● Folge 31: ENDE EINES TANZVERGNÜGENS (1971)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper
Gäste: Alexandra Marischka, Gisela Peltzer, Karl Michael Vogler, Ellen Umlauf,
Alice Treff, Dirk Dautzenberg, Wolfgang Schneider, Detlev Eckstein, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Wolfgang Staudte
Wolfgang Staudtes "Ende eines Tanzvergnügens" zählt definitiv zu meinen Lieblingsbeiträgen innerhalb der Reihe, denn abgesehen von der hochklassigen Inszenierung ist es der denkwürdige Gast-Auftritt von Alexandra Marischka, der etwas ganz Extraordinäres darstellt. Schon das Intro der Folge setzt ein dickes Ausrufezeichen und bahnt eine spannende Geschichte um fatale Verwicklungen an. »Wer war das?«, schreit die verzweifelte Schwester des Toten und der Zuschauer sieht sich nach kürzester Zeit mit einer beinahe rhetorischen Frage konfrontiert. Wo die Charakterzeichnungen in Staudtes Vorgänger-Episode noch ausbaufähig waren, bekommt man hier schon wesentlich mehr Überzeugendes geboten. Der Kriminalfall an sich steht lange Zeit im Licht eines eher profanen Mordfalles, doch zahlreiche Wendungen und Überraschungen wurden vornehmlich zum Finale hin mit eingebaut. Außerdem hat man es mit der Figur der Ilo Kusche mit einer der gefährlichsten Frauenrollen innerhalb der Reihe zu tun. So funktioniert jedes Zahnrad in dieser Geschichte exzellent und transportiert im Endeffekt eine hohe Glaubwürdigkeit und ein denkwürdiges Thema zugleich. Gut herausgearbeitet wird die jeweilige Atmosphäre, ob bei den Kusches zu Hause, quasi in komplett verdrehter Verhältnismäßigkeit, wo Ilo in keinem goldenen Käfig sitzt, denn sie ist eher der goldene Vogel in einem ziemlich heruntergekommenen Milieu. Oder beruflich, wo sie in einem Ambiente arbeitet, das ihr zwar temporär genügt, jedoch auf Dauer ihren Bedürfnissen nicht entsprechen kann. In Discotheken sieht man sie ausgelassen und die Zeichnungen der anderen Personen zeigen, dass ihr unbekümmertes Dasein ausschließlich auf Kosten anderer ausgetragen wird, und dass viele Männer um sie herum gefährdet sind, den Verstand zu verlieren.
Alexandra Marischkas erster Auftritt wird mit den folgenden, eindeutigen Worten der verbitterten Schwester des Ermordeten eingeleitet: »Komm raus du Dreckshure!«, ruft Lisa Stoltze in das Fenster der sich in einem Hinterhof befindenden Wohnung, in jenes Fenster, an dem auch ihr Bruder oft stand und auch andere junge Männer wohl Nacht für Nacht Schlange gestanden haben. Die verwunderte Polizei findet nur eines vor, nämlich die Unempfindlichkeit und Gleichgültigkeit einer jungen Frau, die selbst einen Mord lediglich abwesend zur Kenntnis nimmt. Die junge Frau wird von ihren Eltern wie ihr wertvollster Besitz behandelt und alle Unannehmlichkeiten werden von ihr ferngehalten, damit es zu keinem Wertverlust kommt. Sie soll einmal ein besseres Leben haben (und vor allem auch für andere mit sich bringen). Dabei heiligt der Zweck schließlich alle Mittel. Wird es durch die persönlichen Umstände also verständlicher, warum Ilo Kusche so ist, sie sie ist. Nein! Diese junge Frau besitzt alle Waffen, die Männer freiwillig zur bedingungslosen Kapitulation bringen. Kusche ist auf den ersten Blick eine Kreuzung aus einer Art amourösen, und einer elitären Narzisstin. Sie liebt sich selbst so sehr, dass die Liebe der anderen wertlos und uninteressant wird. Dementsprechend wird jeder, der ihren Köder schluckt, auf der Strecke bleiben. Der Tote reagierte beispielsweise eindeutig auf die falschen Signale, für die offenbar jeder Antennen hat: »Ich bin fasziniert, ich bin einfach glücklich!« Ein hoher Preis für ein wirkungsvolles Gefühl ohne greifbaren Ursprung der Gegenseite, wenn am Ende schließlich der Tod steht.
Über die perfekte Besetzung durch Alexandra Marischka braucht man nicht lange weiter zu diskutieren. Besonders hervorzuheben ist in dieser Folge die Interpretation von Gisela Peltzer, deren Person zum universellen Vorwurf wird. Auch Karl Michael Vogler, der der Versuchung in vollem Umfang verfallen zu sein scheint, spielt sehr überzeugend, genau wie Ellen Umlauf als hinnehmende, aber autonome Ehefrau, der ihre gute materielle Stellung wichtiger als Treue erscheint, so lange sie nicht durch ein jüngeres, aufregenderes Modell ausgetauscht wird. Ilos Eltern bekommen durch Alice Treff und vor allem Dirk Dautzenberg beinahe paradoxe Anstriche, die Besetzung ist durchgehend ein Fest! Folge 31 überrascht durch die eher unkonventionelle Herangehensweise und stellt eine kleine Ausnahmeerscheinung dar. Das Finale liefert schließlich noch einen der vielen atemberaubenden Momente der Kommissar-Reihe, so dass man es aufgrund unterschiedlichster Komponenten mit einer ausgefallenen und lange in Erinnerung bleibenden Episode zu tun hat. Die Prognose der Folge bleibt unterm Strich ernüchternd: Ilo Kusche wird definitiv weiter tanzen, es werden noch unzählige Motten, die um dieses verwirrende Licht schwirren, über die Klinge springen. Mein persönlicher Eindruck ist schlussendlich deckungsgleich mit der Aussage von Hansi Stoltze: »Ich bin fasziniert!« Fasziniert von Alexandra Marischka, deren Schönheit so durchdringend wirkt, und angezogen von der verträumten, kühlen Distanz einer Frau, die hier die Möglichkeiten hatte, Verrückte zu machen.