERA zu vergleichen, deren Gräuel ins Ästhetisch-Ätherische potenziert und in Rahmungen gestellt wurden, die die von Gemälden sein könnten, deren Anwesenheit über dem eigenen Schlafzimmerbett wohl niemanden stören dürfte. Nein, was in LA TERZA MADRE zerfetzt, zerrissen und zermahlen wird, das wirkt vor allem eins: reichlich eklig und reichlich unrealistisch, und damit so nahe bei Fulcis ausartenden Gewaltexzessen, denen ich ebenso keine wirklich ästhetische Komponente zusprechen kann, wie Argento nie zuvor gewesen ist.
Wobei der Punkt eben der ist, dass ein Film wie LA TERZA MADRE mit seiner Optik steht und fällt. Hätte Argento nur hauchdünn seine früheren Farbräusche aufblitzen lassen, hätte das Werk dadurch nur gewinnen können. Stattdessen ist die Geschichte, die zumindest ansatzweise versucht, Brücken zu den Vorgängen zu schlagen, vielfach aber ziemlich austauschbare Plots und Subplots bereit hält, sodass sie letztlich nicht viel anders wirkt als die eines beliebigen modernen Durchschnitts-Okkult-Horror-Streifen mit direct-to-video-Vermarktung, in Bilder getaucht, bei denen ich persönlich mich eher an einen herkömmlichen Fernsehkrimi erinnert gefühlt habe. Klar, die langen, ruhigen Dialogszenen, die das blutige Treiben immer wieder unterbrechen, sind wohltuend antiquiert und haben eine nicht zu leugnende Eleganz, und einige innovative Ideen, das sei nochmals wiederholt, haben mir bestens gefallen, so z.B. der Versuch, an einer Stelle einige Flashbacks mittels Comic-Zeichnungen zu verbildlichen, und ebenfalls nicht schlecht ist die Kamerafahrt geraten, mit der unsere Heldin kurz vor dem Finale durch das dritte Hexenhaus begleitet wird, alles in allem kann LA TERZA MADRE die vollmundigen Versprechen seiner Vorgänger jedoch genauso wenig einlösen wie, auf sich allein gestellt, einen befriedigenden Horrorfilm der oberen Güteklasse abliefern. Für jemanden, der einst irreale Märchenwelten zu schaffen vermochte, d.h. die Wirklichkeit in Bereiche entrückte, die ihre Studiokulissenherkunft mit keinem Wort verrieten, ist es dann doch recht beschämend, finde ich, auf CGI-Effekte zurückzugreifen, die zwar das Gleiche bewirken sollen, letztlich aber aufs genaue Gegenteil hinauslaufen, nämlich überdeutlich unterstreichen, dass sie von jemandem nicht mal sonderlich professionell am Rechner zusammengebastelt worden sind und somit die angeblich angestrebte Illusion konsequent torpedieren, wobei in Bezug darauf, dass dem Zuschauer als dritte Mutter eine mit Silikonbrüsten bewehrte Dirne präsentiert wird, die sich zusammen mit ihren nicht weniger pornoartigen Gefährtinnen in Sex- und Gewaltorgien suhlt, schon fast von der gezielten Demontage eine Mythos gesprochen werden kann, die nicht mal dadurch, dass Argento das Ganze selbstironisch gemeint haben könnte, wie man gerne von seinem neusten Streich DRACULA 3D behauptet hat, auch nur ein bisschen an Wert gewinnt.
LA TERZA MADRE begeht indes, mal abgesehen davon, dass er weder inhaltlich noch visuell sonderlich inspirierend daherkommt, meiner Meinung nach, einen weiteren entscheidenden Fehler, der ihm gerade im Kontext von SUSPIRIA und INFERNO letztlich das Genick bricht. Was die beiden Vorgänger für mich nämlich mit am meisten auszeichnet, ist der Umstand, dass die in ihnen farbprächtig beschworenen Hexenhäuser, so etwas wie Emanationen der in ihnen hausenden Ungeheuer, verlängerte Körperteile des unter ihren Dächern schlafenden Bösen, die, einem lebenden Organismen gleich, eine eigene Existenz zu führen scheinen, stets Dreh- und Angelpunkt des jeweiligen Films darstellen. Die Ballettschule in SUSPIRIA sowie das Wohnhaus in INFERNO sind beides klassische, im wahrsten Sinne des Wortes beseelte Spukorte, an denen die Grenze zwischen der realen und der phantastischen Welt so brüchig ist, dass, hat man erst einmal die Schwelle überschritten, sich hilflos in ihnen verloren findet. Anders verfährt Argento in LA TERZA MADRE. Hier taucht das Hexenhaus der dritten Mutter erst ganz am Schluss auf und hat dann auch nicht viel zu bieten außer dem einen oder anderen finsteren Korridor und einem wohl von PHENOMENA übriggebliebenen Schlammbad der widerlichsten Sorte. Bis dahin hetzt das Drehbuch seine Heldin quer durch das moderne Rom, das freilich nicht ansatzweise den verwunschenen Gebäuden Freiburgs und New Yorks die Stirn bieten kann, zumal die angeblich in ihm stattfindende Apokalypse aus nicht viel mehr als ein paar Schlägereien, Kindsmorden und Explosionen besteht, demnach unterm Strich eher mau ausfällt.
Müsste ich SUSPIRIA und INFERNO mit einem Wort zusammenfassen, würde ich mit Sicherheit MAGIE in großen Lettern wählen. Beide Filme handeln nicht nur von Hexereien, sie sind selbst Hexereien, die ihr Publikum verhexen und verzaubern, und Argento damit ein moderner Méliès, der noch heute kein bisschen angegraute Zaubertricks en masse aus seinem Hut fädelt, um sein Publikum zu Kindern werden zu lassen, die sich zitternd unter Bettdecken vergraben, wenn sie meinen, dass eine der drei Mutterhexen sich ihren Zimmerchen nähert. Bei LA TERZA MADRE brauchen wir indes keine Bettdecken mehr, um uns zu verstecken. Wir sind älter geworden, abgeklärter, so wie Argento, der seine Zaubertricks verlernt zu haben scheint, uns lediglich wehmütig an sie erinnert, während wir zusehen müssen wie ihm der Hut vom Kopf rutscht, zerspringt und unfreiwillig das Geheimfach offenbart, das unseren verblendeten, entzückten Augen bisher entgangen ist. Es tut weh, aber: die Magie ist in alle Winde verstreut.
Re: The Mother Of Tears - Dario Argento
Toller Text, Salvatore.
Früher war mehr Lametta
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Re: The Mother Of Tears - Dario Argento
Respekt... der Text ist der Hammer.
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- sergio petroni
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Re: The Mother Of Tears - Dario Argento
Danke Salvatore, ganz großes Kino Dein Text!
Und "Profondo Rosso" ist auch für mich DER alptraumhafte Rausch schlechthin.
Und "Profondo Rosso" ist auch für mich DER alptraumhafte Rausch schlechthin.
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“