Maulwurfs Hör-Bar

Moderator: jogiwan

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Blap
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Blap »

Maulwurf hat geschrieben: Di 17. Jun 2025, 15:27
Blap hat geschrieben: Di 17. Jun 2025, 14:21 An dieser Stelle zitiere ich Tomte/Thees Uhlmann: "Nichts ist so schön auf der Welt, wie betrunken traurige Musik zu hören!"
Oh, da habe ich (wunderschöne) Erinnerungen, die beim Buchstaben D wieder hochkommen werden *träum*
Bin gespannt! :smile:
Das Blap™ behandelt Filme wie Frauen
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Maulwurf
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Maulwurf »

Current 93
Nature unveiled

LP – 1984 - frühe Auflage mit beigefügter 7“-Single

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CURRENT 93, das ist im Wesentlichen David Tibet, ein Londoner Künstler, der sein Leben diesem einem Projekt verschrieben hat, und dies bereits seit über 40 Jahren! Der Mann kommt ursprünglich aus der Ecke der Krach-Avantgardisten, ist aber bei weitem nicht so bilderstürmerisch wie etwa THROBBING GRISTLE es waren, sondern hat einen erheblich weiteren Horizont, der ihn im Lauf der Jahre bis zum Folk und zum Christentum brachte. Nature unveiled, sein erster alleiniger Longplayer, ist im Gegensatz zur späteren Entwicklung eine Klangcollage. Eine Toncollage. Unheilige Mönchschöre werden überlagert von elektronischen Geräuschen, eine Sirene kommt dazu, ein Italiener redet schnell und schrill irgendwelches Zeug, Kinder weinen … Ambientlastiger Rhythm ‘n‘ Noise; düsterer Stoff, richtig düster. Böse klingend, wie der Soundtrack zu einem richtig guten Horrorfilm, vielleicht von Michele Soavi zu seiner besten Zeit. Definitiv kein Stoff, der für jede Zeit und für jeden Zuhörer geeignet ist – Meine Frau würde das, so sie das jemals zu Gehör bekommen würde, als Krach und Brunz abtun. Ich für meinen Teil finde diese Art unheilvoller Musik(!) intensiv und sehr genial. Genial im Sinne von irritierend und unter die Haut gehend. Etwas, in dem man mit der Seele versinken kann. Auf Discogs schreibt einer, dass er niemals eine „scarier record than ‘Nature Unveiled‘" hören wird, und das unterschreibe ich gerne.

Die ersten 1000 Stück des Albums hatten noch eine 7“-Single beiliegen: Die A-Seite CURRENT 93, die B-Seite NURSE WITH WOUND. Das ist dann schon deutlich härterer Stoff! CURRENT 93 klingen elektronischer als auf dem Album, ambientlastiger, und sind, wenn man mit elektronischen Welten was anfangen kann, gut hörbar, während NURSE WITH WOUND mehr Noise als Rhythm sind. Dies ist dann eher 1980er-Independent-Postpunk-Experimental-Zeugs mit hohem Abnerv-Faktor …


Current 93 - The mystical body of Christ in Chorazaim (The great in the small)
Der Sieg des Kapitalismus ist die endgültige Niederlage des Lebens.
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Dick Cockboner
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Dick Cockboner »

Current 93 bzw. David Tibet als Person mag ich. Ich nehme den schon immer als etwas schrulligen Künstler wahr, der auch immer gerne mit anderen (mehr oder weniger schrulligen) Künstlern zusammenarbeitete.
Sein musikalisches Schaffen (den ganzen Rest als Maler und Autor kann ich durch mangelnde Kenntnis nicht beurteilen) pendelt zwischen genial und "eher schwieriger Kram". :kicher:
Ich hoffe doch, Du hast da noch mehr in petto.
“It’s hard to see things when you’re too close. Take a step back and look.”
Bob Ross
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Maulwurf
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Maulwurf »

Dick Cockboner hat geschrieben: Mi 18. Jun 2025, 18:53 [..] pendelt zwischen genial und "eher schwieriger Kram". :kicher:
Ja, genau der! :thup: Auf einer Festplatte habe ich noch so einiges von ihm, was mir dann öfters ein wenig zu abgefahren ist, aber auf Tonträger kommt nur noch ein bisschen was. Das Grundproblem ist halt, dass ich die Sachen, die auf dieser Festplatte sind, nicht mehr physikalisch kaufen mag, hier in diesem Thread aber (fast) nur physikalische Tonträger Berücksichtigung finden ...
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Maulwurf
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Maulwurf »

Current 93
Bar Maldoror

LP – 1985

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Die Gesänge des Maldoror (Les Chants de Maldoror) ist das einzige Werk des französischen Dichters Lautréamont [..], das auf die Literatur der Moderne und namentlich auf den Surrealismus großen Einfluss ausübte. Es erschien 1874 und gilt als eines der radikalsten Werke der abendländischen Literatur.

André Breton bezeichnete das Werk 1940 als „Apokalypse“: „Alles noch so Kühne, das man in den kommenden Jahrhunderten denken und unternehmen wird, es ist hier in seinem magischen Gesetz im voraus formuliert worden.“ und André Gide sah in Ducasse den „Schleusenmeister der Literatur von morgen“.

Maldoror, Held und Ich-Figur, ist die Inkarnation des Bösen schlechthin. Er ist „ein schwarzer, zerschmetterter Erzengel von unsagbarer Schönheit“, wie Maurice Maeterlinck geschrieben hat, eine „Sonne des Bösen“ (Aurore du Mal = Maldoror) und findet sich auf unserem Planeten wieder, gestrandet unter der ihm verhassten Menschheit, der er ihre eigene Schlechtigkeit vor Augen führen will.
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Ges%C ... s_Maldoror)

Dies ist die Musik zum Untergang. Die Klänge des Bösen. Der Soundtrack zum Untergang. So klingt es, wenn das Böse auf der Erde wandelt. Dark-Ambient-Industrial zum Fürchten ...


Current 93 - Bar Maldoror (Wobei bei diesem Upload leider die beiden Seiten der LP vertauscht wurden)
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FarfallaInsanguinata
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von FarfallaInsanguinata »

Schön, dass du dich mit diesem Kram, Industrial oder Atonal getauft, ebenfalls beschäftigst. Ich war ja durch die gesamten Achtziger Stammgast im Hamburger Plattenladen "Unterm Durchschnitt", dem deutschen Mekka für Freunde dieser Musik mit dem angeschlossenen Label "Walter Ulbricht Schallfolien". Da hatte ich so einiges, Nurse With Wound, Psychic TV, Monte Cazazza, SPK, Controlled Bleeding fallen mir auf Anhieb ein, und natürlich die "Erfinder" des ganzes, Throbbing Gristle. Das meiste ist allerdings mittlerweile verkauft. Selbst Bremen besaß ja seine lokalen Helden in diesem Bereich, die es in der Szene auch zu einigem Ansehen brachten, Gerechtigkeitsliga.
Bin gespannt, was da bei dir noch kommt.
Diktatur der Toleranz

Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
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Maulwurf
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Maulwurf »

FarfallaInsanguinata hat geschrieben: Sa 21. Jun 2025, 01:34 Schön, dass du dich mit diesem Kram, Industrial oder Atonal getauft, ebenfalls beschäftigst. Ich war ja durch die gesamten Achtziger Stammgast im Hamburger Plattenladen "Unterm Durchschnitt", dem deutschen Mekka für Freunde dieser Musik mit dem angeschlossenen Label "Walter Ulbricht Schallfolien". Da hatte ich so einiges, Nurse With Wound, Psychic TV, Monte Cazazza, SPK, Controlled Bleeding fallen mir auf Anhieb ein, und natürlich die "Erfinder" des ganzes, Throbbing Gristle. Das meiste ist allerdings mittlerweile verkauft. Selbst Bremen besaß ja seine lokalen Helden in diesem Bereich, die es in der Szene auch zu einigem Ansehen brachten, Gerechtigkeitsliga.
Bin gespannt, was da bei dir noch kommt.
Ah, von Walter Ulbricht Schallfolien besitze ich sogar eine THROBBING GRISTLE-Veröffentlichung! Wobei es deutlich leichter zugänglichen TG-Stoff gibt als dieses Album. Aber gut, in den 80ern hat man, so mein Gefühl, auch als Hörer noch sehr viel mehr experimentiert. Um einen herum ist die Musik nur so explodiert, und gerade in den kleinen Plattenläden wie dem von Dir geschilderten kam man mit allerlei Zeugs in Kontakt. Der musikalische Horizont wurde permanent erweitert, und auf diese Weise kamen auch einige (wenige!) Industrial-Alben in die Sammlung. Dinge, die auch heute noch spannend sind, und immer noch aufregend klingen. Insgesamt eine Richtung, die glaube ich meine heutige Liebe zum Dark Ambient erklären könnte ...
PSYCHIC TV habe ich zumindest mal irgendwann Mitte der 80er in Frankfurt live gesehen, alle anderen Projekte waren leider vor meiner Zeit ...
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Maulwurf
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Maulwurf »

Current 93
In menstrual night

LP – 1986 - Picture Disk

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Uh, das ist schon deutlich unzugänglicherer Stoff als die düster-ambienten Vorgängeralben. Prinzipiell bestehen beide Seiten der Platte aus Soundcollagen. Gezirpe, Kinderlieder, Sprachfetzen, einstimmige Frauengesänge, eine Blaskapelle schaut mal kurz vorbei, eine Art Glockenspiel, elektronische Geräusche, und ein Loop fragt immer wieder "Darfst Du das?". Größtenteils sehr meditativ das, zum sich davontragen lassen und zur Ruhe kommen. Wenn die B-Seite To feed the moon nicht mit einem sehr destruktiven Schlagzeug im Anti-Rhythmus daherkäme, wäre die gesamte Platte eine frühe Industrial-Ambient-Collage, die gerne öfters gehört werden könnte. So aber wird zumindest die eine Seite äußerst anstrengend und verlangt vom Zuhörer einiges an Aufgeschlossenheit ...


Current 93 - Sucking up souls
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