Django kennt kein Erbarmen - Klimovsky/Castellari (1966)

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Maulwurf
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Re: Django kennt kein Erbarmen - Klimovsky/Castellari (1966)

Beitrag von Maulwurf »

 
Django kennt kein Erbarmen
Pochi dollari per Django
Italien/Spanien 1966
Regie: Enzo G. Castellari
Anthony Steffen, Gloria Osuna, Ennio Girolami, Joe Kamel, Alfonso Rojas, Ángel Ter, José Luis Lluch, José Luis Zalde, Frank Wolff, Sandalio Hernández, Chiro Bermejo, Enzo G. Castellari


Django kennt kein Erbarmen.jpg
Django kennt kein Erbarmen.jpg (94.84 KiB) 472 mal betrachtet
OFDB

Der Kopfgeldjäger Django hat den Halunken Freeman in die ewigen Jagdgründe geschickt und bei diesem 100.000 Dollar gefunden. Geld, das vermutlich einer Bergwerksgesellschaft gehört, der es vor Jahren von dem Banditen Jim Norton geraubt wurde, der damals Freemans Komplize war. Die Gesellschaft möchte wissen ob das wirklich ihr Geld ist und schickt Django nach Mile City in Montana, wo ein gewisser Trevor Norton lebt, seines Zeichens der Bruder des mittlerweile erschossenen Jim Norton. Also trabt Django los, findet in der Wüste noch einen toten Sheriff, und kommt dann irgendwann in Kleinmiesnestdorf genau rechtzeitig an, um eine Hanging Party zu verhindern. Er wird von vornherein als Sheriff wahrgenommen und lässt sich auch gerne auf das Spiel ein, findet sich aber dadurch sofort in einem Krieg zwischen den Fronten wieder. Denn in Montana kämpfen Viehzüchter gegen Farmer, und die Mittel in diesem Krieg heißen Brandschatzen und Morden. Der Anführer der Viehzüchter ist ein gewisser Bronsberg, der einen Haufen zwielichtiges Gesindel um sich geschart hat. Und der Anführer der Farmer? Der heißt Trevor Norton und versucht verzweifelt auf Diplomatie zu setzen, um den Kampf zu vermeiden. Und zu guter Letzt ist da noch Sally, die Nichte von Onkel Trevor, die sich gewaltig in Django verguckt, der ja eigentlich dem guten Trevor auf den Zahn fühlen soll …

Keine Angst, die Geschichte klingt nur so verzwickt, in Wirklichkeit ist das alles erstaulich einfach dargestellt und dreht sich in erster Linie um die Frage: Wer ist Onkel Trevor? Ist das wirklich der Zwillingsbruder des toten Jim? Oder ist es Jim selber?

Ich kenne nur einen Menschen der so einen Schuss am Leib hat …

Alles andere sind MacGuffins oder kleinere Schlenker in der ansonsten gradlinig erzählten Geschichte, die dank des coolen Anthony Steffen gut nach vorne losgeht. Einiges an spannenden Schießereien, ein wenig Geprügel, interessante Charaktere, und auch wenn das alles nun nichts Neues im Lande Montana ist, so ist die Story bis auf die letzten 20 Minuten ordentliche Unterhaltung, bei der man nichts verkehrt machen kann.
Wieso die letzten 20 Minuten? Nun, nach den ernsten und straighten rund 60 Minuten ab dem Beginn ist das gesamte Showdown irgendwie ein wenig aus dem Rahmen gefallen. Urplötzlich treiben die Personen inhaltlichen Unfug, bringen sich völlig unvermittelt in ausweglose Situationen, lösen diese mit wahren Wunderschüssen, und wenn am Schluss die Kavallerie in Gestalt der braven Bürger herbeikommt und mit großen Augen das entstandene Drama anschaut, sich dabei aber nicht mal aus dem Sattel bewegt geschweige denn auch nur eine einzige Waffe zieht, dann wundert man sich schon, ob da eventuell ein anderer Regisseur am Werke gewesen sein mag. Oder bin ich da etwas überempfindlich?

Nicht nur in diesem Zusammenhang wäre die Entstehungsgeschichte des Films sicher interessant. Das beginnt dabei, dass der Film häufig Leon Klimovsky zugeschrieben wird, tatsächlich aber das Regiedebüt von Enzo G. Castellari war. Klimovsky hat wohl anscheinend ganze 10 Minuten gedreht. Meine persönliche Meinung ist, dass es diese letzten 20 Minuten des Films waren, die inszenatorisch eben deutlich abfallen, und eher für Klimovskys Unvermögen stehen als für Castellaris Können.
Die Musik von Carlo Savina lehnt sich ausgesprochen deutlich an Ennio Morricones FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR an, und auch der Originaltitel, übersetzt Ein paar Dollar für Django, zeigt mit einem übergroßem Finger auf das große Vorbild Sergio Leones. Allein die großartige Prä-Titelsequenz, wenn ein Pistolero im Poncho auf einem Maulesel zu zwei Banditen reitet, gefilmt durch die Arme der armdrückenden Schurken, allein diese Sequenz ist purer Leone (im Gegensatz zum Rest des Films). Auf der anderen Seite ist dies ein „echter“ Django, also keiner der aus der deutschen Titelschmiede stammt – Und die Figur Anthony Steffens heißt in den italienischen und spanischen Fassung tatsächlich Django Regan!
Gleichzeitig sind aber auch starke amerikanische Einflüsse zu spüren. Das betrifft die etwas langgezogene Liebesgeschichte zwischen Django und Sally genauso wie eine Figur wie den Sheriffgehilfen Smitty, der so auch aus RIO BRAVO bzw. dem im gleichen Jahr wie DJANGO KENNT KEIN ERBARMEN gedrehten Remake ELDORADO stammen könnte. Smitty ist so eine typische Walter Brennan-Figur: Der kauzige alte und aufrechte Westerner, den man aus Lucky Luke-Comics und alten US-Western kennt, der sich aber in den Italos gottseidank nie wirklich durchsetzen konnte.

Insofern ist DJANGO KENNT KEIN ERBARMEN ein oft ambivalenter Film, der so seine Höhen und Tiefen hat. Wenn Norton sich gegen eine ganze Bande von Revolvermännern zur Wehr setzt und gekonnt einen nach dem anderen ausschaltet ist das megaspannend und tatsächlich in jeder Weise ganz großes Kino. Und wenn am Ende die Stuntleute so tun sollen als ob sie erschossen werden, dann ist dies offensichtlich eine der definitiven Inspirationsquellen für Demofilo Fidani: Aus dem Liegen aufstehen, sich mindestens einmal um die eigene Achse drehen, dabei aufjaulen wie Ian Gillan am Ende von Child in time und zu guter Letzt rückwärts auf den Kopf fallen …

Aber da muss man wahrscheinlich einfach durch, genauso wie durch die deutschen Schnittfassungen. Ich möchte Grinder aus der OFDB zitieren:
Grinder hat geschrieben: Die bisherigen deutschen DVD Veröffentlichungen (Stand 06/2020) sind leider alle cut.
Gegenüber der Tele 5-Ausstrahlung und der Japan DVD (darauf basiert das Master) wurden damals ca. 12 Sekunden gekürzt und eine FSK 16-Freigabe beantragt.

[..]

Django kennt kein Erbarmen hatte in Deutschland eine 18er Freigabe. MVW hat im Jahr 2005 eine Neuprüfung einer gekürzten Version bei der FSK durchgeführt und eine 16er Freigabe erreichen können. Gegenüber der Japan DVD wurden ca. 12 Sek. entfernt.
Es handelt sich jedoch keineswegs um blutige Szenen, wie abgeschossene Ohrläppchen oder sonstige Gewalttätigkeiten, nein, man hat den Kampf Trevor Nortons gegen einen anderen Farmer um mehrere kleine Schnipsel erleichtert, z.B. wie der angebliche "gute" Norton seinen Gegner mit einer Mistgabel explizit zu töten versucht. Die Szene findet um die Minute 24 statt.
Mit dieser Kürzung hat man den Charakter Nortons entschärft, bzw. man enthält dem Zuschauer vor, welcher Charakter sich hinter der guten Fassade verbirgt.

Die "seltsame" Laufzeit der Fassungen (Tele 5, deutsche DVDs, Japan DVD) beruht darauf, dass die Geschwindigkeit ständig zwischen PAL und NTSC schwankt. Warum auch immer.
Außerdem ist die Szenenfolge falsch. Nur die VHS von Greenwood hat die richtige, originale Szenenfolge wie sie auch im Kino zu sehen war.

Greenwood
1. Steffen als Kopfgeldjäger, Szene Dynamitkerze
2. Auftrag nach Montana zu reiten
3. Credits/Titelsong über den Reit- bzw. Pferdeszenen
4. Auffinden des toten Sheriffs
5. Ankunft in Montana


Die Bavaria VHS stellt die Szenen wie folgt dar:
1. Credits/Titelsong über den Reit- bzw. Pferdeszenen
2. Steffen als Kopfgeldjäger, Szene Dynamitkerze
3. Auftrag nach Montana zu reiten
4. Auffinden des toten Sheriffs
5. Ankunft in Montana


Die SPO DVD aus Japan und die auf demselben Master basierende TV-Version (Tele 5) und MVW DVD haben eine gänzlich andere Schnittfolge:
1. Steffen als Kopfgeldjägern, Szene Dynamitkerze, darüber neu angefertigte Credits
2. Auftrag nach Montana zu reiten
3. Reitszene
4. Auffinden des toten Sheriffs
5. Pferdeszene/Titelsong am Ende(!) des Films


Durch diese Umstellung wird die Szene aus Ihrem ursprünglichen Kontext gerissen und der Film unnötig verkitscht. Die dargestellten Zäune ergeben am Filmende überhaupt keinen Sinn, sondern sollen dem Zuschauer die Situation in Montana darstellen, bevor Steffen dort ankommt.
Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=text& ... rid=822970

Was wären Westernfilme in Deutschland ohne Grinders Fachwissen? Vielen Dank an dieser Stelle!! Und mit dem Wissen über die richtige Szenenfolge gewinnt der Film tatsächlich an Profil.

7/10
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Jack Grimaldi
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